Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs im Test – Ein Nerd wird König

Bunt, japanisch kreativ und einfach irgendwie niedlich sind so die ersten Gedanken die man zwangsläufig hat, wenn man Bilder zu Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs zu Gesicht bekommt. Das war bereits beim Erstling (Ni No Kuni: Der Fluch der weißen Königin) so, der 2011 den japanischen Markt im Sturm eroberte und erst 2013 durch Bandai Namco Games auch seinen Weg nach Europa fand. Das Spiel entstand mit freundlicher Unterstützung von Studio Ghibli beim japanischen Entwickler Level-5. Die Ähnlichkeiten zu den filmischen Werken der Ghiblischen Traditionsschmiede fallen einem sofort ins Auge, zeigte sich eben auch jenes Studio für die gesamte Entstehung von Grafik und Animationen verantwortlich. Auf der PlayStation Experience 2015 wurde schließlich der langerwartete Nachfolger angekündigt. Nun, sieben bzw. fünf Jahre nach dem Erstling steht die Fortsetzung vor der Ladentüre und beendet die lange Wartezeit bei Fans weltweit. Ich habe mich für euch, trotz meiner eigentlich gegensätzlichen Vorliebe für westliche Actionspiele, auf eine lange und sehr japanische Reise begeben. Taugt Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs zum Thronanwärter oder nur zum Hofnarren? In unserem Test erfahrt ihr die Antwort.

Rattenplage in Katzbuckel

Thematisch bedient sich der Titel wie sein Vorgänger wieder an der eher ungewöhnlichen Verknüpfung zweier unterschiedlicher Welten. In der Haut von Roland geratet ihr, als junge Version des amtierenden US-Präsidenten, sehr unvermittelt durch eine Art Wurmloch in das königliche Gemach von Evan, Thronfolger von Katzbuckel. Der junge Miez (Eine Mischrasse aus Katze und Mensch) Evan steht nach dem Tod seines Vaters kurz vor der Ernennung zum König des Landes Katzbuckel. Nach eurer überraschenden Ankunft ertönt alsbald eine Explosion, die einen erfolgreichen Putsch einleitet und die Feierlichkeiten mitsamt jeglichen königlichen Plänen für Evans Amtszeit beendet. Verantwortlich für diese strikte Änderung der Königslinie ist der fiese Mauß (Eine Mischrasse aus Maus/Ratte und Mensch) Ratoleon. Seine Handlanger die Mauß-Wachen, angeführt vom gefürchteten schwarzen Ritter, haben zudem den Auftrag, Evan über die bei Katzen äußerst unbeliebte Regenbogenbrücke zu schicken. So bleibt den beiden Fremden nicht viel übrig, als sich zusammenzuschließen um gemeinsam lebend aus dem Schloss zu entkommen. Wie ihr euch sicher denken könnt, gelingt den beiden neuen Freunden die Flucht, was sie schließlich auf ihre lange und spannende Reise bringen wird. Statt nämlich den Kopf ins Katzenstreu zu stecken, fasst der betrogene Thronanwärter spontan den Plan, selber ein neues Königreich zu gründen, in dem alle Bewohner friedlich zusammenleben und glücklich werden sollen. Ganz schön anspruchsvolle Ambitionen für unseren jungen und entmachteten Freund.

Eine tolle Geschichte trotz Erzählstrukturen aus den Neunzigern

Wie eingangs erwähnt bin ich eigentlich mit der Rollenspielkunst aus Fernost dieser Tage nicht mehr sonderlich bewandert oder vertraut. Damals aber, zu Zeiten des Super Nintendo bis zu Segas seeligem Konsolenabschiedsgeschenk, dem Dreamcast, versenkte ich hunderte Stunden in die asiatischen Kulleraugen-Zeitfresser. 2018 schafft es ein Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs mit seiner eigentlich plumpen Geschichte, mich trotzdem wieder nach recht kurzer Zeit in seinen Bann zu ziehen. Dabei ist es vor allem die Atmosphäre und der spezielle japanische Charme, der nach wie vor einfach funktioniert. Die Darstellung der Reise von Evan zum König ist zwar sehr einfach und geradezu kindlich erzählt, was vor allem aber entsprechende Zielgruppe nicht weiter stören wird. Leute mit keinen allzu hohen japanophilen Vorlieben, könnte dieser Aspekt jedoch etwas abschrecken, wenn dies nicht bereits nach Sichtung der Screenshots geschehen ist. Studio Ghibli durfte bei der Entwicklung des Spiels dieses Mal nicht mitwerkeln (außer ein paar abgeworbene Grafiker). Der famosen und traumhaften Optik merkt man das Fehlen des Kult-Animationsstudios jedenfalls nicht an. Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs lässt sich vom Artdesign und der Erzählstruktur am ehesten mit einem Disney-Film vergleichen, welche trotz ihrer kindgerechten Optik auch viele erwachsene Fans begeistern.

Echtzeit-Gekloppe statt oldschool Rundenbasierter Plänkeleien

Bei der Gründung eines neuen Königreichs kommt es selbstverständlich auch zu einigen Auseinandersetzungen, bei denen sich Kämpfe nicht vermeiden lassen. Jene finden in Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs in Echtzeit statt. Zugegebenermaßen bin ich auch 2018 noch ein Fan der schönen alten rundenbasierten Kampfsequenzen, aber sei es drum, das Leben ist schließich kein Wunschkonzert. In den Kämpfen übernehmt ihr die Kontrolle eines eurer Partymitglieder (Ihr könnt das Mitglied jederzeit wechseln) und steuert es aus der Third Person Perspektive über das abgegrenzte Schlachtfeld. Im dynamischen Hack and Slay-Style teilt ihr nun Nah- wie Fernkampfangriffe, Zaubersprüche und Spezialangriffe aus. Im direkten Duell Mann gegen Monster stehen euch flinke, leichte und eher träge, härtere Attacken zur Verfügung. Feindliche Angriffe lassen sich mit dem Schwert blocken, was jedoch nicht den gesamten Schaden absorbiert wodurch ihr dennoch ein paar Lebenspunkte abdrücken müsst. Mehr Skill in Form von Timing erfordert das Ausweichen, was euch bei erfolgreicher Ausführung dafür aber schadlos an eurem Widersacher vorbei hechten lässt. Fernkämpfer halten am besten entsprechend Abstand und beharken ihre Ziele aus der sicheren Entfernung. Zaubersprüche wie mächtige Spezialangriffe aktiviert ihr, in dem ihr die rechte Schultertaste gedrückt haltet, wodurch sich ein extra Tastenfeld mit der entsprechenden Belegung der Fertigkeiten öffnet. Diese kosten allerdings Magiepunkte, welche sich im Kampf mit der Zeit permanent regenieren.

Kleine Helferlein – Die Gnuffis

Als weitere Unterstützung im Kampf dienen eurer dreiköpfigen Kampftruppe putzige kleine Fabelwesen, Gnuffis genannt. Diese bunten gnomenartigen Männchen wuseln mit euch im Kampf herum und unterstützen die Truppe mit Schildern, Heilung oder extra Schaden an Feinden. Währenddessen versuchen sie zudem permanent, eine Art Formation zu finden. Istes ihnen gelungen, aktiviert ihr spezielle Fertigkeiten wie Heilfelder oder Kanonenbeschuss, welche sich nach dem Element richtet, dem der Gnuffi angehört. Das Kampfsystem selber ist in seiner Komplexität ziemlich überschaubar. Gegen die sehr hochfrequente Anzahl von Standardfeinden reicht plumpes Draufschlagen, um das Scharmützel in wenigen Sekunden für euch zu entscheiden. Durch die häufigen Kämpfe samt der jeweils kurzen Ladezeit mitsamt Siegeranimation fühlte ich mich immer etwas aus dem Spielfluss gerissen, da man alle Rohstoffe nach dem Kampf manuell einsammeln muss. Für meinen persönlichen Geschmack, wären weniger, dafür intensivere und anspruchsvollere Kämpfe die bessere Wahl gewesen. Zumindest einzelne stärkere Monster oder Bossgegner verlangen etwas mehr als seichtes Gekloppe. Hier will auch mal eine Taktik erdacht, ein Item verbraucht oder sogar die Ausrüstung entsprechend angepasst werden. Neben dem Kampfsystem hat man ausserdem auch die teilweise lästigen Reisezeiten arg beschnitten. Über die Karten verteilt, finden sich zahlreiche Schnellreisepunkte, die ihr nach erstmaliger Aufdeckung nach freiem Gusto beliebig nutzen dürft.

 

Erschaffe dein eigenes Königreich

Bei diesem Satz muss ich zuerst an von Bastian Schweinsteiger beworbene free to play Handyspiele denken. In Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs ist es eben auch euer hochgestecktes Ziel ein neues Land zu erschaffen. Dazu bedient man sich im Hause Level-5 einiger Strategiespiel-Elemente. Neben den normalen Action-Kämpfen müsst ihr für euer Königreich auch immer wieder größere Schlachten schlagen. Hierbei befehligt ihr mehrere Einheiten, die ihr über eine Oberflächen-Landkarte steuert. Nach dem Stein-Schere-Papier-Prinzip setzt ihr eure Einheiten gegen möglichst unterlegene Truppen ein, um diese rasch zu besiegen. Auch in diesen Taktik-Kämpfen habt ihr kleinere Auflockerungen wie Spezialangrife (Bombenteppiche oder Gegner-Blendungen) oder kurzzeitige Sturmangriffe. Seid ihr grade nicht mit einer der zahlreichen Quests beschäftigt, widmet ihr euch als König dem Wachstum und Gedeihen eures Reiches. In bester Sim City-Manier baut ihr zahlreiche Gebäude, um so an Einfluss zu gewinnen. Ihr errichtet klischeemäßig Schmieden zur Waffenherstellung, Kasernen zur Verbesserungen der Truppen oder Labore zur Entwicklung neuer Items oder Zauber. Damit euer Königreich zu einem einflussreichen Land wird müsst ihr allerdings allerhand talentierte Leute überzeugen, bei euch sesshaft zur werden. Diese bestehen aus Gruppenmitgliedern und deren Freunden oder aus Fremden, die ihr in einer Sidequest für eure Sache gewinnen wollt.

Questsystem leider noch aus den Neunzigern

 

Vielleicht extra typisch für das Genre, jedoch mitunter keine sehr spielspaßfördernde Angelegenheit stellen die Sidequests dar. Jeder neue potentielle Bewohner will in einer sogenannten Fetch-Quest erst einmal überzeugt werden, euch zu unterstützen. Dann heißt es, als waschechter König die banalsten Dinge für Schneiderlehrlinge oder Hobby-Gärtner zu erledigen. Entweder verlangt der anspruchsvolle Bürger nach Summe X von Random-Item Y oder ihr müsst als Beweis eurer Ernsthaftigkeit eine feste Anzahl bestimmter Feinde erledigen. Alles in allem wirken diese niveaulosen Aufgaben völlig veraltet und haben als Sinn wohl einfach nur, die Spielzeit etwas zu strecken. Zumindest etwas kreativer sind da die Hauptaufgaben, die es mit Evan, Roland und Co zu erledigen gilt. Jede Quest offenbart nach kurzer Zeit eine eigene kleine Geschichte, die es in der Regel wert ist verfolgt zu werden. Ideenreiche Wendungen oder gar freie Entscheidungen werden euch hier zwar auch nicht präsentiert, dafür aber eben jene charmanten und lustigen Hintergrundgeschichten. Insgesamt fühlt sich der Titel einfach abwechslungsreich an, da euch immer wieder speziellere Abschnitte aus dem tristen Alltag holen. Mal stellt euch das Spiel vor Schach-ähnliche Strategie Rätsel und mal müsst ihr unverhofft eure Truppen zur Landesverteidigung führen. Dies alles in Kombination mit einer kleinen Aufbau-Simulation machen Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs zu mehr als nur einem normalen JRPG.

 

Charme statt hochglänzendes Effektgewitter

Wie man unschwer auf den Bildern erkennen kann, zählt zu den eindrucksvollen Stärken des Spiels die hervorragende Optik. Diese protzt zwar nicht mit hochauflösenden Texturen oder rechenintensiven Effekten, überzeugt aber vom ersten Moment einfach mit ihrer Schönheit. Das verträumte und kreative Design der Charaktere aller verschiedenster Rassen, die tollen intensiven Farbspiele oder der absolut cleane Zeichentrick-Look – alles wirkt perfekt aufeinander abgestimmt. In den Zwischensqequenzen guckt ihr im Grunde einen Anime und in Gebieten wie Städten oder Dungeons fällt der Qualitätsunterschied kaum auf. Der gesamte Look des Spiels ist einfach sehr sauber und scharf. Die Oberwelt oder auch die Heer-Schlachten fallen in der Optik etwas ab, was jedoch durch die etwas niedliche “Wackeldackel” Stilrichtung gut kaschiert wird. In einigen Gebieten kommt die Kamera zudem etwas ins Stocken, wenn ihr sie schnell drehen wollt – Schwamm drüber. Für die musikalische Untermalung des Abenteuers schwang erneut der japanische Starkomponist Joe Hisaishi den virtuellen Dirigentenstock. Der Soundtrack selber ist für mich etwas durchwachsen. Während viele der Stücke in Sequenzen pompös die Geschichte untermalen, nerven einige Melodien in Städten oder bestimmten Gebieten nach kurzer Zeit irgendwie erheblich. Teilweise wiederholt sich das Gedudel einfach zu schnell und ist dabei auch oft nicht so schön anzuhören (Stichwort Goldorado). Man könnte es wohl als negative Ohrwürmer bezeichnen. Audiovisuell spielt Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs trotzdem in der ersten Liga und muss sich vor Grafikbrettern aus dem Westen nicht verstecken. Für Fans authentischer Japan-Abenteuer noch die interessante Information, dass ihr im Hauptmenü zwischen englischer (guter) Synchro oder der original japanischen Tonspur wählen dürft.

Fazit

Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs hat mich nach anfänglicher Skepsis und fast schon Ehrfurcht sehr schnell vom Gegenteil überzeugen können. Bunte japanische Rollenspiel-Erfahrungen habe ich selber aktiv lange Zeit nicht mehr erlebt. Ich dachte, dass wir uns über die Jahre einfach auseinander gelebt hätten. Nun wurde ich eines besseren belehrt. Trotz der kleineren Mängel in der Spielmechanik, habe ich mich auf jede Session an der PlayStation 4 mehr und mehr gefreut. Klar, das veraltete Quest-System könnte eine Modernisierung vertragen. Auch das Kampfystem bietet bis auf einige Ausnahmen bestimmter Gegner nicht unbedingt Tiefe oder Rafinesse und die Geschichte rund um Evan und seinen Freunden ist sehr kindlich naiv erzählt. Dennoch hat Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs das gewisse Etwas, was sogar einem Baller-Fanatiker wie mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Die Kaufentscheidung der eigentlichen Zielgruppe kann ich definitiv hiermit bestärken, ihr werdet die 60 Euro, trotz seichterem Kampfsystem und Fetch-Quests sicher nicht bereuen. Interessanter ist der Titel vielleicht aber für Genrefremde Spieler. Entflieht ruhig mal dem brau-graunen Action-Alltag und nehmt euch etwas Zeit für Farbe, Fantasie und Freude. Davon hat Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs nämlich mehr als genug.

Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs
Grafik/Präsentation
92
Story/Atmosphäre
86
Gameplay
82
Spielspaß
90
Leserwertung5 Bewertungen
34
88