Samurai Shodown im Test – Ein Nerd greift zum Katana

Jungs in meinem Alter werden folgendes Phänomen sicher noch kennen. Damals, Anfang der Neunziger spielten die Leute im Grunde entweder auf dem Super Nintendo oder dem Mega Drive. Kaufte man seine Spiele bei den damals noch häufiger vorkommenden Fachhändlern oder las gar Fachzeitschriften, war einem das Neo Geo vielleicht ein Begriff. Auch bei mir in Köln am Ebertplatz, bei Arjay Games, stand dieses Ungetüm von Konsole aus. Das Neo Geo war aus Sicht eines Schülers jedoch einfach nur ein unbezahlbarer und utopischer Irrsinn, da die Spiele gut und gerne eben die Unsumme von 350 DM oder mehr kosteten. Einer der Hauptentwickler damals war SNK, die für Klassiker wie Metal Slug, The Art of Fighting, Fatal Fury oder eben Samurai Shodown verantwortlich waren. Letzteres feiert nun nach über zehn Jahren ein Comeback auf heimischen Konsolen und veranlasste mich dazu, zum virtuellen Katana zu greifen.

Typisch japanisch verrückte Charaktere

In Zeiten in denen 2D Fighting-Games reihenweise ihre Comebacks abliefern, dürfte die damalige Ankündigung einer der großen Reihen aus den Neunzigern nur wenige Leute richtig überrascht haben. Persönlich präferiere ich diesen Trend, da ich den Sprung des Genres hin zum 3D nie sonderlich mochte. Da sind wir nun also wieder im 18. Jahrhundert im Land der aufgehenden Sonne.  In kurzen Standbild-Filmchen erzählen uns die Entwickler von SNK, dass das Land aktuell von Chaos und Feuer beherrscht wird. Schuld daran ist eine von einem Dämon besessene Dame namens Shizuka, die im Reich Yomi (Das Reich der Toten in Japan) gefangen ist. Ob diese auch die Technik und die Ladezeiten negativ beeinflusst hat, bleibt wohl ein Geheimnis, aber dazu später mehr. Relevanz hat diese Geschichte jedoch nur im Story Modus. Diesen absolviert ihr mit einem der 16 Charaktere die euch vom Start weg zur Verfügung stehen. Das Roster bietet hierbei genügend Auswahl für sämtliche Vorlieben was Spielstil und Style betrifft. So habt ihr die Auswahl zwischen agilen und flinken Schwertkämpfern bis hin zu den wirklich großen und schweren Recken. Wie es die Tradition so will, richtet sich die Stärke der Angriffe teilweise auch nach den Körpermaßen eurer Figur.

Simpel und doch komplex

Das Kampfsystem kommt bei Samurai Shodown im ersten Moment vergleichsweise simpel daher. Leichte, mittlere und schwere Angriffe, sowie ein normaler Tritt stehen euch zur Verfügung. Auf dem Boden bewegen sich die Figuren extrem langsam. Abhilfe schafft hier nur ein kleiner Dash nach vorn und hinten, den ihr mit Angriffen kombinieren könnt. Sprünge und Sprungangriffe steuern sich im Gegensatz dazu eher wie bei allen anderen gängigen 2D Klopperein recht flink. Samurai Shodown ist jedoch mitnichten eine hektische Hampelei mit Button-Mashing, sondern eher ein Taktieren und Abwägen was euer Gegner als nächstes tut. Obligatorische Specialmoves wie „Feuerbälle“ oder besonders schwere Hiebe zählen aber auch zum Repertoire der Kämpfer. Wollt ihr Samurai Shodown tiefgründiger erkunden, müsst ihr jedoch sämtliche restlichen Gameplay-Elemente mit in eure Kampfstile einfließen lassen. Steckt ihr Treffer ein, füllt sich beispielsweise euer Wut-Balken. Diesen missbraucht ihr anschließend für eine Phase mit deutlich mehr Schaden oder haut eine besonders effektive Spezial-Attacke raus. Beendet ihr euren Kampf übrigens mit einer schweren oder Spezial-Attacke, zeigt sich das Spiel nicht unbedingt zimperlich, da ihr euer Gegenüber kurzerhand in zwei Teile haut – Autsch.

Haltet eure Waffe fest – Sonst ist sie weg

Ein weiterer positiver Nebeneffekt dieser Rage-Phase ist, dass ihr nicht entwaffnet werden könnt. Richtig gelesen, nach einem perfekten Block lässt sich der Gegner unter anderen entwaffnen. Das Mordwerkzeug fliegt danach Richtung Boden (Kann sogar vom Besitzer aus der Luft wieder gefangen werden) und verharrt dort. Nun wird es taktisch. Versucht der noch bewaffnete Gegner dann die feindliche Klinge zu blockieren? Oder nutzt man die Überlegenheit aus und setzt alles auf Angriff? Ihr merkt schon – Samurai Shodown hat im Grunde wenige Basis-Manöver, dafür umso mehr Sonder-Situationen. Dazu ist das Gameplay eher bedacht und endet selten in hektischen Schlagabtauschen oder wilder Springerei. Das zeigt sich auch in den generellen offensiven Aktionen des Spiels. Super lange Kombos und damit verbundene Daumen-Akrobatik sucht ihr vergebens. Hier gilt es eher die wenigen und simpleren Tasteneingaben und Aktionen sinnvoll und passend zu nutzen. So habe ich online einen Kampf gegen einen schweren Gegner gewonnen, indem ich nur pariert oder seine Angriffe mit kurzen schnellen Schlägen unterbrochen habe. Der Schlüssel zum Sieg liegt also im Abschätzen und Wissen der Stärke eurer eigenen Figur und der korrekten Positionierung zu eurem Gegner. Jeder Fehlschlag kann gekontert werden, weshalb ihr euch Angriffe gut überlegen und planen müsst. Wer wild auf seinen Gegner einschlägt, wird kein Land sehen – Es sei denn euer Gegenüber tut das selbe.

Der Umfang ist sehr traditionell

Zwei Modi habe ich euch während des Textes ja bereits verraten. Story und Online Geplänkel mit oder ohne Rang gehören natürlich 2019 zum guten Fighting-Game-Ton. Daneben gibt es jedoch leider nicht sonderlich viel zu entdecken. Klar, man kann sich in Galerien Konzeptzeichnungen und Story-Videos ansehen, aber an Spielmodi sieht es etwas düster aus. Im Dojo beweist ihr eure Schwertkunst in einer Art Survival-Modus. Die Online Duelle klappten trotz der frühen pre-Release-Phase schon ganz gut und ich hatte mit wenig Latenzproblemen zu kämpfen. Etwas innovativer kommt im Dojo der Modus gegen sogenannte “Ghosts” daher. Keine Sorge mit US-Amerikanischen Spezialkommandos hat das nichts zu tun. Ähnlich wie bei der Forza-Reihe sind die Ghosts hier Abbilder menschlicher Spieler. Das Spiel sammelt also eure Kampfdaten und versucht dann ein künstliches Abbild zu erschaffen. So kann man gegen “menschliche” Kontrahenten antreten, ohne sich seine Online-Statistik zu versauen.

Kunstvolle Optik nahe dem Celshading-Style

Optisch kann Samurai Shodown nicht mit den größeren Produkten im Genre mithalten, was es aufgrund des eher kleineren Budgets und Teams aber wohl auch nicht gewollt ist. Vom Stil hat man jedoch eine eigene Art Nische mit der Unreal Engine 4 gefunden. Die Kämpfer samt Hintergründen erscheinen ein wenig in Celshading, was an den markanten dicken schwarzen Outlines liegt, die eine tolle Symbiose mit den knalligen Farben ergibt. Ein viel schwerwiegenderes Problem stellen die sehr langen Ladezeiten zwischen den Kämpfen dar. Teilweise dauert es 30 bis 40 Sekunden bis ihr endlich die Schwerter in einem neuen Duell kreuzen dürft. Das zieht den Story-Modus daher ganz schön in die Länge und sägt auch ordentlich am Spielspaß.

Fazit

Samurai Shodown ist ein sehr traditioneller und klassischer Prügler im optisch neuem Gewand. Fans der Reihe und Freunde eher gemächlicher und taktischer Kampfspiele kommen hier voll auf ihre Kosten. Wer ein Street Fighter mit Schwertern erwartet, der wird eventuell enttäuscht werden. Button Mashing in der hoffnungsvollen Erwartung damit längere Kombos zu entfachen, bringt hier nämlich erst mal gar nichts. Für Solospieler ist darüberhinaus der Umfang vielleicht etwas knapp bemessen. Wer sich Online mit anderen “Samurai” messen möchte, sollte sich auf das etwas differenzierte Kampfsystem einlassen, sonst könnte diese Erfahrung schnell in Frust ausarten. Unterm Strich ist am Kampfsystem also nichts auszusetzen. Lediglich die Ladezeiten und der knappe Umfang für Solisten drücken aufs Gemüt.

Samurai Shodown
Grafik/Präsentation
80
Story/Atmosphäre
78
Gameplay
83
Spielspaß
79
Leserwertung11 Bewertungen
27
16 sehr unterschiedliche Kämpfer
taktisch anspruchsvolles Kampfsystem
spannende Duelle
japanisch Kunstvolle Optik
sehr hohe Ladezeiten
für Solisten wenig Kontent
80