Star Wars Squadrons im Test: Ein Nerd steigt in den Sternenjäger

Mit Star Wars Squadrons hat das EA zugehörige Entwicklerstudio EA Motive deutlich mehr abgeliefert, wie von mir nach dem Reveal befürchtet, nur einen Teil des Mehrspielerparts von Star Wars Battlefront II als Standalone Spiel auszukoppeln. Denn im Test zeigt sich Star Wars Squadrons als vollwertiges Spiel, dass überraschenderweise auch mit seiner Story-Kampagne überzeugt.

It’s a trap!

Das war meine Reaktion nach der Ankündigung des Spiels. Denn obwohl ich mir seit über zwei Dekaden sehnlichst eine Rückkehr zu alten Star Wars Gaming Tugenden, wie Tie Fighter, X-Wing und X-Wing Alliance, gewünscht habe, konnte ich daran nicht glauben. Ich war nach dem Reveal von Star Wars Squadrons fest davon überzeugt, dass wir nur eine leidenschaftslose Auskopplung des Flugmodus aus Star Wars Battlefront II bekommen. Immerhin ist dieses Genre, mal abseits von Elite Dangerous und Star Citizen, tot. Oder erinnert sich noch jemand außer mir voller Freude an Darkstar One? Da Everspace eher roguelike als Weltraumsimulation mit Storyfokus ist, lasse ich das mal bewusst außen vor.

Oh, was habe ich mich in Star Wars Squadrons getäuscht! Zwar merkt man dem Spiel an vielen Ecken an, dass es kein AAA-Titel ist und so ein bisschen mit angezogener Handbremse entwickelt wurde und doch ist es ein tolles Weltraumflugspiel und ein fantastisches Star Wars Spiel. Interessanterweise fügt sich das Spiel mit ca. 40 €, trotz starker Lizenz, auch eher in der Riege der Budget-Titel ein.

Dabei überzeugt es von Anfang an mit der Story-Kampagne für Einzelspieler. Hier wird eine spannende und durchaus wendungsreiche Geschichte erzählt, die auf vielen Ebenen verschiedene Facetten von Rache zum Thema macht. Schöne aber leider viel zu kurze Zwischensequenzen, animierte und vollvertonte Einsatzbesprechungen und Gespräche mit unseren Flügelmännern und Frauen tragen zur dichten Atmosphäre bei. Schade nur, dass der eigene Charakter, trotz Editor zu Beginn des Spiels, viel zu blass bleibt und man in den Dialogen nur Zuhörer der Monologe des Gegenübers ist, ohne selbst Antworten geben zu können. Die Möglichkeit sich im Hangar der Rebellen und des Imperiums umschauen zu können, Droiden anzustupsen und das eigene Schiff aus verschiedenen Perspektiven zu sehen, während ein emsiges Treiben im Hangar herrscht, gefällt.

Andererseits ist dies sicherlich auch dem kontinuierlichen Perspektivenwechsel zwischen der Seite der Rebellen und dem Imperium geschuldet. Denn in den insgesamt 14 Missionen der Kampagne steigen wir für beide Seiten des Krieges in das Cockpit. Übrigens setzt das Spiel auf die reine Cockpitansicht. Eine andere Kamera gibt es nicht! Dabei spielt die Geschichte nach dem Tod des Imperators und Darth Vader und zeigt ein führungsloses und umso gefährlicheres Imperium. Dabei wird aber auch klar, dass die Galaxie noch weit von einem Happy End entfernt ist und beschäftigt, je nach Schwierigkeit und persönlichen Pilotenfähigkeiten, zwischen 6 und 8 Stunden. Mission für Mission werden hier geschickt zusätzliche Funktionen der Steuerung freigeschaltet und vermittelt, ohne dabei das Gefühl zu erzeugen, man würde nur ein gestrecktes Tutorial spielen. Die vollwertige Einzelspielererfahrung wird dadurch sogar aufgewertet. Denn Star Wars Squadrons folgt dem Prinzip „easy to learn, hard to master”.

Lord Schmelzhelm weiß wie es läuft!

Auf Seiten des Imperiums trägt einer unserer Flügelmänner einen leicht angeschmolzenen Helm. Im Gespräch wird klar: er wurde bereits mehrfach von den Rebellen abgeschossen und dabei jedes Mal stark verletzt und wird nur noch durch Kybernetik am Leben gehalten. Autsch! Damit es uns nicht einmal so ergeht wie ihm, gilt es sowohl die Steuerung als auch die vier Sternenjäger pro Fraktion zu beherrschen, sowie den Einsatz von Gadgets und der Energieverteilung. Tie Fighter, Bomber und Abfangjäger lassen dabei auf Seiten des Imperiums die Schilde vermissen, womit dafür der Reaper, eher Support als Kampfschiff, aufwarten kann.

Die manuelle Verteilung der Energie zwischen Waffen, Antrieb und Schilden wird vor allem auf den höheren Schwierigkeitsgraden als auch im Mehrspielermodus schnell zu einer entscheidenden taktischen Komponente. Mit dem X-Wing auf direktem Anflug auf einen feindlichen Sternenzerstörer? Wie wäre es damit, die Energie auf die Waffen zu lenken und gleichzeigt die Energie des Schildes am Heck auf den Bug zu verteilen? Nach dem Anflug wird die Energie per Druck einer Taste wieder ausgeglichen verteilt, damit auch das Abdrehen mit dem Sternenzerstörer im Rücken unsere R2 Einheit nicht die Schaltkreise kostet. Oder uns den Kopf. Herrlich! Wie in den alten Tagen von X-Wing, Tie Fighter und Co.

Überhaupt scheinen bei EA Motive Fans der alten Spiele zu arbeiten, denn es gibt zahlreiche Einstellungen für das Spielerlebnis. Ihr wollte keine, die Immersion störenden, gametypischen, Anzeigen? Kein Problem! Ihr könnt das HUD komplett ausschalten und nur über die Instrumente eures detaillierten Cockpits fliegen. So und dann am besten noch in VR auf PS4 und am PC, macht das Spiel dann sogar noch am meisten Spaß. Tatsächlich ist man hier sogar im Vorteil gegenüber 2D-Piloten, da man sich durch das freie Umsehen im Cockpit leichter orientieren und Feinden folgen kann. Alles im Cockpit fühlt sich hier zum Greifen nahe an. Andererseits ist es doch ganz schön beengt in so einem Tie Fighter.

Denn Grafik und vor allem Sound sind durch die Bank weg überragend und fangen die Flugatmosphäre perfekt ein und laufen auf der Xbox One X butterweich. Dabei ist das Spiel durch die zahlreichen Funktionen der Sternenjäger, der konfigurierbaren Ausrüstung (Loadout), Energieverteilung und Fluggefühl näher an einer Simulation als an einem Arcadetitel. Wobei das auch erst auf den höheren Schwierigkeitsgraden spürbar wird oder auf dem mittleren ab ca. der Hälfte der Missionen. Dank fairer Kontrollpunkte und der Möglichkeit den Schwierigkeitsgrad auch innerhalb einer Mission zu reduzieren und nicht die gesamte Mission wiederholen zu müssen, sondern nur ab dem letzten Kontrollpunkt neu zu starten, lädt das Spiel zum Experimentieren mit den verschiedenen Schwierigkeitsgraden ein.

Was kommt nach der Kampagne?

Nach der Kampagne können die Missionen per Direktauswahl noch einmal angegangen werden. Nicht alle Medaillen beim ersten Versuch freigeschaltet? Auf der Jagd nach weiteren Erfolgen? Zeit für höhere Schwierigkeitsgrade?

Alternativ wartet da noch der Mehrspielermodus. In diesem gibt es die Möglichkeit im Koop gegen die KI anzutreten, im Übungsmodus verschiedenste KI-Feinde zu besiegen um die eigenen Fähigkeiten zu vertiefen oder sich online mit anderen menschlichen Piloten zu messen. Leider gibt es nur zwei Spielmodi. Entweder geht es in eine Art Team-Deathmatch darum, welche Fraktion zuerst 30 Abschüsse erzielt hat bevor die Zeit abgelaufen ist. Oder es geht in den Flottenkampf, der auch im Koop gegen die KI gespielt werden kann. Dabei tritt eine Flotte der Rebellen gegen eine Flotte des Imperiums an und es gilt, verschiedene Ziele zu erledigen und damit auch den Spawn-Punkt auf der Karte zu verschieben. So geht es dann auch schnell in den Kampf gegen Großkampfschiffe und Sternenzerstörer. Das machte mir persönlich am meisten Spaß.

Dazu macht es Sinn die verschiedenen Sternenjäger auch als Klasse zu verstehen und die Stärken der jeweiligen Klasse zu beherrschen. Wer als Reaper auf Seite des Imperiums einen Tie Fighter kurzerhand mit einem Schild ausstattet, hilft dem eigenen Team sicherlich ungemein. Im Mehrspielerpart gibt es durch Stufenaufstiege für Siege und Abschüsse diverse kosmetische Gegenstände freizuschalten und es gibt auch ein skillbasiertes Matchmaking. Übrigens unterstützt Star Wars Squadrons optional Crossplay zwischen allen PC- und Konsolenspielern. Es kann also gut sein, dass ihr an eurer Xbox One auch gegen VR-Piloten auf PS4 oder PC antretet.

EA hat bislang keine Pläne, dass Spiel durch kostenlose oder kostenpflichtige DLCs, wie z. B. neue Story-Missionen oder Mehrspielermodi oder Karten zu erweitern. Immerhin ist das Spiel auch frei von Mikrotranskationen erschienen.

Fazit

Star Wars Fan und VR-Besitzer? Dann nicht lange hier den Test lesen, sondern sofort kaufen! Denn für diese Menschen, wie mich, ist das Spiel tatsächlich eine Offenbarung und erfüllt endlich das, was die VR Mission für Battlefront I seinerzeit versprochen hat. Andererseits gilt das wohl auch eher für Einzelspielerfans. Denn der Mehrspielermodus ist kurzweilig aber mit zwei Spielmodi und nur sechs Karten nicht sehr umfangreich und wird vermutlich nicht lange motivieren, wenn nicht, entgegen aktueller Pläne von EA, dann doch mal neue Modi und Maps nachgereicht werden. In Sachen Inszenierung wäre zwar mehr drin gewesen, aber für einen Budget-Titel macht das Spiel dennoch vieles richtig. Optisch überzeugend, in VR grandios und auch sonst mit einer tollen Soundabmischung aufwartend, zieht Star Wars Squadrons alte und junge Piloten schnell ins Vakuum des Alls. Dabei hätten die Missionen gerne noch abwechslungsreicher sein dürfen und viele bekannte Schiffe aus dem Star Wars Universum kommen leider gar nicht vor. Vier Schiffe pro Fraktion sind dann doch etwas wenig. Und warum kann ich die Kampagne nicht im Koop spielen? Gerade hier verschenkt Squadrons echt Potential. Was bleibt, ist ein richtig gutes Star Wars Spiel, eine gute Weltraumsimulation und ein Mehrspielermodus, über den in 3 Monaten vermutlich niemand mehr sprechen wird.

Star Wars Squadrons
Präsentation (Grafik, Sound)
88
Story, Atmosphäre
84
Gameplay
83
Multiplayer
81
Spielspaß
85
Leserwertung2 Bewertungen
96
spannende Kampagne
Star Wars!
auf Wunsch hoher Anspruch
fliegen ohne HUD, nur mit Cockpitanzeigen möglich
gute Grafik, toller Sound
nur 2 Modi im Mehrspieler
kein Koop für die Kampagne
keine interaktiven Dialoge
geringe Auswahl an Schiffen
84