14Vor zwei Jahren konnten Besucher bereits einen ersten Blick auf den dritten Ableger der Sniper: Ghost Warrior-Reihe von CI Games werfen. Der Titel blieb durchaus positiv in Erinnerung und es schien so, als würde man vieles besser im Vergleich zum Vorgänger machen. Was CI Games in den letzten beiden Jahren noch aus dem Spiel herausgekitzelt hat und ob Sniper: Ghost Warrior 3 im Gesamten überzeugen kann, erzähle ich im Test.
Eine Geschichte zwischen zwei Brüdern
In Sniper: Ghost Warrior 3 gehen wir als Jonathan „Jon“ North, einem ausgebildeten Special Forces Soldat, gemeinsam auf die Suche nach unserem Kameraden und Bruder Robert North, welcher nach einer gemeinsamen Infiltrierungsmission verschleppt wurde. Ganze zwei Jahre nach dem Verschwinden nimmt Jon den Auftrag an, die Separatisten in Georgien zu demontieren, in der insgeheimen Hoffnung, dass Robert sich nach zwei Jahren Abstinenz vielleicht auch in der Gegend herumtreibt. Während des Spiels werden immer mal wieder kleinere Zwischensequenzen eingeblendet, die die Bindung der beiden North Brüder erklären soll. Unter der Führung von JSOC Koordinator Frank Simms wird Jon von Mission zu Mission gehetzt. Dabei arbeiten wir Vorort mit den Rebellen zusammen, zusätzlich gibt es aber auch noch zusätzliche Frauenpower mit Lydia, einer ehemaligen Elite-Scharfschützin und der Mossad-Agentin Raquel. Schnell stellt sich heraus, dass die Separatisten nicht alleine am Werk sind, irgendeine Organisation scheint die Finger mit im Spiel zuhaben und ein Hightech-Scharfschütze hat keinen unerheblichen Einfluss. Zu den Charakteren bauen wir während des Spiels aber eher wenig bis gar keine Beziehung auf, da sie sich schnell als Abziehbilder der typischen Helden/Antagonisten entpuppen. Insgesamt baut die Story aber wenig Spannung auf, der ein oder andere Kniff ist dabei, dennoch ist es aber kein Merkmal mit dem Sniper: Ghost Warrior 3 glänzen kann.
Ein Soldat namens Jon
Entwickler CI Games macht mit dem dritten Teil zum ersten Mal einen Bruch und lässt die Spieler auf die offene Spielwelt von Georgien los. Diese ist nochmal in drei Abschnitte aufgeteilt, die wir im Verlaufe der Hauptstory freischalten. Dazu sei allerdings gesagt, dass zwei der drei Abschnitte ein sehr ähnliches Setting in Form von Wald, Wiesen und Bergen haben. Das dritte Gebiet ist in den schneebedeckten Bergen verankert und hat die dringend nötige Abwechslung in die Spielwelt gebracht. Schade ist, dass ein Wechsel zwischen den Gebieten immer mit langen Ladezeiten verbunden ist. Vielleicht ist man hier etwas verwöhnt, aber eine Ladezeit von vier bis fünf Minuten ist vor allem dann störend, wenn wir aufgrund einer Mission das Gebiet wechseln müssen. Gerade wenn wir das Spiel frisch starten, warten wir die Ladezeiten ab, um dann zum Missionsbeginn nochmal den Ladebalken anzustarren. Eine Mission beginnen wir im Übrigen zumeist in einem unserer Verstecke, von denen es in jedem Gebiet eines gibt. Die Verstecke entpuppen sich schnell als richtige Man Caves. Laptop, Reißbrett, Werkbank, Munitionshändler, alles was das Herz eines Elite Soldaten höherschlagen lässt, ist hier zu finden. Scheinbar ist es heute total in Mode in seine Spiele ein Craftingsystem mit einzubauen, so können wir an der Werkbank unsere eigene Munition herstellen. Dem aber nicht genug, auch unsere Schalldämpfer und Schutzwesten brauchen ein wenig Pflege, wenn wir länger damit agieren wollen. Sind wir mal unterwegs und haben kein entsprechendes Reparatur-Kit an der Hand, bleibt uns nur noch auf die anderen Waffen oder Nahkampf auszuweichen. Alternativ können wir aber auch alles beim Händler direkt kaufen. Sowohl Materialien als auch Handelsgüter finden wir in der offenen Spielwelt verstreut. Am schwierigsten sind wohl die tierischen Proben zu finden, dafür müssen wir auf die Jagd gehen und Rehe oder Wölfe finden. Am Laptop finden wir unseren aktuellen Missions-Status. Neben den Missionen gibt es auch noch eine Liste mit wichtigen Personen, die es auszuschalten gibt. Als Angehöriger der Special Forces hat Jon so einiges an Fähigkeiten. Allem voran die Handhabung mit Scharfschützengewehren und Aufklärung, aber auch im offenen Kampf braucht Jon sich nicht zu verstecken und ein Soldat ist meistens auch noch jemand, der dazu lernt. Je nachdem ob wir nun gerade die Gegend aufklären, Gegner wie ein Geist im Nahkampf ausschalten oder in das offene Feuergefecht gehen, erhalten wir Erfahrungspunkte für den entsprechenden Bereich. Diese lassen sich dann im jeweiligen Fähigkeiten-Baum verwenden, wobei Baum hier auch eher ein Euphemismus ist, sind es doch eher Blöcke, die wir uns nach und nach durchkaufen. Es gibt also keine bestimmte „Skillung“ in dem Sinne. Den Spielstil, den wir an den Tag legen, lässt uns automatisch auch den entsprechenden Fähigkeiten-Block freischalten, da wir nur hier Erfahrungspunkte sammeln. Jeder, der die Herausforderung sucht alle Fähigkeiten zu haben, muss seinen Spielstil also variabel anpassen.
Von Mission zu Mission
Die Missionen beschränken sich meistens auf das Infiltrieren von militärischen Einrichtungen und das Liquidieren von Zielpersonen. Hier läuft es meistens so ab, dass wir mit einem Fahrzeug zum Zielort fahren. Diese tuckern laut Tacho aus seltsamen Gründen mit gemütlichen 80 km/h durch die georgische Landschaft. Möchte man hier bewusst entschleunigen? Sind wir dann nach einer längeren Fahrt am Ziel angekommen, suchen wir uns erstmal ein kleines Versteck und schicken unsere Drohne los. Mit dieser erkunden wir aus sicherer Entfernung das Gebiet und suchen vorab unser Ziel. Haben wir die Gegend erkundet, haben wir nun mehrere Möglichkeiten. Entweder wir dünnen schon aus großer Distanz die gegnerische Gruppe aus oder wir können vielleicht sogar direkt unser Ziel eliminieren. Müssen wir in das Gebiet eindringen, sollte man sich am besten als erstes der gegnerischen Scharfschützen entledigen. Hier greift das Kernelement von Sniper: Ghost Warrior 3. In typischer Scharfschützenmanier müssen wir unsere Zieloptik entsprechend der Distanz zum Ziel und dem herrschenden Wind justieren. Über die Skalen ist es möglich das komplett per Hand zu machen, diejenigen, denen es vielleicht zu viel Rechnerei ist, können aber auch den Atem anhalten und eine Zielhilfe einblenden lassen. Im höheren Schwierigkeitsgrad müssen wir auf diese Zielhilfe übrigens verzichten. Sind wir über dem Ziel und können einen tödlichen Schuss setzen, färbt sich die Zielhilfe rot ein. Der Treffer wird mit einer Bullet Cam dann häufig auch noch ein wenig in Szene gesetzt. Schnell fühlt man sich an die Sniper Elite-Reihe erinnert mit dem Unterschied, dass hier auf eine X-Ray Kill Cam verzichtet wurde. Das könnte aber auch daran liegen, dass die Hitbox, also da wo die Kugel eindringt und da wo wir hingezielt haben, nicht 100% übereinstimmt. Häufiger hatte ich das Gefühl, den Schuss doch weiter links oder rechts gesetzt zu haben, als mir in der Bullet Cam angezeigt wurde. Mit den Scharfschützengewehren haben wir aber auch noch mehr Möglichkeiten. Durch verschiedene Munitionstypen können wir Gegner markieren oder an bestimmte Orte locken.
Panzerbrechende Munition ist auch für stärker gepanzerte Gegner ein valides Mittel. Jon ist aber natürlich nicht nur mit einem einzigen Ballermann ausgerüstet. So haben wir die Auswahl zwischen 10 verschiedenen Scharfschützengewehren, 11 Sekundärwaffen, 10 Pistolen und 4 Messern. Jede Waffe lässt sich zusätzlich mit Aufsätzen wie unterschiedlichen Optiken, Unterlaufmontagen und anderem Zubehör individualisieren. Selbst optische Lackierungen sind freischaltbar, was aber keinen Einfluss auf das Spiel hat. Von jedem Waffentyp können wir immer nur einen mit uns tragen. Sollte uns mal die Munition im Einsatz ausgehen, haben wir noch die Möglichkeit, die Waffen unserer Gegner aufzunehmen. Wie bereits erwähnt, sammeln wir während unserer Missionen Materialien und Wertgegenstände, aber was wäre ein Open World Spiel ohne richtige Sammelobjekte. So finden wir an markierten Orten auch antike Schätze, welche uns nochmal einen Geldbonus geben und dann als Dekoration in unserem Versteck landen. Einen besonderen Einfluss haben die Gegenstände allerdings nicht. Sucht der ambitionierte Elite Soldat die Herausforderung, kann er sich in den höheren Schwierigkeitsgraden versuchen. Man hält weniger aus, Gegner können nicht mehr dauerhaft markiert werden, das HUD wird eingeschränkt, die Lebenspunkte regenerieren sich nicht mehr und die Fähigkeiten-Blöcke werden eingeschränkt. Puristen werden hier sicherlich ihre Freude haben. Die KI der Gegner ist ein Spiel zwischen Licht und Schatten. Fällt jemand im Sichtfeld auf einmal um, werden die Kameraden sofort gewarnt. Verschwindet jemand von seinem Wachposten, wird das einfach hingenommen. Vielleicht ist er ja nur mal austreten. Ist aber ein Angriff einmal aufgedeckt worden, orten uns die Gegner ziemlich schnell und leiten Gegenmaßnahmen ein. Sei es ein direkter Angriff oder die richtige Deckung suchen. Die KI handelt hier ziemlich herausfordernd. Gerne heizt man auch mal mit einem Mörserangriff ein, was besonders lästig ist, wenn man den Mörserposten nicht im Blick hat.
Die beste Position für einen Scharfschützen ist eine hochgelegene mit schneller Fluchtmöglichkeit. Um solche Positionen zu erreichen, müssen wir häufiger klettern, zum Glück hat Jon ein geschultes Auge und kann per Knopfdruck eine Art Adlerblick einsetzen. Gegner, Gegenstände und Kanten werden hervorgehoben und so bahnen wir uns einen Weg zu einer aussichtsreichen Position. Am Platz angekommen, legen wir uns per Knopfdruck hin und justieren über das Steuerkreuz unsere Optik. Aus der Hüfte kann Jon das Gewehr nämlich nicht abfeuern, dass sind lediglich unserer Handfeuer- und Sekundärwaffen vorbehalten. Allerdings müssen wir dabei ohne ein Fadenkreuz auskommen, wodurch man schneller zur Kimme/Korn-Variante greift. Das HUD zeigt uns auch mit einem kleinen Symbol der Figur an, ob Gegner uns sehen können oder nicht. Sollte ein Gegner uns sehen, werden wir aber nicht sofort entdeckt, sondern ein kleiner Ladebalken warnt uns vor. Die Steuerung ist im Großen und Ganzen durchdacht und hat die sonst typischen First Person Shooter Merkmale. Die gedrosselten Fahrzeuge scheinen allerdings den meisten Gesetzen der Physik zu trotzen, fahren sich diese als ob man auf Schienen gestellt wurde. Vielleicht wollte man das Fehlen einer Fahrphysik mit der vorangegangen erwähnten Drosselung der Geschwindigkeit entgegenkommen. Leider ist das nur eines von vielen Merkmalen, dass es an einigen Ecken an Feinschliff fehlt.
Keine runde Sache
Die in Georgien angesiedelte Spielwelt ist auf den ersten Blick wirklich schön. Sonnenauf- und untergänge werden durch die CryEngine malerisch in Szene gesetzt. Das kann man allerdings nicht vom Rest sagen. Texturen wirken häufig matschig und die Engine wird nicht ausgeschöpft. Hinzu kommen auch immer wieder kleine Framerate-Einbrüche auf der klassischen Xbox One. Die bereits erwähnten langen Ladezeiten und die hölzernen Animationen in den Zwischensequenzen tun ihr Übriges. In der Spielwelt müssen wir häufig nach Leben wirklich suchen. Dorfbewohner sind eher rar gesät und auch Tiere findet man eher selten. Die Soundkulisse trägt ihr Übriges dazu bei. Der poppige russische Menüsound besteht leider nur aus einem Song und ist durch die langen Ladezeiten schnell durchgekaut. Sonst findet man nur im Autoradio ein wenig Musik, was aber vom Motorenlärm und dem Funkgekratze meistens übertönt wird. Zu allem Überdruss ist die deutsche Synchronisierung eine der emotionslosesten Darstellungen die ich bisher erlebt habe. Nicht allzu selten werden die Texte eher monoton und völlig zusammenhangslos vorgelesen, was der schon so recht faden Story wirklich den größten Schaden zufügt. Die englische Synchronisierung kann es nur bedingt herausreißen und wird für die nicht so fremdsprachenstarken Spieler eine wirkliche Herausforderung darstellen.
Fazit
Rund ist Sniper: Ghost Warrior 3 auf gar keinen Fall. Irgendwie eckt der Titel fast überall an: Die Misere mit dem Season Pass, der fehlende Multiplayer der irgendwann als DLC nachgereicht werden soll, der fehlende Feinschliff an so vielen Ecken. Als ich das Spiel vor zwei Jahren auf der Gamescom das erste Mal angespielt habe, habe ich mir mehr erhofft. Vielleicht hat man sich mit dem Open World Feature ein wenig zu viel vorgenommen. Wirkliche Fans von Stealth Games und Scharfschützensimulationen können einen Blick riskieren, wenn der Titel ein wenig im Preis runtergegangen ist. Alle, die eher mal in das Genre hineinschauen wollen, sollten wohl eher zur Sniper Elite-Reihe greifen.