Styx: Shards of Darkness im Test – mit garstigem Goblin auf Diebes- und Meucheltour

Spätestens seit Skyrim bin ich Schleicherin vom Dienst. Rund 75 Prozent meiner gut 200 Spielstunden im epischen Himmelsrand habe ich in geduckter Haltung hinter Büschen, Bäumen und Felsnischen verbracht. Als ich in der Redation das erste Mal davon hörte, war schnell klar: Ich muss Styx: Shards of Darkness testen. Der zweite Teil der Reihe aus dem Hause Cyanide Studios steht laut den Machern für Schleichspaß erster Güteklasse. Der Vorgänger “Master of Shadows” aus dem Jahre 2014 ist mir gänzlich unbekannt, umso gespannter habe ich mich in das neue Abenteuer geworfen, welches nun für PS4, PC und Xbox One erhältlich ist. Wie mir die Reise mit dem grünen Misanthropen Styx gefallen hat, erfahrt ihr in meinem Test.

Irrungen und Wirrungen – Story & Steuerung

Hauptfigur und Titelgeber des Spiels ist der giftgrüne Goblin Styx, mit dem ich mich in Shards of Darkness durch frei begehbare und recht große Levelgebiete bewege, um ein magisches Zepter aufzuspüren, welches von einem niederträchtigem Dunkelelfen gestohlen wurde. Unsere Auftraggeberin ist Anführerin der “Schlächter”. Wer das ist? Eine Gruppe von Menschen, die sich zusammengetan haben, um sich der grünen Goblin-Plage zu entledigen. Aber auch Elfen und Zwerge sind uns nicht wohlgesonnen. Das ganze völkische Repertoire Mittelerdes hat hier also seine Rolle bekommen und sich gegen die Goblins verschworen. So viel zur Story, die recht dünn und zu Beginn eher verwirrend ist und einen nicht wirklich mitreißt. Einen Literaturpreis wird es dafür wohl nicht geben, aber als Rahmen für das Schleichunterfangen reicht es gerade so aus. Ich fürchte ich habe nach den ersten Missionen nicht mehr wirklich aufmerksam zugehört. Zudem ist die Erzählung an manchen Stellen auch etwas widersprüchlich. Hier wäre besseres Storytelling gefragt gewesen, um die Geschichte interessanter zu machen, zu verdichten und für mehr Identifikation mit Mr. Goblin zu sorgen. Gerade am Anfang ist die Erzählung undeutlich. Damit reiht sie sich aber hervorragend in die unpräzise, schwammige Steuerung ein. Bereits im Prolog musste unser grüner Freund leider ab und an das Zeitliche segnen, da er es gerade beim Springen und Klettern nicht wirklich für nötig hält, das zu tun, was man von ihm verlangt.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Obwohl Styx recht klein ist, hat er es faustdick hinter den spitzen Goblinohren und spielt seinen Kontrahenten im Spiel übel mit. So gehört das Vergiften von Getränken und Essbarem – wohl gemerkt, indem er genüsslich reinrotzt – und das heimliche Erdolchen und Anbringen von Fallen zu Styxs Spezialitäten, um seine Widersacher aus dem Weg zu räumen. Neben den Fisimatenten, die Mr. Styx so auffährt, ist ihm auch der Schnabel sehr locker gewachsen. Und so gibt der Charakter im Spiel immer wieder allerlei einstweilen primitive Witze zum Besten. Der inszenierte, aufgesetzte Anti-Superheld konnte damit bei mir jedoch nicht wirklich landen. Die vielen “obercoolen” Sprüche haben mich bereits am Anfang des Spiels arg genervt. Vor allem wenn man das Zeitliche segnet, was ich zu Beginn häufiger getan habe, kommt Styx zu Wort und macht einen für den digitalen Tod lang. Hier haben die Macher des Spiels deutlich über die Stränge geschlagen und bei der Zuspitzung von Styxs Charakter etwas übertrieben. Der Ausspruch “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold” ist an dieser Stelle daher treffend. Weniger hätte dem Ganzen hier definitiv gut getan oder zumindest Witze mit mehr Geschmack. Nahezu traumatisiert von dem nervtötenden Sprüchen, konnte ich mich auch für den Rest des Spiels nicht mehr wirklich mit Styx identifizieren und habe die dumpfbackigen Sequenzen jedes Mal genervt weggedrückt.

Große Level und Wahlfreiheit – Kletterspaß deluxe

Aber da Styx generell ja auch nichts von Menschen hält – zu denen ich ja nun mal zähle -, beruht die Antipathie also auf Gegenseitigkeit, sorgte aber nicht vollends für fehlenden Spielspaß. Begeistert haben vor allem die großen, frei begehbaren Level. Hier wird dem Spieler selbst überlassen, wie er sich durch die Areale mit hohem Aufgebot an Gegnern kämpft. Als erfahrene Skyrim-Meuchelmörderin habe ich hier ganz im Sinne der Manier “von hinten sticht die Biene” agiert. Jede dunkle Ecke und schmale Spalte wurde von mir ausgenutzt, um Laufwege der Feinde zu analysieren und gänzlich unbemerkt schnell eine Falle zu legen. Diese Fallen entstehen durch Manipulation von Alarmglocken oder Kronleuchter, die wir den Feinden so von oben auf die Zwölf fallen lassen können. Insgesamt gibt es zehn verschiedene Level inklusive Prolog. Diese bieten alle ein unterschiedliches Setting. Mal treibt man sich in der Diebesstadt Thoben rum, die auf Stelen in einem Sumpf gelegen ist, dann kriecht man durch Korrangar, die Stadt der Dunkelelfen oder turnt auf mehrgeschossigen Luftschiffen umher. Langeweile kommt hier erst mal nicht auf. Dies liegt vor allem an den nahezu grenzenlosen Möglichkeiten, wie man sich zum Ziel bzw. zu den Zielen durchschlägt – meist gibt es nämlich alternative Wege Level abzuschließen. Hier haben die Macher volle Punktzahl im Leveldesign abgesahnt und wahre Kletterspielplätze gebaut. So schwingt man sich mit Seilen über Abgründe, springt wie bei Assasins Creed von Dach zu Dach oder wirft sich unbemerkt ins Wachengetümmel, indem man sich in Vasen versteckt oder unbemerkt über Balken unter der Decke balanciert. Alle Level haben eine enorme räumliche Tiefe, daher volle Punktzahl für volle Wahlfreiheit!

Master of Desaster – vielfältige Fertigkeiten ohne überlebenswichtigen Nutzen

So vielfältig wie die Wege zum Ziel sind auch die Fähigkeiten, die man mit erspielten Erfahrungspunkten erlernen und verbessern kann. Insgesamt stehen einem fünf Fertigkeitskategorien zur Verfügung: Heimlichkeit, Töten, Alchemie, Klonen und Wahrnehmung. Allesamt helfen sie dabei unentdeckt zu bleiben oder sich lästiger Feinde auf unbemerkte Weise zu entledigen. Allerdings sind alle Fertigkeiten nicht zwangsläufig überlebenswichtig. Dennoch machen sie Spaß und bieten einem auch hier die Möglichkeit frei entscheiden zu können, wie man bestimmte Probleme löst oder Feinde aus dem Weg räumt. Aber auch die Grundskills von Styx sind nicht zu verkennen. Die Goldharzvision ist eine Art Röntgenblick, die mitunter Gegenstände und Feinde besser sichtbar und einem das Goblin-Leben um einiges einfacher macht. Ablenkungsmanöver durch das Werfen von Gegenständen sowie von Sand zum Löschen von Fackeln gehören ebenfalls zum Repertoire. Schlechte Karten hat man allerdings, wenn man dann doch mal zu übereifrig war und vom Feind entdeckt wird. Zwar ist Styx im Meucheln kein unbeschriebenes Blatt, der frontale Nahkampf ist jedoch meist nicht von langer Dauer und endet immer mit dem Tod und einer der nervigen Game Over-Sequenzen.

Der Weg ist das Ziel

Wie bereits erwähnt, ist die Story eher ein krampfhafter Versuch dem Schleichspaß einen Rahmen zu geben. Bei Styx: Shards of Darkness ist daher vor allem der Weg das Ziel. Die großangelegten, mehrebigen Areale mit mehreren Lösungsmöglichkeiten bieten einen hohen Wiederspielwert. Anstachelnd war aus meiner Sicht auch das Medaillensystem, welches in klassischer Manier mit Bronze-, Silber- und Goldauszeichnung daherkommt und dazu animiert, Level nochmal durchzuspielen, um eine bessere Wertung zu erhalten. So wird etwa die benötigte Zeit, die Anzahl der aus dem Weg geräumten Gegner, die ausgelösten Alarme und gesammelten Artefakte bewertet. Zudem wurde der Reihe mit Shards of Darkness nun auch ein Multiplayer gegönnt. Dieser ermöglicht es einen weiteren Spieler in sein Spiel einzuladen, um gemeinsam und schleichend durch die Level zu kriechen. Leider war es mir nicht möglich dies zu testen.

Fazit

Styx: Shards of Darkness ist sicherlich kein Meisterwerk, hat aber dennoch seine eigenen Raffinessen. Als Stealth-Game muss es sich in puncto Leveldesign und -tiefe vor den bekannteren Titeln wie Dishonored oder Thief sicherlich nicht verstecken. Gerade die verschachtelten Areale mit unzähligen Wegen zum Ziel machen den Reiz des Spiels aus. Fehlen tut es leider an einer Geschichte, die einen fesselt und die einzelnen Geschehnisse in einen konsistenten Handlungsstrang verpackt. Alles in allem wirkt das etwas komisch aneinander gereiht. Für mich in diesem Fall ein großes Manko. Die meisten Charaktere bleiben sehr blass, Ausnahme ist Styx selbst, der charakterlich arg überzeichnet, dafür aber gestalterisch mit viel Liebe zum Detail bedacht wurde. Grafisch hinkt das Spiel vielleicht etwas hinterher und ist nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand – spielt für mich jedoch eher eine untergeordnete Rolle. Bei der Gestaltung der Umgebung haben sich die Entwickler hingegen Mühe gegeben. Alles in allem ist Styx: Shards of Darkness ein solides Spiel mit einigen kleineren und größeren Macken. Wer auf Schleichspiele steht, Level gerne mehrfach durchspielt, um Trophäen und Erfolge zu sammeln und zugleich auf gutes Storytelling nicht so viel Wert legt, ist hier gut beraten mit Styx auf Diebes- und Meucheltour zu gehen.

Styx: Shards of Darkness
Grafik/Präsentation
75
Story/Atmosphäre
65
Gameplay
78
Spielspaß
74
Leserwertung0 Bewertungen
0
73