Street Fighter 30th Anniversary – Da kriegt Papa feuchte Augen

1987 tauchte ein Automat in den Spielhallen auf, der eine komplette Spieleserie begründen sollte: Street Fighter. Die mittlerweile legendäre Prügelspielreihe feiert demzufolge ihren 30. Geburtstag – gut, 2018 streng genommen das 31. Wiegenfest. Das hat Capcom zum Anlass genommen, um vorliegende Anniversary Collection zu komponieren – zwölf Street Fighter-Titel in einer Sammlung warten auf geschichtsbewusste Zocker.

Das dreckige Dutzend

Namentlich sind es folgende Titel, die hier versammelt wurden: Das Ur-Street Fighter, Street Fighter II plus dessen Champion Edition plus die Hyper Fighting-Fassung, Super Street Fighter II, Super Street Fighter II Turbo, Street Fighter Alpha 1-3, Street Fighter III plus die Ableger Second Impact und Third Strike. Damit ist der Zeitraum der Jahre 1987 bis 1999 komplett abgedeckt – vor dem Millennium, vor dem Euro, vor dem iPhone. Zahlreiche Konsolenfassungen der Titel hat es gegeben, Capcom hat aber bewusst als Grundlage die Königin jedes Titels ausgewählt, die Ur-Version – die Automatenfassungen auf Jamma-Platine. Die Rechenpower der aktuellen Konsolengeneration reicht aus, um die zwölf Kultautomaten 1:1 ohne Defizite auf die heimischen Bildschirme zu übersetzen.

Alles wie früher

Sämtliche Klassiker wurden in ihren Eigenschaften nicht verändert. Vielmehr hat Capcom erkennbar Wert darauf gelegt, die Titel behutsam in die aktuelle Konsolengeneration zu bringen. Da die Spiele alle im klassischen 4:3-Bildschirmformat programmiert wurden, wird der Spielescreen auf Wunsch von einem spielespezifischen Rahmen umgeben. Alternativ lässt sich das 4:3-Bild auch bildschirmfüllend in die Breite ziehen – eine Option, bei der Fans vor Schmerzen jaulen werden. Um den eigenen Erinnerungen maximal entgegenzukommen, besteht zudem die Möglichkeit, Filter übers Bild zu legen. „TV“ lässt das Spielgeschehen wie auf einem klassischen Röhrenfernseher aussehen, „Spielhalle“ eben wie auf dem Spielhallenautomaten und wer es ganz puristisch mag und Pixel zählen möchte, kann auch einfach alle Filter abstellen. Das Pausenmenü gibt bei jedem Titel die Gelegenheit zum Quicksave (!), Bearbeiten der Steuerung und zum Nachlesen der Spezialangriffe.

Nicht nur die Grafik ist übrigens original, auch die Synthiemusiken und Soundeffekte entsprechen den Automaten. Das erstreckt sich auch auf die Menümusiken. Eine wunderbare Wahl Capcoms, denn den wirklichen Kick bringen nur die originalen Klänge. Bereits die Street Fighter-Spiele 4 und 5 konnten zwar mit aufwendigen, zeitgemäßen Remixen aufwarten, wirklich überzeugend waren die aber allesamt nicht.

Durch die Entscheidung Capcoms, jeweils das Spielhallenoriginal zu adaptieren, ergeben sich dann auch sehr angenehme Nebeneffekte. Ein Beispiel ist Street Fighter Alpha 2, das 1996 auch für das Super Nintendo veröffentlicht wurde. Nintendos Konsole war zwar grundsätzlich in der Lage, das Spielgeschehen ruckelfrei darzustellen, ein Sympton dennoch vorhandener Überforderung waren aber die Ladezeiten zu Beginn des Kampfes. Ja, Ladezeiten – wenn zu Kampfbeginn der Befehl „Fight!“ eingeblendet wurde, war das Super Nintendo immer erst ein paar Sekunden mit dem Entpacken von Daten aus dem Modulspeicher beschäftigt. Die hier vorhandene Spielhallenfassung kennt solche Probleme freilich nicht, hier läuft alles in einem Rutsch und sieht dann gerade bei den Animationen noch ein bisschen geschmeidiger aus als ohnehin schon.

Street Fighter III konnte hingegen nur genießen, wer einen Sega Dreamcast im Zimmer stehen hatte. Das galt auch für die Fortsetzung Second Impact, nur hatte damals kaum jemand Segas 128-bit starkes System im Haushalt. Die Konsole war damals wenig verbreitet und hatte den Kampf gegen Sonys Playstation zügig verloren. Umso schöner, dass im Rahmen der Anniversary Collection nun auch diese Spiele nachgeholt werden können.

Free Play

Und wie spielt es sich? Wahlweise mit dem Steuerkreuz oder dem Analogstick, da darf der Spieler nach persönlichem Gusto entscheiden, dem einen ist die Befehlseingabe per Steuerkreuz zu fummelig, der andere kommt mit dem Analogstick nicht zurecht und hat damit immer mal Probleme, Spezialattacken richtig auszuführen. Doch egal für welche Variante man sich entscheidet: Die Spezialattacken gehen flüssig von der Hand, egal ob es sich um die einfache Variante aus den ersten Spielen der Reihe handelt oder die etwas komplexere Variante mit mehreren Viertelkreisbewegungen hintereinander. Die Spielgeschwindigkeiten sind original und funktionieren heute noch. Zwar fällt der erste Teil vom Gameplay her deutlich hinter die restliche Elf zurück und ist von allen auch am schlechtesten gealtert, doch allein aus videospielhistorischen Gründen spielt man ihn trotzdem gerne zwischendurch mal an.

Wie früher nach der Schule kann es problemlos mit einem Kumpel gemeinsam in Versus Mode zur Sache gehen. Neu ist ein flächendeckender Onlinemodus, der es erlaubt, spontan gegen Zocker aus aller Welt anzutreten. Insofern gehen da auch Kindheitsträume in Erfüllung: Offline gegen einen menschlichen Kontrahenten war und ist die Reihe ohnehin ein herrliches Vergnügen, der Onlinemodus ergänzt den Multiplayer um eine Varainte, die heutzutage zwar gängiger Standard ist, damals in den 1990ern aber undenkbar war. Im Vergleich zu Street Fighter 4 und 5, die online beide mit Problemen zu kämpfen hatten, ist hier allerdings alles in Butter.

Weniger ist mehr

Alles fügt sich also zu einem runden Gesamtbild zusammen. Es war gar nicht nötig, aus den zeitlosen Klassikern überarbeitete HD-Remakes zu basteln oder orchestrale Soundtracks nachträglich einzuspielen. Vielmehr ist Capcom den Weg gegangen, durch den konsequent beibehaltenen Stil der Originale Kindheitserinnerungen wieder aufleben zu lassen. Wie vor weiland 20 oder 25 Jahren lässt man die vertrauten pixeligen Sprites Feuerbälle spucken, Hadokens zaubern und psycho-crushert von Bildschirmrand zu Bildschirmrand. Die Auswahl der Spiele ermöglicht es uns, Titel zu zocken, die für den einen oder anderen damals gar nicht erreichbar waren. Dabei geht es noch nicht einmal um die Dreamcast-exklusiven Titel, denn mal ehrlich: Wer sich damals als Teenie für 150 Mark Street Fighter 2 Turbo auf dem Super Nintendo gegönnt hat, konnte der sich ein Jahr später von seinem Taschengeld wieder 150 Mark für Super Street Fighter 2 leisten? Wohl kaum. Auch dieser Aspekt macht aus der vorliegenden Zusammenstellung eine runde Sache.

Wer übrigens den Historiker in sich wecken will, hat in einem virtuellen Museum jede Menge Gelegenheit dazu. Es lassen sich die kompletten Soundtracks aller zwölf Titel anhören, zusätzlich gibt es zu jedem Spiel Hintergrundinformationen, Designzeichnungen und vieles mehr.

Fazit

Über die Spiele muss man nichts mehr sagen, die sind zum Großteil zeitlos und auch heute noch absolut spielenswert (Teil 1 geht da eher als Kuriosität mit durch). Die Art und Weise, in der Capcom hier ein Dutzend Prügelklassiker umgesetzt hat, ist durch sehr viel Behutsamkeit und Respekt vor dem Original geprägt. Wer in den 1990ern selbst an den Konsolen oder gar den Automaten gezockt hat, kann jetzt seinen eigenen Kindern zeigen, was Papa damals so am Joypad fesselte. Das originalgetreue Gameplay, die originalgetreue Grafik, der originalgetreue Sound – all das macht diese Compilation zu einem Kleinod, die in ihrer Summe aller Teile sogar Street Fighter 4 und 5 überflüssig macht. Denn alles, was den Street Fighter 2-Ablegern zur Perfektion noch fehlte, war ein Onlinemodus. Und den legt Capcom jetzt nach. Wer also früher schon gerne mit Ryu, Ken oder Dhalsim gekämpft hat, muss sich diese Collection holen – alle anderen müssen ohnehin zugreifen, um eines der wichtigsten Kapitel der Computerspielhistorie selbst erleben zu können.

Street Fighter 30th Anniversary
Grafik/Präsentation
76
Story/Atmosphäre
70
Gameplay
82
Multiplayer
85
Spielspaß
88
Leserwertung0 Bewertungen
0
80