Sea Of Thieves im Test – Schatzsuche á la carte

Nach langem Warten ist das Piratenabenteuer von Rare Ltd. seit dem 20.03.2018 endlich für die Xbox One und Windows 10 erhältlich. Auch ich habe dem Release entgegen gefiebert und wartete sehnsüchtig darauf in See zu stechen. Unter dem Motto “werde zur Piratenlegende” gehen wir alleine oder mit unserer Crew auf Schatzsuche. Ob sich der MMO-Titel auch für lange Überfahrten lohnt, verrate ich im Test.

Setzt die Segel!

Aber halt! Erstmal müssen wir uns entscheiden, was für ein Pirat wir sein wollen. Dick, dünn, mit Augenklappe, Holzbein und Narbe? Tätowierungen? Kein Problem! Im Piratencostumizing gibt es unzählige Auswahlmöglichkeiten für euren Seeräuber. Diese werden per Zufall generiert und ihr könnt euch dann einfach einen aussuchen, der euch optisch am ehesten anspricht. Ob ihr die Weltmeere nun als weiblicher Captain Dauerwelle oder männlicher Captain Schielauge umsegelt, steht euch frei. Die Entscheidung sollte gut überlegt sein, eine nachträgliche Änderung vom Aussehen des Piraten ist danach nicht mehr möglich. Ihr könnt euch lediglich an der Kleiderkiste bedienen und euch ein neues Outfit zulegen oder das Holzbein ablegen. Wollt ihr nun von der Dauerwelle zum Schielauge wechseln, müsst ihr den Piraten Löschen und einen neuen Erstellen. Aber Achtung! Entscheidet ihr euch zur Löschung verschwindet euer Pirat, mitsamt erbeutetetem Gold, im digitalen Bermuda Dreieck. Schade! Bevor wir nun mit unserem Piraten die Weltmeere umsegeln, schauen wir uns aber erstmal in der Taverne um. Jene befindet sich in jedem Außenposten und dient als Ausgangs- und Treffpunkt für unsere Crew. Die herumstehenden Fässer enthalten Items wie Holzbretter, Kanonenkugeln oder auch Bananen. Auch auf einen Umtrunk wird in der Taverne gerne Einzug gehalten. Die nette Bardame füllt einem nur zu gern den Grogkrug auf. Da gerät unser Pirat schon mal ins Wanken und es braucht einige Versuche um durch die Tür zu gelangen, nur um sich dann draußen äußerst elegant wie ein Hydrant zu übergeben. Die Taverne gibt es in jedem Außenposten, welche in vielen verschiedenen Variationen auf der Karte zu finden sind. Mal karibisch mit türkis blauem Wasser, und mal düster mit Schiffswrack zwischen dunkel aufragenden Felsen inmitten dunkler See.

Nie ohne Seife waschen!

An den Außenposten gibt es, neben den drei verschiedenen Fraktionen, unterschiedliche Händler die uns verschiedene kosmetische Möglichkeiten für unseren Freibeuter und dessen Schiff bieten. Wohin uns unsere Schatzsuche bringt, erfahren wir natürlich von Schatzkarten, die wir bei den Goldsammlern der Außenposten erhalten. Insgesamt können wir drei Quests und die zugehörigen Karten in unser Fahrteninventar an Board nehmen. Stechen wir mit einer Crew in See, müssen die einzelnen Mitglieder für die vorgeschlagene Fahrt abstimmen, um die Mission anzunehmen. Segeln wir hingegen allein, kann die Reise nach Abgabe unserer Stimme quasi direkt losgehen. Zwischen uns und dem Schatz steht jetzt nur noch eins – Das Meer! Ehe wir den Schatz ausbuddeln können, müssen wir anhand der Schatzkarte aber erstmal die richtige Insel finden. Haben wir diese ausgemacht, können wir auf der Karte eine Markierung setzen die uns beim Navigieren hilft.

Und apropos navigieren, was allein oder mit kleiner Crew auf einer Schaluppe noch recht einfach erscheint, ist mit einer Crew von drei oder vier Mitgliedern schon ein ganz anderer Schnack. Die kleinen Schaluppen sind allein noch gut zu beherrschen, und auch um einiges wendiger als die großen drei-Mastigen Galleonen. Mit kompletter Crew auf einer Galleone ist es durchaus ratsam, die Aufgaben an Board gut aufzuteilen. Einer am Steuerrad, einer an der Karte, einer setzt die Segel und der letzte macht Faxen und stimmt ein Liedchen mit der Ziehharmonika oder Drehleier an. Ist man mit einer Crew wie ich unterwegs, wird sich bei langen Überfahrten auch schon mal am Grogfass bedient und sich hemmlungslos betrunken. Das mal ein Crewmitglied in dem sich unter Deck befindenen Gefängnis landet, ist wohl auch auf den starken Grogkonsum zurückzuführen. Was ein Spaß! Zumindest für die, die sich weiter einen hinter die Binde kippen können, während der andere seine Mindeststrafe absitzt, ehe er wieder raus darf.

Ey man, wo ist mein Schatz!

Hat man die Überfahrt dann ohne Kanonenhagel feindlicher Schiffe, oder unwetterbedingtem Wasser unter Deck, überstanden und ist heil an der Insel angekommen, heißt es auch schon Anker setzen und rauf auf’s Festland. Da mein Pirat etwas Fußfaul ist, habe ich mich gern dafür entschieden, den Weg via Kanone zurückzulegen und mich aus dieser auf die Insel katapultiert. Und dann heißt es erstmal Schatzkarte und Kompass in die Hand. Nicht immer ist die Position des Schatzes mit einem roten Kreuz auf der Karte gekennzeichnet. Manche Schätze lassen sich erst nach dem Lösen von Rätseln finden. Die Rätsel erhalten wir über Flaschenpost, die zufällig auf den Inseln am Strand zu finden sind. Hier wird man gern von der Palme im Süden drei Schritte vorwärts zum Steinhaufen im Westen gelotst, ehe das Gebuddel dann losgehen kann. Gar nicht so einfach, wenn man einen Orientierungsinn wie eine blinde alte Frau hat. Vielleicht lag es auch an meiner Augenklappe. Wer weiß das schon.

Bei all dem Suchen, sollten wir aber nicht vergessen, dass wir nicht alleine auf der Insel sind. Neben einigen friedlichen Tieren wie Hühnern und Schweinen, befinden sich auch giftige Schlangen und untote Skelettkrieger mit uns auf der Insel. Und eventuell auch eine andere Piratencrew, die uns den Schatz streitig machen möchte. Ausgestattet mit Donnerbüchse und Säbel können die Gegner entweder per Schrot oder Säbelstiche erledigt werden. Zwar können wir Angriffe auch Blocken, aber die hau-drauf-Taktik funktioniert auch einwandfrei. Neben den normalen Schatzkisten gibt es auch noch die verfluchten, die beispielsweise rumjammern und unentwegt Wasser in unser Schiff weinen können. Findet man eine solche Truhe, sollte man einen der Piraten unter Deck schicken, damit er das Wasser mit dem Eimer aus dem Kahn schöpfen kann. Ihr glaubt nicht, wie schnell so ein Schiff vollaufen und kentern kann, ist man alleine mit einer Schaluppe unterwegs.

Und einer sitzt im Krähennest

Auch wenn die Kämpfe an sich recht simpel sind, Bananen sollten wir aus zweierlei Gründen trotzdem immer genügend dabei haben. Dazu später mehr. Es steht uns frei, alle Fahrten nacheinander zu erledigen und die Beute dann gesammelt dem jeweiligen Sammler am Außenposten zu verkaufen, oder auf Nummer sicher zu gehen und die Schätze einzeln abzuliefern. Entscheidet man sich dafür, alle Fahrten nacheinander zu machen sollte man einmal mehr den Horizont im Auge behalten. Hier macht sich der Vorteil einer Crew bemerkbar. Einer hat immer Zeit im Krähennest Ausschau nach feindlichen Schiffen zu halten und bei Feindkontakt die Glocke zu Läuten.

Trifft man auf eine feindliche Piratencrew sollte man schnellstens die Kanonen laden. Ich rate dazu, diese bereits bei der Abfahrt zu Laden und feuerbereit zu sein. Denn, fängt man sich selbst einpaar Kugeln und kentert, tut man dies mitsamt der gesammelten Schätze. Hat man sich besagte Kugeln eingefangen, sollte man sich schnellstens unter Deck begeben, die Löcher mit den Holzbrettern dicht machen und das Wasser mit dem Eimer aus dem Kahn befördern. Ist man dann doch gekentert oder wurde gar getötet, bringt einen die hässlichste Meerjungfrau die ich jemals in meinem Leben gesehen habe, aber auch gern zurück zum Schiff oder einem Außenposten. War man wiederum selbst erfolgreich und hat das gegnerische Schiff mitsamt Crew versenkt, kann man deren Schätze rauben und selbst das Gold dafür einsacken. Die Truhen schwimmen nach dem Untergang des Schiffes an der Meeresoberfläche und können dort eingesammelt werden.

Wanted!

Neben der klassischen Schatzkarten der Goldsammler, erhalten wir von den okkulten Zauberern des Seelenordens, Aufträge für das Sammeln von Totelschädeln längst verstorbener Piraten. Das Ganze hat genau den richtigen Hauch von Magie und Mystik, inklusive Geräuschkulisse. In diesem Fall erhalten wir auch keine Schatzkarte sondern einen Steckbrief, der uns den letzten bekannten Aufenthaltsort preisgibt. Wir begeben uns also auf eine Art Kopfgeldjagd. Auf den zu bereisenden Inseln, befindet sich eine Scharr von Skelettkriegern wovon wir erstmal eine ganze Reihe umlegen müssen, ehe sich unser eigentliches Ziel blicken lässt.

Protipp: Befördert vor dem Betreten der Insel soviele Skelette wie gerade frei rumlaufen mit euren Kanonen erneut ins Jenseits. Hat man diese dann in ihre Einzelknochen zerlegt, taucht der Feind auch endlich auf. Untermalt wird das Ganze von sich aufbauender Musik. Sehr nice! In der Regel handelt es sich bei unserem Hauptgegner um einen ganz besonders netten Captain, der zum Heilen auch schon mal eine Banane knurpst, erledigt man ihn nicht schnell genug. Hat man den Kampf für sich entschieden fällt der Schädel, mitsamt leuchtender Augen und geisterhaftem Stimmenwirrwarr, zu Boden. Eben jenes Stimmenwirrwarr erinnert ein wenig an die Schlangensprache Pasel aus Harry Potter. Solche Details gefallen mir immer gut und machen das Spiel authentischer. Mit steigendem Ansehen im Seelenorden, werden die Gegner auf den Inseln härter und sind schwerer zu besiegen. Auch die Aufträge, die man in den Schiffswracks finden kann, sind durchaus etwas anspruchsvoller. Hier kam bei mir auch am meisten Freude auf. So bieten die Kämpfe durch die Abwechslung der Gegner mehr Spielspaß und erfordern durchaus auch mal etwas taktisches Können und Geschicklichkeit beim Zielen mit der Kanone. Ist man mit einer Crew auf Schädeljagt, sollte einer den Lockvogel Spielen und als tank fungieren. Und dann heißt es – Feuer frei an der Kanone! Einfacher bekommt man die Skelettkrieger nicht klein.

Bananarama

Auch bei den Fahrten die wir für den Handelsbund machen, gibt es etwas Abwechslung. Wenn auch keine große. Neben den fröhlich vor sich hin grunzenden Schweinen und glucksenden Hühnern, können wir auch Schlangen einfangen, um sie dann von A nach B zu Schiffen. Damit wären wir dann auch bei der dritten Fraktion in Sea Of Thieves. Wie uns der Name schon verrät, geht es bei den Fahrten für den Handelsbund weniger um die Schatzsuche, als um das hin- und her Schiffen von Waren. Es handelt sich hierbei um die bereits erwähnten Tiere.

Aber glaubt mal nicht, dass im erhaltenen Warenverzeichnis steht, auf welcher Insel sich jene Ware befindet. Nein, nein. Das wäre ja zu einfach. Und so schippern wir auf gut Glück einfach mal zur nächsten Insel. Käfige nicht vergessen! Und Bananen! Womit wir dann auch wieder beim Thema wären, warum man davon nie genug dabei haben kann. Schweine zum Beispiel, müssen bei der Überfahrt regelmäßig gefüttert werden, sonst scheiden sie bei langen Überfahrten schneller dahin als man Störtebeker sagen kann. Die Hühner sind an sich ganz entspannt, machen aber einen heiden Krach und glucksen unentwegt vor sich hin. Unter Wasser sind sie auch nicht gerne, und zappeln sich auf dem kurzen Weg zum Schiff in ihrem Käfig ordentlich einen ab. Kann man Schwein und Huhn noch alleine fangen und ausliefern, sieht das mit den Schlagen schon wieder anders aus. Hier empfiehlt es sich, die Reise mit der Crew zu unternehmen. Eben jene Schlangen müssen mit der Ziehharmonika in Rattenfänger-Manier gezähmt werden, bevor man sie in den Käfig stecken kann. Außerdem gibt es für die Aufträge ein Zeitlimit, bis wann man die Fracht an dem jeweiligen Außenposten abgegeben haben muss. Abgeben können wir das Getier an jedem Außenposten. Beachten sollte man hierbei, dass man für die Abgabe weniger Gold erhält, gibt man die Ware an einem anderen Außenpost als im Auftrag angegeben ab.

Seichte Gewässer

Insgesamt macht Sea Of Thieves mit einer Crew mehr Spaß, als alleine. Das ist von Rare natürlich auch so gedacht. Jedoch sollte man mit seiner eigenen Crew losziehen. Das Segeln mit Randomspielern, per Matchmaking bringt null Spaß. Hier tummeln sich leider einige sehr hohlbeinige Piraten. Auch aufgrund der vielen gegebenen Möglichkeiten sehr viel Quatsch zu machen, ist man mit seiner eigenen Crew einfach besser beraten. Ob es sich dabei nun um die Gründung eines musikalischen Quartetts oder Saufgelage auf und unter Deck handelt -Crew love is true love! Auch das Steuern der Galleone bringt mit einer kompletten Viermann-Crew wesentlich mehr Spaß. Gerade wenn man mal auf ein feindliches Schiff trifft hat man eher Lust, mal einen kleinen Krieg anzuzetteln, als sich mit seiner kleinen Schaluppe aus dem Staub zu machen, und den Schatz sicher zum nächsten Außenposten zu schiffen.

Dem Kraken bin ich in meiner Spielzeit bisher nicht begegnet. Aber durchaus einigen wohl gesinnten Piraten die winkend ein paar Seemeilen mit mir zurückgelegt haben. Auch Random Tanz- und Musikgruppen haben sich schon gefunden. Leider hat sich bei mir nach etlichen Spielstunden auch ein wenig Ernüchterung eingestellt. Auch die vielen Lags machen es einem schwer. Ich fand mich leider oft plötzlich im Meer wieder, gern auch ein paar Meter tief. Nach vielen Schätzen, Schädeln und Streichelzoovertriebstouren kommt in Sea Of Thieves nicht mehr viel. Sieht man von den Raids auf den Skelettfestungen und den zu erkundenden Schiffswracks ab, sind die Fahrten der Fraktionen immer gleich. Auch die komplexeren Aufträge, die wir mit steigendem Ansehen bei den drei Fraktionen erhalten, sind nicht wirklich anders. Zwar gelingt es Rare durchaus mit authentischem Spielsound, wirklich wunderschönen Sonnenauf- und Untergängen, und dem best gerenderten Wasser das ich in einem Spiel bisher gesehen habe, mich zu unterhalten, aber das ist eben nicht alles. Was mir persönlich wirklich sehr fehlt, ist die Möglichkeit feindliche Schiffe tatsächlich Kapern zu können. Ich meine, wir spielen ein Piratentitel, oder etwa nicht? Hat man ein feindliches Schiff betreten und die Crew getötet, spawnt sich nach kurzer Zeit wieder auf Deck des Schiffes und der ganze Spaß geht von vorne los. Mit jenem Schiff weiterzusegeln, weil das eigene vielleicht zu Kanonenfutter der feindlichen Crew geworden ist, würde mit Sicherheit nicht nur mich glücklicher machen. Auch einpaar Minigames, wie z.B. Angeln bei langen Überfahrten, wären nett gewesen.

Fazit

Grafisch ein echter Leckerbissen bietet Sea Of Thieves auf jeden Fall viel für die Augen. Authentisch ist auch der Sound. Jedoch folgt auf anfängliche Freude, leider auch etwas Ernüchterung. So fehlt in Sea Of Thieves leider die Möglichkeit tatsächlich ein Schiff Kapern zu können. Auch einpaar mehr Waffen, hätte ich gerne gesehen. Genau wie einen Papagei oder ähnliches als Haustier. Unbestritten ist der Spielspaß, umsegelt man die Weltmeere mit einer Crew. Zwar ist nach etlichen Grogsaufgelagen und Ziehharmonikakonzerten die Luft auch etwas raus, der Spielspass beim entern feindlicher Schiffe, bleibt aber durchaus konstant. Spass bringen auch die Raids auf den Skelettfestungen. Hier bilden sich gerne mal nette Allianzen und der Schatz wird brüderlich geteilt.

Sea of Thieves
Grafik/Präsentation
90
Story/Atmosphäre
70
Gameplay
80
Spielspaß
70
Leserwertung1 Bewertung
2
78