Was ist eine Schneckenkatze (Slugcat)? Das bleibt auch nach längerem Spielen von Rain World ein Geheimnis, doch ist die Kreuzung aus Katze und Schneckenunterleib Protagonist des Metroidvania-Spiels Rain World, das neben dem Gameplay seiner Urväter Metroid und Castlevania vor allem mit einem heraus sticht: einem bockelharten Schwierigkeitsgrad. Der Platformer von den Entwicklern Videocult ist ein weiterer Emporkömmling aus der Indie-Gaming-Szene und erinnert beim ersten Spielen an ähnliche Vertreter einer Art neuen Genres, dass sich in den letzten Jahren erfolgreich etabliert hat: 2D-Sidecroller im schwarz-weißen eher düsteren Setting mit Puzzle-Elementen. Hervorzuheben sind hier Limbo oder letztens Typoman. Wiedererkennbare Merkmale sind neben dem minimalistischen Setting, eben solches Gameplay, Grafikset sowie wenig bis gar keine Story. Der Erfolg solcher Spiele scheint die Annahme zu bestätigen, dass Gamer neben Bombast AAA-Titeln auf dem Markt als Ausgleich gerne kleine, feine Indies spielen. Auch Rain World versucht den Sprung auf die Erfolgslinie, scheitert jedoch an vielen Hürden, die dem Spieler neben beschriebenen hohen Schwierigkeitsgrad das Abenteuer mit Slugcat vermiesen können.
Im Regen stehen gelassen
Das „World“ in Rain World kann zu falschen Vorstellungen führen, denn unsere Katzenschnecke befindet sich weniger in einer Welt, als vielmehr in kleinen, verwinkelten, tristen und dunklen Kammergängen, die sich irgendwo unter der Erde befinden. Gemäß dem Konzept „Weniger ist mehr“ gibt es zur Hintergrundgeschichte unseres Tierchens auch nicht viel zu sagen. Mittels Artwork erfahren wir in wenigen Szenen, wie Slugcat von seiner Familie getrennt wird, das Ziel ist es nun (welch Wunder), zu dieser zurück und nach Hause zu finden. Ebenso treu dem minimalistischen Muster erfährt der Spieler nach diesem kurzen Einstieg auch nichts weiter, keine Hilfestellung, kein Ziel oder andere Anhaltspunkte. Der Spieler ist frei – oder verloren – in einer 2D-Welt, in der er sich zurechtfinden muss. Zwei Spielelemente tragen nun das Spielgeschehen, einerseits der Regen, andererseits die Gegner.
Ersteres, der Regen, der auch titelgebend ist, kündigt sich jede Viertelstunde an und sorgt für Panik beim Spieler, da Slugcat warum auch immer empfindlich gegen Wassertropfen reagiert und eiligst eine kapselartige Kammer aufsuchen muss, da ihn sonst der Tod ereilt. Was zu Beginn einen Nervenkitzel auslöst, da der Regen erst langsam nieder tröpfelt und sich zunehmend mitsamt Donner verstärkt, während man eiligst zu einem Unterschlupf kriecht, entwickelt sich mehr und mehr zu Frust, da die Regenmomente das Spielgeschehen unterbrechen und man gezwungen ist, sich in Sicherheit zu begeben. Obendrein gebraucht es zum Schlafen gehen vorher noch ein Häppchen einzunehmen, sprich, Nahrung, die Slugcat zuvor finden und verspeisen muss. Diese Schlafphasen beinhalten neben dem Speichern auch noch einen weiteren Zweck. Jedes Mal, wenn Slugcat ins Reich der Träume abdriftet, entsteht im Spiel eine neue Phase, die Auswirkungen auf die Spielewelt hat. Simples Beispiel wäre ein verschlossenes Tor, das nach einmal Schlafen offen steht. Jedoch bedingt jede Ruhepause auch, dass man sich erneut auf Futtersuche begeben muss. Insgesamt gesehen hat Rain World viele derartige spielbeeinflussende Elemente integriert, was den Reiz auslöst, das Spiel zu erforschen, da man nicht weiß, was bei entsprechender Handlung geschehen kann. So kann das Werfen von Gegenständen an bestimmten Stellen Trigger auslösen, ebenso das Essen von einer speziellen Insektenart oder das Suchen von besonderen Artefakten. Allgemein gesehen bedeutet das Erkunden der Spielewelt ein Highlight des Games. Problem ist nur, dass dies alles lange Spielzeit erfordert und ähnlich der immer wiederkehrenden Regenfälle in zu vielen Frustmomenten mündet, da jeder Fehler oder ein falscher Sprung einen sofort zum letzten Speicherpunkt zurückwirft, mit dem Ergebnis, alles Erreichte verloren zu haben. Das mag manchen Spielern sogar gefallen, gerade denjenigen, die sich in Dark Souls pudelwohl fühlen. Mit Rain World hat man ein Spiel, das einem nicht alles vorgekaut vor die Nase serviert, sondern eine ordentliche Portion Geduld und Entdeckerlust erfordert, um das wahre Spielerlebnis zu erreichen. Wer sich jedoch wenig bis gar nicht für solch eine Spielart begeistern kann, wird schnell verärgert oder gelangweilt sein, denn Rain World ist kein Zuckerschlecken.
Zwischen Frust und Laune
Neben dem Erforschen der Welt und dem Versuch, dabei nicht zu sterben, um meilenweit zum letzten Checkpoint zurückgeworfen zu werden, fokussiert sich das Gameplay von Rain World hauptsächlich auf die Gegner und vor allem, wie man diese überwinden und austricksen kann. Denn jeder Gegnertyp verhält sich anders, hat Taktiken, die es gilt, zu studieren und kennen zu lernen. Leider ist dies grundsätzlich immer mit dem Tod oder gleich mehreren Toden des Spielers verbunden, da man eben nur durch Ausprobieren schlauer wird. Und jedes Mal darf man die ganze Wegstrecke zu den Gegnern erneut absolvieren. Oftmals ist der Spieler zudem gar nicht Schuld an seinem Ende. Den Frusthöhepunkt erreicht Rain World nämlich durch die unausgeglichene Steuerung. Träge und ungelenk ist die Handhabung der Katzenschnecke, zum Teil ist die Reaktion auch zu langsam, dass es nicht selten geschieht, dass man sich fluchend vor dem Bildschirm vorfindet. Ob es als Teil des Game-Designs beabsichtigt war, Slugcat namensgebend zu einem eher behäbigen Klops zu machen, der durch die Welt trottet und nur kleine Hopser hinkriegt, bleibt offen. Fakt bleibt, dass die Steuerung oft der Grund dafür ist, dass man wieder einmal am letzten Checkpoint aufwacht.
Man merkt, dass die Strapazierfähigkeit des Geduldsfadens bei Rain World arg gespannt ist und jeder Spieler muss sich selbst fragen, ob er gewillt ist, die Hälfte der Spielzeit damit zu verbringen, bekannte Strecken nochmal zu absolvieren, weil er wieder einmal gestorben ist. Jeder, der dafür bereit ist und sich nicht unterkriegen lässt, wird dafür aber mit einer wunderbaren 2D-Welt belohnt, die einiges an Überraschungen bereithält. Die Pixelwelt von Rain World ist in ihrem eigenen Stil gehalten und man merkt deutlich die Liebe zum Detail den Entwicklern an. Die Soundkulisse erfüllt ihren Zweck, ist aber eher rudimentär gehalten und funktionell, beispielsweise, wenn es gilt, einen nahenden Gegner auszumachen.
Fazit
Rain World will anders sein, schafft dies auch durch seinen eigenen Grafikstil, seiner liebevoll gestalteten Pixelwelt und vor allem durch seinen immensen Schwierigkeitsgrad, verbunden mit wutgeladenen Frustmomenten. Jede falsche Bewegung – dank der behäbigen Steuerung gang und gäbe – sowie jeder neue Gegner führt zum Tod, sodass die Reise komplett vom Neuen am letzten Checkpoint beginnt. Wer jedoch ein Dark Souls als 2D-Scroller sucht und bereit ist, sich stundenlang mit dem Erkunden einer Welt zu beschäftigen, mit ständiger Gewissheit gleich sterben zu können, der wird seinen Anreiz an Slugcats-Abenteuern finden. Somit ist Rain World neue Ware für Hardcore-Gamer, Casual-Gamer werden wahrscheinlich schnell genervt das Weite suchen.