England ist bekannt und berühmt für reichlich skurrile Dinge. Sie fahren auf der falschen Seite der Straße, trinken pünktlich um fünf Uhr ihren Tee und bringen es nicht fertig, ihren Fußball-Talenten das Elfmeter-Schießen beizubringen. Ob der Held in unserem neusten Testspiel auch keine Elfmeter verwandeln konnte, ist nicht überliefert. Dafür verfügt er definitiv über andere Talente. Perfekte Wahrnehmung, überdurchschnittliche Analyse-Fertigkeit und ein messerscharfer Verstand machen Sherlock Holmes zu einem legendären Ausnahme-Talent unter den Detektiven, bei dem selbst die Trovatos einpacken können. Uns so reisen wir für euch ins späte 19. Jahrhundert und schlüpfen in London in die Haut des Meister-Detektives um erneut gefährliche Verbrecher wegzusperren.
Rätselraten in London
Entwickler Frogwares schickt die englische Spürnase bereits zum achten Mal auf Verbrecherjagd und passender hätte der Publisher-Wechsel nicht sein können. Denn für den Vertrieb zeichnet sich nun BigBen verantwortlich, was zum Schauplatz London natürlich perfekt passt. Am Spielkonzept selber hat sich nicht allzu viel geändert. Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter ist wie seine Vorgänger ein (Point and Click) Adventure mit Crime-Fokus. Als Sherlock Holmes löst ihr fünf wage zusammenhängende Fälle im London um 1895. Augenscheinlich haben die Fälle wenig miteinander zu tun und widmen sich jeweils anderen Figuren und Schauplätzen. Sucht ihr im ersten Kapitel noch den verschollenen Vater eines kleinen Jungen, deckt ihr im zweiten Kapitel einen Mordfall im Bowles-Club Londons auf. Das Spiel trennt dabei die Geschichten sehr genau und Items und Einträge in eurem Notizbuch werden nach jedem abgeschlossenen Fall zurückgesetzt. So erlebt ihr auf der einen Seite fünf spannende Einzelgeschichten, auf der anderen Seite werdet ihr jedoch des Gefühls beraubt, eine spannende fortlaufende Handlung zu erleben.
Auf Spurensuche
Spielerisch geht es genretypisch eher gemütlich zur Sache. In einzelnen Arealen gilt es wichtige und nicht ganz so wichtige Hinweispunkte zu finden, die vom Spiel jedoch immer markiert sind. Mal lest ihr eine bedeutungslose Beschreibung zu einem Gegenstand, ein anderes Mal habt ihr eine interessante Entdeckung gemacht. Wichtigstes Utensil ist das bereits erwähnte Notizbuch. In diesem wird alles Relevante vermerkt, damit ihr als Spieler auch ja keine Fährte verlieren könnt. So klappert man in der Regel zahlreiche Schauplätze ab und kombiniert am Ende die Hinweise zu einer logischen Geschichte. Was vielleicht nach einer spannenden Sucherei klingt, ist unterm Strich meistens ein monotones Abklappern der markierten Punkte. Wer vielleicht auf unterhaltsame Dialoge hofft, wird ebenfalls enttäuscht. In der Regel seid ihr alleine unterwegs und wenn ihr mal mit Leuten sprecht, sind die Gespräche sehr kurz und nicht gerade kreativ gestaltet. In jedem Fall gilt es eine bestimmte Anzahl bestimmter Hinweise zu finden. Diese lassen sich nach und nach in einem Menüpunkt eures Notizbuchs zu einer Falllösung zusammensetzen. Ähnlich wie in einem Skilltree müsst ihr verschiedene Kombinationen richtig interpretieren, um am Ende auf den wahren Verdächtigen zu kommen. Eure Entscheidung am Ende nehmt ihr dann ins nächste Kapitel mit und ändert somit leicht den Verlauf der nächsten Geschichte. Wie aber schon zu Beginn gesagt, einen wirklichen Zusammenhang gibt es nicht.
Abseits der Adventure-Pfade
Neben dem Kern-Gameplay aus dem Adventure-Bereich bietet euch Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter ab und zu abwechslungsreiche Abschnitte aus kleinen Minispielen. Mal verfolgt ihr in Gestalt eines Helfers eine Person und dürft nicht entdeckt werden, mal flieht ihr vor einem psychopathischen Jäger oder ihr schleicht euch nachts auf einem Friedhof an allerhand Wachen vorbei. Gemeinsam haben diese Abschnitte leider, dass sie spielerisch nicht wirklich gut umgesetzt wurden. Hakelige Steuerung machen euch das Leben bei den eigentlich simpelsten Aufgaben unnötig schwer. Das ist schade, weil diese Abschnitte somit zu einem kleinen Ärgernis werden können. Viel spaßiger sind die kleineren Minispiele und Rätsel, die Frogwares thematisch passend ins Spiel integriert hat. Entschärft eine Bombe, setzt einen zerrissenen Brief wieder zusammen oder absolviert Schalter-Rätsel um einen Mechanismus wieder in Gang zu setzen. Ab und zu schlüpft ihr sogar in die Rolle anderer Figuren und löst speziell auf deren Einsatz zu geschneiderte Aufgaben. Positiv inszeniert sind auch Teile der Kapitel in denen ihr euch verkleiden müsst. Hier ließen die Entwickler ihren kreativen Gedanken mal freien Lauf und präsentieren einige gute Ideen, die für einige Schmunzler sorgen werden.
Technisch sehr durchwachsen
Die technischen Aspekte gehören nicht zu den Vorzügen des Titels. Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter wirkt optisch nicht unbedingt zeitgemäß. Einige der Kulissen sind dabei schön und detailliert dargestellt. Dann jedoch betreten wir ein Gebiet, welches wieder eher zwischen PlayStation 2 und PlayStation 3 zu hängen scheint. Neben den sehr unbeholfenen und unnatürlich-wirkenden Animationen, stören vor allem die langen Ladezeiten den Spielfluss. Per Schnellreise könnt ihr zwar jederzeit zwischen den Schauplätzen wechseln, doch Ladezeiten von guten 30-40 Sekunden reißen euch aus dem Spielgeschehen. Besonders wenn ihr nur kurz an euer Bücherregal müsst um einen Eintrag aus euren Notizen zu prüfen. Dafür wissen die deutschen Synchronsprecher umso mehr zu überzeugen. Mit glaubhaften und authentischen Stimmen hauchen sie den Charakteren virtuelles Leben ein. Ansonsten wechselt das Spiel permanent zwischen schönen und unschönen Bereichen. Effekt-Feuerwerke werden keine abgespielt und somit bleibt die Framerate immer artig stabil.
Fazit
Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter ist ein feiner Knobelspaß für zwischendurch. Die fünf spielbaren Fälle beschäftigen Hobby-Detektive gute 13-14 Stunden. Manche Kapitel lassen sich etwas vorschnell abschließen, in dem ihr einfach den erstbesten Verdächtigen verurteilen lasst. Schwächen zeigt der Titel leider immer beim Gameplay respektive bei den “Action Sequenzen”. Diese steuern sich einfach sehr hakelig und altbacken und machen daher nicht sonderlich viel Spaß. Zum Glück bilden diese Ausbrüche aus dem Kern des Spiels die Ausnahme. In der Regel überprüft ihr nämlich Tatorte, analysiert Hinweise und löst Rätsel. Bei diesen typischen Detektiv-Arbeiten kommt dann auch wieder mehr Freude auf. Wer nicht unbedingt viel wert auf polierte Optik legt, wird auch mit der Grafik des Spiels zurecht kommen und sich auf den Krimi-Rätsel-Spaß mit Sherlock Holmes einlassen können.