Spider-Man im Test – Ein Nerd spinnt jetzt total

Spider-Man – die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft ist wohl so ziemlich mein erster Kontakt mit klassischen Superhelden in Videospielen. Mit der Game Boy-Version aus dem Jahr 1990 versüßte ich mir damals zudem zahlreiche Stunden bei diversen Familienfeiern –und Besuchen bei Oma und Opa. Wie oft ich das berühmte Hochhaus des zweiten Levels raufgeklettert bin, kann ich kaum mehr zählen. Was mir jedoch in Erinnerung bleibt: Durchgespielt habe ich „The Amazing Spider-Man“ nie. Nun, 28 Jahre später übernehme ich wieder die Kontrolle über Peter Parker, verdresche Bösewichte und erklimme Gebäude. Dieses Mal jedoch ganz anders. Auch wenn man die Technik von damals natürlich nicht mit der heutigen vergleichen kann, so wusste ich schon mit meinen acht Jahren, dass sich die Steuerung von Spidey auf dem Game Boy irgendwie „falsch“ anfühlt. Achtung Spoiler: Heute auf der PlayStation 4 fühlt sich die Steuerung schon mal erheblich besser an. Was wir mit Peter in New York noch so erlebt haben, erfahrt ihr in unserem ausführlichen Gamingnerd-Reiseführer.

Die Dämonen sind los

Der Beginn des Spiels könnte fast so etwas wie das Ende eines nicht existenten Vorgängers darstellen. Der korrupte Bauriese Fisk zieht mit seinen dicken und schmutzigen Fingern allerlei Fäden in der Stadt, sorgt aber auf eine skurrile Art und Weise somit für ein verbrecherisches Gleichgewicht. Bedauerlicherweise konnte die hiesige Polizei unter der Ermittlerin „Yuri“ dem guten Fisk noch nichts Handfestes anhängen. Zum Start des Spiels ändert sich dieser Sachverhalt jedoch und wir schwingen uns zum Ort wo die Verhaftung stattfinden soll. Die Ergreifung Fisks dient also als Tutorial des Spiels und wir lernen die feine Steuerung des Spinnenmenschen in ihren grundlegenden Facetten in Bezug auf den Kampf und das Movement. So prügeln wir uns mit einem herrlichen Flow durch etliche Schläger des Schurken immer weiter nach oben des Hochhauses. Die Wegfindung gelingt durch die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten des Spinnennetzes erstaunlich gut. Mit diesem lassen sich Trümmer aus dem Weg räumen, Lüftungsschächte verkleben und fallende Passanten auffangen. Durch die erfolgreiche Festnahme des Muskelprotzes Fisk bekommt es die fiktive Version von New York jedoch mit einer neuen und sehr radikalen Verbrecherbande zu tun. Die selbst ernannten „Dämonen“ sind offenkundig asiatischer Herkunft und tragen sogenannte „Oni-Masken“, die bösartige chinesische bzw. japanische Fabelwesen darstellen.

Die (un)freundliche Spinne aus der Nachbarschaft

Unfreundlich reagiert Spidey zumindest auf Menschen, die es mit dem Gesetz nicht allzu genau nehmen. In den ersten Trailern konnte man es zwar schon ahnen, beim Spielen wurde es sehr schnell klar. Das Kampfsystem erinnert frappierend an den dunklen Ritter aus Gotham City und sein Freeflow Gekloppe aus dem Jahr 2009. Im Grunde genommen ist es fast gänzlich inkl. der Tastenbelegung übernommen worden. Für mich als großer Fan des Systems ist dieser Umstand trotz Innovationsarmut dennoch positiv. So findet man sich als Kenner sofort heimisch und schickt die Kriminelle Bande zu Dutzend gekonnt und geschmeidig auf die Bretter. Bevor die Konfrontationen losgehen, schaltet ihr Feinde per Stealth-Takedown von oben aus, verkettet spielend einfach Kombos (in der Luft, wie auf dem Boden) oder kontert gegnerische Angriffe per Tastendruck im richtigen Moment, welcher euch durch ein Warnsignal über dem Kopf angezeigt wird. Das Ganze wird äußerst spektakulär animiert präsentiert und verlangt von euch im Gegenzug nur wenige Tasteneingaben.

Auch Spinnen haben Spielzeuge

Spider-Man hat natürlich nicht sämtliche Moves von Bats übernommen und setzt im Kampf auch stark auf seine Netze. Generell passt der Stil mit dem flinken und agilen Gehopse ehrlicherweise rein optisch auch besser zur roten Spinne. Ganz ohne Technik kommt Peter Parker jedoch auch nicht aus. So bekommt ihr im Laufe des Spiels weitere nette Technik-Upgrades der Marke „Stark“. Elektro-Netze, Shotgun-ähnliche Fangnetze, die Schläger direkt an die Wand kleben sowie minenartige Netzfallen unterstützen euch hilfreich im Kampf. Negativ fallen teilweise die Boss-Kämpfe auf, die häufig einen Versuch benötigen, um das spezielle Muster der Angriffe oder Schwachpunkte des Gegenübers zu erkennen. Auch die häufigen Quick-Time-Events während vielen selbstlaufenden Story-Sequenzen werden nicht jedem passen, da auch hier manche Eingabeaufforderungen etwas unklar sein können. Für das Absolvieren der Haupt -und Nebenmissionen gibt es obendrein jeweils Erfahrungspunkte, die euch im Level steigen lassen. Denn auch Spider-Man will auf moderne Gaming-Trends nicht verzichten und verfügt selbstredend über drei unterschiedliche Fertigkeitenbäume. Hier verbessert ihr eure Netz-Fähigkeiten im Kampf, eure Defensive oder die reine Bewegung außerhalb der Kämpfe.

Der Big Apple ist echt groß

Die Jungs und Mädels von Insomniac Games haben sich vor allem bei den Sandbox-Elementen nicht Lumpen lassen, aber auch hier wieder eher auf bewährte Klischees des Genres (Ubisoft-Formel) zurückgegriffen. Neben den vielen verschiedenen Sammelobjekten gibt es zahlreiche andere Mittel sich seine Zeit im Big Apple zu vertreiben. So sorgen wir mit einem Forschungsprogramm für sauberere Luft, sammeln alte Rücksäcke von Peter, verdienen uns Polizeimarken bei der Verhinderung von Verbrechen oder knipsen einfach auch nur Fotos von Sehenswürdigkeiten. Bei vielen Spielen macht man solche Nebenaufgaben eher aus der Motivation heraus eine Trophäe oder einen Erfolg freizuspielen, bei Spider-Man hat man jedoch von der Sammelei auch spielerisch etwas. So bekommt ihr für die verschiedenen Aktivitäten verschiedene Marken die ihr für die zahlreichen Upgrades ausgeben könnt. Spider-Man verfügt wie bereits anfangs erwähnt über diverse technische Hilfsmittel und neuerdings auch über unterschiedliche Anzüge. Peter Parker ist jedoch mitnichten einfach nur ein Fashion-Victim, sondern die Anzüge verfügen alle über verschiedene Extra-Fertigkeiten. Ein Anzug verbessert eure Tarnung und Stealth-Fertigkeiten, während ein anderer beispielsweise kurzzeitig sämtlichen Schussschaden absorbiert. Letztlich könnt ihr jedoch die Fertigkeiten eurer bereits erworbenen Anzüge auch in jeden anderen Anzug implementieren und habt so die Möglichkeit euch das passende Kleidungsstück für euren Spielstil zu suchen.

Moderne Open World trifft traditionellen Comic-Helden

So ist New York also vollgestopft mit Leben und Aufgaben und kommt in der Regel auch sehr authentisch daher. Fußgänger und Polizisten reagieren ständig auf euch, wenn ihr mal auf der Straße landet und sie euch zu Gesicht bekommen. Ihr seid schließlich Spider-Man und die Leute kennen euch. In der Regel schwingt ihr aber meterhoch und recht flott durch die Stadt, so das euch Passanten kaum wahrnehmen. Durch die vielen verschiedenen Nebenaufgaben stellt sich auch sehr bald die typische Open-World-Krankheit ein. Man will eigentlich nur schnell zur nächsten Mission schwingen, nimmt dabei jedoch doch noch dieses und jenes Sammelobjekt mit oder hangelt sich noch zum nächsten dynamischen Verbrecher-Schauplatz, um die Marke und die EP einzusacken. Durch die tolle und intuitive Steuerung “fliegt” ihr quasi zwischen den Häuserschluchten hindurch und zumindest ich habe weitestgehend auf die Schnellreise verzichtet. Irgendwann wiederholen sich die Szenarien jedoch recht oft und die Überfälle oder Autounfälle sind meist die gleichen. Unterm Strich gibt es aber genügend Abwechslung, wobei mir persönlich Gotham durch die fantastischen Riddler-Rätsel etwas mehr Freude bereitet hat.

Technik aus dem Hause Tony Stark

Optisch verlangt Spidey der PlayStation 4 schon einiges ab. Gerade die Belichtung ist hervorragend und die Stadt strahlt bei Tage in den tollsten Farben, während sie Nachts gekonnt durch Licht und Neonröhren zum Leben erweckt wird. Neben der Optik sind es vor allem die Animationen, die dem Spiel eine ganz persönliche und natürliche Note verpassen, da hier alles wunderbar flüssig und geschmeidig aussieht. Neben der also famosen Optik, wird die Geschichte von zahlreichen Story-Sequenzen voran getrieben, die mit zum modernsten gehören, was man aktuell so in der Welt der Videospiele begutachten kann. Garniert wird der Gesamteindruck durch tolle Synchronsprecher und einen klasse Soundtrack. Insomniac Games hat also trotz weniger eigener Ideen wieder einmal ordentlich abgeliefert. Spider-Man kraxelt mit Bravur in die Top-Liga der Super-Helden-Games. Für die gänzliche Spitze reicht es jedoch nicht, da sich Peter Parker dem berühmten Milliardär aus Gotham City in Punkto Abwechslung geschlagen geben muss.

Fazit

Spider-Man ist der nächste starke exklusive Grund für den Besitz einer PlayStation 4. Zwar hat sich Insomniac Games fast alle Spiel-Elemente -und Ideen aus diversen anderen Titeln zusammengeklaut – Der Qualität des Spiels schadet das jedoch nicht. Selten war die Fortbewegung durch eine derart riesige Stadt komfortabler und intuitiver gelöst als bei Spidey. Die Kämpfe sind zwar von Bats kopiert, gehen aber super flott und spaßig von der Hand. Für die rund 60 Euro bekommt ihr neben der guten (aber vorhersehbaren) ca. 20 stündigen Geschichte zudem etliche Nebenaufgaben -und Missionen, die euch sicher noch einmal so lange ans Pad fesseln werden. Spider-Man zeigt somit auf eine gute Weise, dass es nicht immer die so häufig geforderte Innovation braucht, um ein tolles Spiel zu sein. Wer also nicht an akuter Superhelden -oder Sandbox-Allergie leidet, macht mit Spider-Man im Laufwerk nur wenig falsch.

 

Spider-Man
Grafik/Präsentation
91
Story/Atmosphäre
80
Gameplay
85
Spielspaß
88
Leserwertung5 Bewertungen
96
Flottes Kampfsystem
Herrliche Lichteffekte
Großes New York mit vielen Aufgaben
Optisch sehr schick
Story vorhersehbar
Wenig neue und eigene Ideen
86