South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe im Test – Ein Nerd wird zum Superhelden

Vor ziemlich genau 18 Jahren erreichte uns in Deutschland mit zweijähriger Verspätung ein weiteres Zeichentrick-Phänomen aus den USA. Der Fernsehsender, der 2017 für die Suche nach dem Supertalent, der Nackt-Fremdschämerei Adam sucht Eva oder der Landwirt-Peinlichkeit Bauer sucht Frau verantwortlich ist, sicherte sich 1999 die Rechte an der amerikanischen Erfolgsserie South Park. Gänzlich unbekannt war mir die animierte Sozialkritik damals, dank ausgeprägtem Comic-Knowhow, nicht. Eine derart politisch unkorrekte und überzogene Serie kannte man damals jedoch nicht. South Park brach so ziemlich jedes Tabu. Mittlerweile geht die Serie in die 21. Staffel und die Freunde Eric, Stan, Kyle und Kenny haben längst Kultstatus. 2014 gelang dem amerikanischen Entwicklerstudio Obsidian Entertainment mit dem Vorgänger des Rollenspiels, South Park: Der Stab der Wahrheit, aufgrund des eher ungewöhnlichen Genres, ein echter Überraschungserfolg. Drei Jahre und ein paar Verschiebungen später bringt Ubisoft San Francisco nun den Nachfolger heraus, den wir für euch auf Fürze und Dildos getestet haben.

Du bist der Neue in der Stadt

Wie bereits im Vorgänger schlüpft ihr auch in South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe in die Rolle des neuen Jungen (oder Mädchen) in der fiktiven US-Kleinstadt South Park. Gleich zu Beginn erstellt ihr also euren Charakter und habt dabei die Wahl aus einigen lustigen optischen Anpassungen. Typisch South Park ist dann wohl auch die Tatsache, dass sich der Schwierigkeitsgrad des Spiels an der Hautfarbe eurer Figur orientiert. Die Reise um die rektakuläre Zerreißprobe startet, wie die meisten Spiele heutzutage, mit dem Intro. In einer epischen Mittelalter-Straßenschlacht dreht ihr als König das verloren geglaubte Scharmützel doch noch zu euren Gunsten und erweckt dadurch das Interesse eines gewissen Eric Cartman. Dieser erkennt sofort euer grenzenloses Potential, sowie eure harte Rechte und beordert euch am nächsten Morgen in das Hauptquartier der Superhelden-Vereinigung Coons. Ließen sich die Macher im ersten Teil noch primär durch klassisches Mittelalter-Setting bzw. LARP inspirieren, schlüpft die Jugend aus South Park 2017 lieber in angesagte Superheldenkostüme. Bis ihr jedoch als Sidekick oder gar echter Superheld von euren neuen Kumpels anerkannt werdet, müsst ihr erst einmal viele kleinere Aufgaben erledigen. So steigt ihr stetig in der Gunst der Coons und erlebt ein verrücktes Abenteuer mit euren neuen Freunden.

Strategie trifft Rollenspiel

Anders als man jetzt vielleicht vermuten würde, kommt es bereits im ersten Kampf. Hier kloppt ihr nicht in Echtzeit und actionorientiert auf eure Schulkameraden ein, sondern recht gemächlich und strikt nach der Reihe. Auch South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe ist wieder ein waschechtes rundenbasiertes Rollenspiel, wo Taktik und Cleverness die ausschlaggebenden Punkte für den Erfolg darstellen. Die Kämpfe sind dabei in klassischen Zügen aufgeteilt, wobei jede Figur nach der Reihe ihre Aktion wählen darf. Gekämpft wird auf einem Spielfeld, welches zudem in eckige Aktionsfelder unterteilt ist. Seid ihr an der Reihe, habt ihr die Möglichkeit eure Figur ein paar Felder weit frei zu bewegen und anschließend eine Kampfhandlung zu aktivieren. Die optimale Positionierung eurer Figur und deren Aktionen basiert auf der entsprechenden Charakterklasse. Nahkämpfer werfen sich also am besten unvermittelt ins Getümmel, während Fernkämpfer logischerweise eher aus dem Hintergrund agieren. Durch die Limitierung auf lediglich drei Fertigkeiten ist das Spiel taktisch eher Rollenspiel-Light und der Anspruch geht für mich etwas verloren.

Später im Spiel gesellen sich neben verwendbaren Items noch mächtige Beschwörungen, Super-Moves und Glitch-Fürze zur Kampfauswahl. Die Super-Moves könnt ihr aktivieren, nachdem ihr eine bestimmte Menge Schaden genommen habt. Ähnlich wie in manchen Spielen handelt es sich also um eine Art Revenge-Anzeige. Für jeden erlittenen Schaden an euren Figuren, füllt sich also diese Anzeige, drückt ihr darüber hinaus noch im richtigen Moment die A-Taste, erhaltet ihr Bonus-Wut. Dies gilt im Übrigen auch für sämtliche eurer Angriffe. Während die Animationen blinken, ähnlich wie in einem Quick-Time-Event, Symbole auf, die ihr in unterschiedlichem Rhythmus betätigen müsst. Trefft ihr diese, erhöht sich euer Schaden. Ungewöhnlich hoch ist die Anzahl an Statuseffekten im Spiel. Durch bestimmte Attacken nehmen eure Gegner praktischerweise permanent Schaden, wobei das Spiel euch hier die Abwechslung eher vorgaukelt. Ob ihr einen Gegner nun mit Klauen zum Bluten oder mit gewaltigen Fürzen zum Ekeln bringt, macht im Ergebnis keinen nennenswerten Unterschied. Ein bisschen taktische Finesse kommt zudem mit der korrekten Gegner-Platzierung ins Spiel. Manche Angriffe vertauschen Gegner und Freund oder werfen Feinde zurück und verursachen somit Rückstoß-Schaden.

Wer wollt ihr sein?

Bei der Wahl des Charakters und damit auch seiner Eigenschaften lässt euch Ubisoft zumindest ein wenig die freie Wahl. Recht früh im Spiel habt ihr die Gelegenheit euch für eine Charakterklasse zu entscheiden. Im späteren Spielverlauf kommen, je nach Level, weitere Klassen dazu. Entscheidet ihr euch also zu Beginn beispielsweise für den Brutalist, könnt ihr mit Erreichen der Stufe 3 eine weitere aus insgesamt 12 Klassen wie z. B. den Cyborg, Assassine oder Karate Kid aussuchen. So habt ihr die Gelegenheit, euren Coon-Helden auch eurem Spielstil anzupassen. Im Vergleich zu richtigen Rollenspielen, gerade aus dem japanischen Bereich, sind diese Charakteranpassungen jedoch ziemlich simpel und stark vereinfacht, da jede Klasse weiterhin nur über drei Fertigkeiten verfügt. Zumindest könnt ihr die Klassen mischen und somit Hybriden erschaffen, die für die meisten Situationen eine passende Antwort in petto haben. Die Anzahl an Statuswerten, wie Lebenspunkten oder Chancen auf kritische Treffer, richten sich nach euren ausgewählten Artefakten, deren freie Slots sich nach eurem Gesamtlevel richtet. Ins Crafting-Menü gelangt ihr bequem und modern über euer Smartphone. Gefundene Gegenstände lassen sich im Spiel zu neuen Kostümen, Verbrauchsgegenständen oder eben Artefakten bauen. Während Kostüme lediglich einen kosmetischen Nutzen haben, könnt ihr zumindest aus dem Rest also brauchbare Dinge herstellen.

Star des Spiels

Der Stärken des Spiels liegen meiner Meinung nach also nicht unbedingt im reinen Gameplay. Das Kampfsystem als solches ist für ein Rollenspiel/Strategie-Mix stark vereinfacht und simpel gehalten, was ausgefeilte Taktiken oder das Studieren von Charakterwerten fast schon unwichtig erscheinen lässt. Dafür punktet der Titel mit dem serientypischen Humor und der damit verbundenen Präsentation. Allein die Gegnerauswahl würde wohl einen eigenen Award rechtfertigen. Hier wird vor keinem Tabu Halt gemacht. Katholische Priester bewerfen euch im dunklen Kirchen-SM-Studio-Keller mit Dildos und Liebeskugeln, während heruntergekommene Stripperinnen euch mit Geschlechtskrankheiten und anderem Ekelzeug an die Gurgel wollen. Neben diesen zahlreichen lustigen Begegnungen ist es einfach das alberne Setting, welches euch regelmäßig zum Schmunzeln bringen wird. Seien es saudumme Spezialaufträge von Cartman, eurer eigenen geheimen Hintergrundgeschichte oder der Erklärung einer jeden Schwäche eines Superhelden, alles ist typisch South Park: Albern, politisch höchst unkorrekt und meistens zwei Schippen „drüber“.

Sammeln und ein Häufchen machen

So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass der große Klogang einer der Sammelaufgaben im Spiel ist. Per Minispiel gilt es beispielsweise jede Kloschüssel der Stadt zu meistern und seinen eigenen Mr. Hanky dort besonders spektakulär zu versenken. Der sonstige Spielverlauf ähnelt noch am ehesten einem klassischen Point and Click Adventure. In bestimmten Arealen müsst ihr also kleinere Rätsel mit Hilfe eures Superhelden-Sinnes lösen, die sich in ihrer Komplexität jedoch auch stark in Grenzen halten. Durch die enge Zusammenarbeit mit den South Park Digital Studios und der aktuellen Hardware-Power wirkt das Spiel im Grunde fast wie eine Episode des TV-Originals, in der sämtliche Haupt- wie Nebenfiguren zu finden sind. Selbstverständlich wurden für South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe alle deutschen Originalsprecher verpflichtet, was die Immersion quasi perfekt macht.

Fazit

South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe richtet sich in erster Linie ganz klar an Fans der TV-Serie. Diese Tatsache ist natürlich Vor -und Nachteil zugleich. Leute, die mit South Park im Allgemeinen nicht viel anfangen können, werden nicht sonderlich viel Lob bzgl. des Gameplays übrig haben. Zu simpel und vorgefertigt wirken die Mechaniken des Kampf -und Levelsystems, was dem geneigten Rollenspieler sicherlich schwer im Magen liegen würde. Gerade im Kampf habt ihr mit nur jeweils drei Fertigkeiten recht wenig Möglichkeiten euch eine besondere Taktik zurecht zu legen, weshalb sich recht schnell Routine in den Kämpfen einstellt. Fans der Serie können mit Sicherheit noch einige Wertungspunkte dazu addieren, da die Umsetzung einfach furchtbar authentisch gelungen ist und es sich toll anfühlt selber am Abenteuer teilzunehmen. Hier muss also jeder Nerd nun etwas abwägen und selber einschätzen, wie wichtig ihm der Faktor South Park ist und wie sehr er dafür Einbußen beim Gameplay in Kauf nimmt.

South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe
Grafik/Präsentation
83
Story/Atmosphäre
82
Gameplay
75
Spielspaß
78
Leserwertung3 Bewertungen
98
80