Planet Coaster Console Edition im Test – Theme Park 2020

In diesem Jahr hat die Pandemie viele getroffen, auch Vergnügungsparks und ihre Liebhaber. Planet Coaster möchte diese Lücke füllen und uns in alter Theme Park-Tradition die Achterbahnen zurückbringen, die wir in diesen Zeiten so sehr vermissen. Ursprünglich für den PC im Jahr 2016 veröffentlicht, kommt der Titel nun als Konsolenversion auf die PlayStation und Xbox.

Das eigene Phantasialand

Planet Coaster kommt als moderne Version der Sims mit dem skurrilen Charme des Bullfrog-Klassikers, aber mit weitaus mehr Tiefe. Wie bei jedem PC-Titel ist die große Frage nicht so sehr, ob es ein gutes Spiel ist, sondern ob der Übergang zur Konsole reibungslos verläuft.

Wobei der Vergleich mit Theme Park nicht ganz passt; Hauptattraktion sind hier nämlich die Achterbahnen. Also ist Planet Coaster eher mit Rollercoaster Tycoon vergleichbar.  Auch hier gibt es eine Menge vorgefertigter Bahnen, wir können allerdings auch unsere eigene Achterbahn von Grund auf neu erstellen. Dabei dürfen wir aber nicht übertreiben: Angst, Aufregung und Übelkeit sind Faktoren, die wir bei der Gestaltung eines Spiels oder einer Attraktion kontrollieren müssen. Wenn wir es in einer dieser Kategorien zu wild treiben, wird das Einfluss darauf haben, ob Menschen unseren Park bevorzugen oder nicht.

Allerdings ist es nur mit Achterbahnen und sonstigen Attraktionen nicht getan: Wenn wir unsere Kunden zufrieden stellen wollen, müssen wir auch Dienstleistungen anbieten. Geschäfte, Restaurants, Toiletten, Erste Hilfe, Papierkörbe, Geldautomaten, Badezimmer, dekorative Elemente. Die zahlreichen Bedürfnisse der zahlenden Kundschaft werden uns lange beschäftigen, wenn unsere Achterbahn schon lange fertig ist. Auch das Personal muss sich wohlfühlen. Dies ist für den Betrieb unseres Parks von entscheidender Bedeutung. Das Mikromanagement erstreckt sich hier auf die Gestaltung von Arbeitsplänen, Lohnverhandlungen und auch genügend Ruhegebäuden, in denen die Angestellten pausieren können. Falls wir in den vorgegebenen Gebäuden nichts Schickes finden, können wir auch einfach selber welche entwickeln: Um die Verkaufseinheit des Hotdog-Standes kann beispielsweise mit individuell angepassten Bauelementen ein Stand entstehen, der so schön ist, dass die Kunden nirgendwo anders mehr kaufen wollen. Hier kann man sich stundenlang in den Menüs verlieren und bastelt mehr oder weniger sinnvoll am perfekten Getränkestand herum.

Wie auf dem PC bietet der Titel eine großzügige Kampagne, Herausforderungen oder einen endlosen Sandbox-Modus. Bei den Herausforderungen übernehmen wir bereits begonnene Vergnügungsparks und müssen bestimmte Ziele innerhalb eines bestimmten Zeitraums erreichen. Dies kann eine besonders große Geldsumme, ein gewisses Maß an Kundenzufriedenheit oder sonstwas sein. Im Allgemeinen ist das Ausmaß der Herausforderungen jedoch nicht überwältigend. Im Sandbox-Modus suchen wir eine konkrete Landschaft und starten die Karriere als Manager eines Vergnügungsparks von Grund auf neu. Es wird keine Eile geben und es werden auch keine besonderen Ziele zu beachten sein: Einfach der Fantasie folgen und alle Möglichkeiten nutzen. Zudem gibt es einen Online-Workshop, in dem ganze Parks, umgestaltete Attraktionen und usergenerierte Gebäude runtergeladen werden können – der Nachschub flaut nicht ab.

Bleibt die Frage: Warum braucht man ein solches für Maus und Tastatur prädestiniertes Spiel auf der Konsole? Das Original auf dem PC hatte zum Ziel, den bestmöglichen Park zu bauen. Das artete schnell in Arbeit aus. Aber das gleiche Spiel faul auf dem Sofa fläzend zu spielen, lässt einen in der Menge der Parkbesucher fast verlieren. Und ich dokterte an Gebäudewänden und optimaler Wegeführung stundenlang herum, bis ich und die Besucher glücklich waren. Es war teilweise eine fast meditative Beschäftigung, die einzig und allein nur von der völlig überladenen und komplexen Joypadbelegung getrübt wurde. Aber wie will man ein klassisches Maus-und-Tastatur-Spiel auch sinnvoller auf Konsole kriegen? Das muss ja schon fast hakelig werden. Und so ist die Navigation durch die verschachtelten Menüs mit der futzelig kleinen Schriftgröße nicht immer ein so großes Vergnügen wie die Fahrt auf der gerade selbst gebauten Achterbahn. Die kann man aus Kundenperspektive bestreiten, aber dann ruckelt es zwischendurch arg.

Kein Spiel fürs Joypad

Die meisten Unsauberkeiten von Planet Coaster sind daher auf Prozesse zurückzuführen, die sich nicht ganz auf den DualShock 4 übertragen lassen. Am schlimmsten kommt dabei leider eine der Kernmechaniken des Spiels weg: Das Achterbahn-Erstellungssystem. Hier ging die meiste Zeit drauf, und das leider nicht, weil es unterhaltsam ist. Es macht wirklich großen Spaß, jede Kurve zu entwerfen und dabei die Angst, Aufregung und Übelkeit zu berücksichtigen, die beim Kunden verursacht werden. Sehr befriedigend, den perfekten Nervenkitzel zu schaffen! Dafür kann eine Testumgebung genutzt werden, in der keine Kosten anfallen, und nach Herzenslust experimentiert werden kann. Es gibt sogar ein eigenes Schritt-für-Schritt-Tutorial, das zum Experimentieren mit einer Vielzahl von Bauteilen anregt. Während sich so viele der erstellten Parks wie das Zusammenfügen von Vorlagen anfühlen, verleiht die eigene Achterbahn als Hauptattraktion Ihrem Park einen Stempel der Individualität. Der Nachteil ist, dass die Feinabstimmung der Achterbahnen wirklich nicht zum DualShock 4 passt. Das Optimieren einzelner Teile ist unnötig umständlich und frustrierend, insbesondere wenn der richtige Winkel gesucht wird, um sicherzustellen, dass Ihre Gäste nicht massenhaft durch die Gegend fliegen. Hier sind Maus und Tastatur dem Joypad leider in jeder Hinsicht überlegen.

Die KI ist insgesamt leider nicht die Cleverste. Müde Arbeiter sind vor lauter Erschöpfung zu doof, um den Weg zum Ruhegebäude zu finden. Hungrige Kunden finden die Fressstände um die Ecke nicht. Das Wegebausystem ist unnötig aufwendig und in Verbindung mit dem Joypad geradezu furchtbar fummelig. Aus grafischer und technischer Sicht ist die Produktion allerdings mehr als zufriedenstellend. Wunderschön ausgeleuchtete Tag-/Nachtwechsel, eine stimmungsvolle und bunte 3D-Grafik sowie Detailverliebtheit auch in den höchsten Zoomstufen. Jim Guthrie und JJ Ipsen haben dazu einen herrlich atmosphärischen, entspannenden Soundtrack komponiert, der wie das Titelstück oft genug zum entspannten Mitpfeifen einlädt. Und oft genug schweben die Stunden dahin, weil im Hintergrund die gezupften Gitarren und dezenten Choräle die totale Entschleunigung fördern.

Fazit

Einen Vergnügungspark von Grund auf neu gestalten, zu sehen, wie er wächst, auszubauen, neue Besucher anlocken und das Personal bei Laune zu halten – Wirtschaftskapitäne haben auf der Konsole genug zu tun. Klar, die Steuerung hat ihre Macken und kann mit dem PC nicht mithalten. Doch insgesamt ist Planet Coaster eine sehr gute Umsetzung geworden. Der Sims-Charme blieb erhalten, technisch ist das alles angemessen und besonders sticht die tolle Musik heraus. Jetzt im Winter sind solche Spiele ohnehin das Richtige: Wenn es draußen schon zappenduster ist und klirre kalt, verbringt man den Abend damit, neue Popcornbuden zu designen und die Warteschlangenlängen zu optimieren. Am besten noch einen Glühwein dazu.

Planet Coaster Console Edition
Grafik/Präsentation
74
Story/Atmosphäre
84
Gameplay
59
Spielspaß
82
Leserwertung42 Bewertungen
55
Zeitfresser
Charme des Originals behalten
wunderschöne Begleitmusik
teils grauenhafte Joypadsteuerung
KI-gesteuerte Figuren mitunter strunzdumm
75