Sniper Elite 4 im Test – Ein Nerd in Italien

Italien – Schmuckstück Südeuropas, kulinarische Hochburg und beliebtes Urlaubsziel für Leute aus aller Welt. Rebellion Developments schickt den Helden ihrer Sniper-Serie Karl Fairburne im vierten Teil der Third-Person-Stealth-Mixtur in die Heimat der Pizza, Pasta und Mafia. Bereits seit 2005 existiert die beliebte Spielreihe, die sich im Wesentlichen von anderen Action-Spielen unterscheidet. Findet man Scharfschützengewehre in anderen Shootern meistens eher als optionale Waffe, gehören sie hier zur Standardausrüstung und spielen klar die erste Geige. Wir haben uns also für euch auch auf die Lauer gelegt und einer Menge ahnungslosen virtuellen Faschisten den Denkapparat zerdeppert. Was das Abenteuer im fernen Italien noch so mit sich bringt, lest ihr im Test.

Wunderwaffe Karl Fairburne

Sniper Elite 4 knüpft nahezu an die Ereignisse des Vorgängers an. Der Titel spielt im Jahr 1943, während der versuchten Machtübernahme Italiens durch das Naziregime. So richtig gelingt es dem Widerstand nicht, sich gegen die deutschen Invasoren und die von ihnen überzeugten heimischen Faschisten zu widersetzen. So ist es eure Aufgabe die Rebellen auf die Siegerstraße zu führen. Dazu sollt ihr vorerst ein paar hochrangige SS-Offiziere aus dem Weg räumen, bemerkt aber anhand zahlreicher gefundener Dokumente, dass die Bedrohung eine ganz andere ist. So tauchen recht schnell Pläne einer neuen geheimen Super-Rakete auf, deren Produktion mit Hilfe eines Mafia-Clans direkt an der südeuropäischen Küste stattfinden soll. Um die Alliierten also vor dieser neuen Wunderwaffe zu schützen, ziehen wir los und sabotieren fleißig Anlagen, erledigen Nazi-Wissenschaftler und sprengen allerhand Dinge in die Luft.

Quiet, Please

Wie der Name des Titels bereits vermuten lässt, richtet sich Sniper Elite 4 – Italia eher an die Leisetreter unter euch. Vor jeder der insgesamt acht Missionen habt ihr die Möglichkeit eure Ausrüstung frei zusammenzustellen und eure Vorgehensweise somit eurem Spielstil anzupassen. Hauptsächlich könnt ihr hier also Waffen für eure drei verschiedenen Slots kaufen. Unter Primärwaffen finden sich, wenig überraschend, die namensgebenden Scharfschützengewehre, der sekundäre Slot beherbergt kleinere Maschinenpistolen oder Schrotflinten, während der Pistolen-Slot sich auf die letzte Lösung in Form von Handfeuerwaffen beschränkt. Ganz so frei auswählen lassen sich die verschiedenen Bleispitzer jedoch nicht, da ihr für deren Benutzung erst einmal ein paar Dollar auf den Tisch legen müsst. In jeder Mission verdient ihr also auch etwas Geld, wobei die Umsetzung der Währung, selbst für 1943 recht albern wirkt. So kostet eine deutsche Luger-Pistole beispielsweise lediglich drei Dollar, während die meisten Gewehre mit drei bis fünf Dollar zu Buche schlagen.

Tief einatmen, ausatmen – Feuer

In den Missionen selber ist es von Vorteil möglichst ungesehen bzw. unentdeckt zu bleiben. In der Praxis bedeutet das für euch vor allem häufiges von Busch zu Busch schleichen und ahnungslose Wachen per Stealth Kill aus dem Spiel zu nehmen. Viel mehr Spaß macht es jedoch natürlich eure Feinde aus sicherer Entfernung durch euer Zielfernrohr auszuknipsen. Das Spiel selber vereinfacht die Handhabung durch Zielhilfen, die beispielsweise den Sinkflug des Projektils mit anzeigt. Hartgesottene Elite-Sniper deaktivieren solche Hilfen und erfreuen sich an gelungenen 150 Meter-Kopfschüssen. Dazu zoomt ihr mit der linken Schultertaste in euer Scope und könnt mit der oberen rechten Schultertaste eure Luft anhalten. Hierbei solltet ihr zudem auf eure Ausdaueranzeige achten. Seid ihr zuvor beispielsweise gesprintet, könnt ihr dementsprechend kürzer eure Luft anhalten. Per RB (auf dem Xbox-Pad) wechselt das Spiel also in eine Zeitverzögerung und ihr habt auch in etwas wilderen Feuergefechten noch relativ viel Ruhe zu überlegen, wo ihr eurem Gegenüber nun die Kugel in den Körper jagt. Betätigt ihr abschließend den Abzug, wird es für deutsche Verhältnisse recht rabiat. Per fein polierter Bullet Cam begleitet ihr nun das abgefeuerte Projektil auf dem Weg zu seinem Ziel. Kurz vor der finalen Zusammenkunft beider Parteien schaltet die Ansicht in eine Röntgensicht um, die euch erlaubt genau zu beobachten, wie die Kugel eindringt und welchen verheerenden Schaden sie beim Opfer verursacht. Hier zersplittern Knochen, platzen Organe und deformieren sich Gehirne unter saftiger Unterstützung entsprechender Soundeffekte. Habt ihr diese Art der Animation aber zwei Dutzend Mal gesehen, werdet ihr sicher auch immer öfter diese Bullet Cam per Knopfdruck überspringen oder sie im Menü gänzlich abstellen.

Ich kann auch anders

Ungeduldigen Naturen wie mir ist die relativ lange Warterei jedoch nicht immer eine Freude. Schüsse lassen sich in der Regel nämlich nur bei Level-spezifischem Lärm abgeben, da sonst eure Tarnung auffliegt. Mal feuert im Hintergrund eine Flak, mal jagen Millitär-Bomber über euch hinweg oder es donnert ein Zug durchs Level. Geschieht dies, erhaltet ihr eine Anzeige und habt ein kleines Zeitfenster durch den aufgrund des Lärms niemand euren abgegebenen Schuss hört. Teilweise laufen Wachen jedoch so ungünstig, dass sie genau im passenden Moment hinter einer Mauer oder ähnlichem verschwinden und ihr müsst wieder gute zehn Sekunden warten. Dem Vollblut Camper mögen solche Elemente aufgrund der Immersion gefallen, ich persönlich pfeife dann auf meine Tarnung und lasse einen Geschosshagel auf die Nazi-Schergen los. Auf diese Weise habt ihr die bequeme Möglichkeit, das Spiel auch etwas actionorientierter zu spielen. Dazu lädt das Spiel einen auch mit seinen zahlreichen Sprengstoffen und Schnellfeuerwaffen ein. Diese Abwechslung empfinde ich als positiv, da ich mir nach Gemütslage einfach aussuchen kann, ob ich den lautlosen Geist mime oder doch den Expendables Tribut zolle und alle Feinde mit Pauken und Trompeten über den Jordan schicke. Die KI reagiert jetzt nicht brillant auf eure Angriffe. Das Hoch der Gefühle ist es, wenn sie sich in ihre Deckung eingraben und es euch somit schwer machen, sie auszuschalten. In Gebäuden offenbart sich dann aber auch die Dummheit der CPU-Nazis: Einer nach dem anderen rennt stur zu eurer Position und lässt sich problemlos beim Versuch des Durchschreitens von Türrahmen durchsieben.

Es gibt viel zu tun

In den Level selber habt ihr neben eurem Hauptziel auch immer zahlreiche optionale Nebenziele zur Auswahl. Alle eure Aufgaben findet ihr bequem auf eurer Karte, wodurch ihr Routen planen könnt, um alles in einem Abwasch zu erledigen. Die Nebenziele sind mal mehr, mal weniger spannend inszeniert. Fast immer müsst ihr feindliche Flakstellungen zerstören oder wichtige Dokumente einsammeln. Spielerisch sind diese Aufgaben keine Glanzleistung, da man im Grunde nur die Karte abklappern und Dinge einsammeln oder eben unschädlich machen muss. Für all eure Aktionen während des Spielens erhaltet ihr übrigens auch Erfahrungspunkte. Nach Abschluss jeder Mission werden diese eurem Profil gutgeschrieben und ihr schaltet neue Dienstgrade frei, mit denen sich zusätzliche Fertigkeiten freischalten lassen. Wer sich jetzt allerdings einen umfassenden Fertigkeiten-Baum vorstellt, hat sich etwas zu früh gefreut. Auch hier gestaltet sich die Umsetzung etwas rudimentär und schlicht. Pro festgelegter Levelgrenze könnt ihr zwischen zwei passiven Fähigkeiten wählen. Soll eure Ausdauer schneller regenerieren oder tragt ihr lieber zusätzliches Verbandszeug mit euch? Wirklich sinnvoll kombinierbare Fertigkeiten sucht ihr mit der Lupe.

Zwei Sniper sind besser als Einer

Erfreuliche Nachrichten auch für alle gewillten Koop-Sniper. Alle acht Hauptmissionen lassen sich online mit einem Freund zusammen absolvieren. Zusätzlich gibt es einige extra Koop-Spielmodi, wo ein Spieler beispielsweise lediglich aus der Ferne heraus seinen Kumpel begleitet, während dieser mit Nahkampf-Bewaffnung die entsprechenden Missionsziele abarbeitet. Das sorgt besonders mit Freunden für eine Menge Spaß, weil es hier besonders auf authentische Kommunikation ankommt. Sonst können sich bis zu vier Spieler auf drei speziellen Maps gemeinsam einer Horde einfallender Nazi-Truppen erwehren. Der besondere Clou hierbei ist, dass die Basis des Teams regelmäßig ihren Standort wechselt und eure Truppe somit öfter zum Umdenken zwingt. Wer lieber auf andere Spieler schießt, statt mit ihnen gemeinsame Sache zu machen, der versucht sich in den klassischen Multiplayer-Modi wie Deathmatch oder eben Team Deathmatch. Einfallsreicher sind hingegen Spielvarianten wie “König der Entfernung”, “Kein überqueren” oder “Kontrolle”. Im Erstgenannten ist nach Ablauf der Runde der Spieler Sieger, welcher die meisten entfernten Meter bei seinen Abschüssen gesammelt hat. Die reine Anzahl an Kills ist also zweitrangig, so lange ihr genug weit entfernte Ziele ausgeschaltet habt. Nah- oder Mitteldistanz-Kämpfe sind bei “Kein überqueren” nicht existent. Die Karten in diesem Modus trennen beide Gegnerseiten und lassen somit nur Duelle aus der Ferne zu. Bei “Kontrolle” müssen beide Seiten spezielle Funkgeräte an sich nehmen. Der Trick hierbei: Es bekommt die Seite den Punkt, die das Funkgerät bei Ablauf des Timers hält. So könnt ihr mit eurer Truppe geduldig bis kurz vor Sendepause warten, um dann noch rechtzeitig den entscheidenden Angriff zu landen.

Technische Umsetzung

Die malerische Schönheit Italiens kommt im Spiel nur bedingt zum Tragen. Während die Charaktermodelle mit hohem Detailgrad punkten, finden sich teilweise arg verwaschene Texturen wieder oder es treten unschöne Pop-ups auf. Rein optisch zählen vor allem die Missionen bei Tag zu den schöneren Momenten des Spiels, da die Engine bei Nacht einige Details zu verschlucken scheint und die Lichteffekte merkwürdig neblig wirken und das Gesamtbild etwas trist erscheinen lässt. Technische Gameplay-Schwächen sind uns dafür nie aufgefallen. Auch bei etwas mehr Trubel lief das Geschehene auf dem Bildschirm stets flüssig und beeinflusste dadurch nie unsere Treffsicherheit. Dass die Entwickler viele Deko -und Level-Elemente recyceln, hinterlässt bei Atmosphäre-Junkies aber sicher auch einen faden Beigeschmack. Seien es die Gestrüppe in denen ihr untertaucht oder zahlreiche Inneneinrichtungen der verschiedenen Häuser, hier finden sich zahlreiche geklonte Objekte. Die deutsche Synchronisation hingegen kann zumindest in den Dialogen und in den Videos wieder Pluspunkte sammeln. Im Spiel selber ist das Geschreie der deutschen wie italienischen Wachen, in seiner Qualität stark schwankend. Von besoffen-nuschelnd bis streng-deutlich ist alles an Warnrufen dabei. Untermauert wird der Italien-Trip mit typischer klassisch fröhlicher italienischer Nudel-Werbe-Musik, was wiederum hervorragend zum Ambiente passt.

Fazit

Sniper Elite 4 – Italia ist ein, für Action -und Stealth-Fans, durchaus lohnenswertes Abenteuer. Die acht Stunden der Kampagne fesselt euch gute Zehn vor der Konsole und bietet danach mit vier wählbaren Schwierigkeitsstufen einen guten Wiederspielwert. Wer zudem gerne gemeinsam mit Freunden um die Häuser schleicht, findet durch die guten Koop-Möglichkeiten weitere Pluspunkte auf der Entscheidungsliste. Wer in Erwartung vor allzu langem “gecampe” etwas verunsichert wird, den kann ich an dieser Stelle beruhigen. Es ist nicht notwendig stundenlang im Gras zu liegen und die Karte auszuspionieren. Wer das jedoch machen möchte, wird mit toller Atmosphäre belohnt und kann bei Bedarf ja auch noch immer “die Sau raus lassen”. Durch diese Freiheit kann man den Titel, trotz einiger kleinen Mankos, Freunden von Third-Person-Shootern durchaus empfehlen.

Sniper Elite 4 - Italia
Grafik/Präsentation
76
Story/Atmosphäre
77
Gameplay
78
Multiplayer
79
Spielspaß
79
Leserwertung2 Bewertungen
68
78