Need For Speed Payback im Test – Außen Aventador, innen Prius

Payback ist der 24. Teil der seit 1994 etablierten Rennspielserie. Nach dem durchwachsenen 2015er Need For Speed will dessen Entwickler Ghost Games, der sich auch 2013 für Need For Speed Rivals verantwortlich zeichnete, mit Need For Speed Payback alles besser machen. Kann der Arcade-Racer endlich das unter Fans bis heute ungeschlagene Need For Speed Underground 2 von 2004 toppen?

Ziemlich Fast & Furious

Der Gameplay-Trailer deutete es schon an. Dort war zu sehen, wie eine Truppe Straßenräuber einen LKW entert und aus dessen Ladefläche plötzlich ein Koenigsegg Regera herausbricht. Action im besten Fast & Furious-Stil, die gleich mal eine ordentliche Erwartungshaltung provozierte. Dieses Action-Niveau kann Need For Speed Payback über die gesamte Spieldauer nicht halten, gleichwohl ist die Orientierung an der erfolgreichen Hollywood-Spielfilmreihe klar ersichtlich. Die Story des Spiels versetzt den Spieler in die Alter Egos einer Crew aus Streetracern, die anfangs im Kundenauftrag mit eben einem solchen Koenigsegg Regera ein Straßenrennen gewinnen sollen. Sie brechen jedoch mit dem zwei Millionen Euro teuren Auto aus der Strecke aus und entführen die Kiste. Leider legt eines der vier Crewmitglieder den Rest aufs Kreuz und macht sich mit dem Schlitten vom Acker, um sich gleich einer geheimnisvollen Racing-Vereinigung namens „The House“ anzuschließen.

Ziel des Spiels? Rache. Der Rest der Crew muss sich von ganz unten wieder nach oben hocharbeiten, um schließlich „The House“ mal zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat.

Das ist schon alles – leider von Ghost Games lieblos und langweilig umgesetzt. Die Hauptcharaktere sind allesamt dröge, klischeebeladen und uninteressant, die Dialoge hölzern bis unglaubwürdig und die Story selbst dient merklich nur als bemühtes Konstrukt, um irgendwie die zahlreichen Missionen aneinander zu schnüren. Positiv: nach einigen Schnitzern mit Realfilmsequenzen kehrt Need For Speed Payback wieder zu Zwischensequenzen mit Ingame-Grafik zurück. Das macht die mauen Drehbücher nicht spannender, schont aber zumindest die Augen.

Der Zweitplatzierte ist der erste Verlierer

Der eigentliche Spielablauf ist klar gegliedert. Nach ein wenig Geplänkel und Einführungsmissionen werdet Ihr in die offene Welt vom fiktiven Fortune Valley entlassen. Das ist dem realen Las Vegas nachempfunden, inklusive Zockermetropole im Zentrum, drumherum viel Wüste und etwas Wald sowie der Heimatbasis der Racer-Crew, dem Airfield. Ein Flugplatz in der Wüste um Las Vegas? Da fühlen sich Actionfilmveteranen gleich an das Lerner Flugfeld aus dem legendären Con Air erinnert. Also – Popkultur-Referenz: Check. Den Job hat Ghost Games erledigt.

Leider nicht erledigt haben die Entwickler das Missionsdesign. Einmal in der offenen Welt angekommen, klappert Ihr Meisterschaft um Meisterschaft ab, um Eure Reputation in der Racer-Szene wiederherzustellen und um genügend Cash zu machen. Mehr Geld bedeutet neue Autos mit dickeren Motoren. Das Prinzip ist bekannt.

Die Meisterschaften teilen sich in verschiedene Renndisziplinen auf: Straßenrennen, Drift, Offroad, Drag… da gibt’s einiges zu fahren, und Ihr müsst überall durch. Denn Meisterschaften gewinnt nur, wer alle Einzelrennen einer Meisterschaft gewinnt. Es muss ausnahmslos jedes Rennen mit dem Sieg beendet werden, ansonsten ist ein neuer Versuch angesagt. Dabei kann sich der Spieler nicht auf einer Disziplin spezialisieren, wer also keine große Affinität zu Drag-Rennen verspürt, hat Pech gehabt – nur der Sieg zählt. Dementsprechend ist der Erfolg bei diesen Meisterschaften auch hauptsächlich vom Leistungsindex des eigenen Fahrzeugs abhängig. Wer zu deutlich unter dem angegebenen Mindestindex liegt, sieht im Rennen nur Rückleuchten.

Abwechslung versprechen die Blockbuster-Missionen. In denen geht’s dann endlich mal richtig wie in Fast & Furious zur Sache, siehe oben das Beispiel mit dem zu enternden LKW. Leider wurde auch hier viel Potenzial verschenkt: An den entscheidenden Stellen wechselt das Spiel dann einfach in eine geskriptete Automatik und lässt den Spieler nur passiv zugucken. Anstatt das Auto neben den fahrenden LKW zu steuern und die Geschwindigkeit so zu halten, dass der Beifahrer während der Fahrt vom Autodach die LKW-Plane hochklettern kann, muss nur das Auto mit Vollgas neben den LKW gesteuert werden – der Rest läuft dann automatisch ab. Zudem gibt es von den Blockbuster-Missionen einfach zu wenige. Die versprechen dann mal ein wenig Abwechslung im öden Meisterschafts-Alltag, mehr als eine Handvoll wird dem Spieler davon aber nicht gegönnt.

Wer abseits der Renn-Events Geld machen möchte, kann in der offenen Spielwelt nach weiteren Zielen suchen. Insgesamt gibt es 30 Plakatwände zu zerstören (siehe Burnout Paradise), Geschwindigkeitsrekorde in Radarfallen aufzustellen (Forza Horizon), Sprungschanzen zu nutzen oder zwischen zwei Punkten eine Mindest-Durchschnittsgeschwindigkeit zu übertreffen. Anders als bei der Konkurrenz sind diese Nebenmissionen aber überhaupt nicht ins Spielgeschehen eingestrickt, sondern einfach lieblos dahingeklatscht.

Fröhliches Kartenspielen

Story eher mau, Missionsdesign öde… große Hoffnung steckt da im Tuningmodus, seit jeher ein Steckenpferd der Need For Speed-Spiele. Das Leistungstuning wird mit sogenannten Speed-Karten durchgeführt, von dem Ihr nach jedem gewonnenen Rennen eine zufällige bekommt. In sechs Kategorien kann durch den Einsatz einer Karte die Leistung in der entsprechenden Kategorie verbessert werden – werden genügend Karten eines bestimmten Herstellers „verbaut“, winken sogar Boni. Eine gewisse Motivation steckt drin, besonders, wenn man eines der in der Spielwelt verstreuten Autowracks findet – diese verrosteten Karossen müssen komplett von Null bis zum Hypercar aufgebaut werden. Hier bekommt die Kartenspielerei gar einen leichten Rollenspiel-Touch. Diese Karten kann man auch in den Tuning-Shops kaufen, dort wechselt das Angebot allerdings nur alle 20 Echtzeit-Minuten. Wer also gerade nix findet, muss warten und später nochmal rein.

Zudem lassen sich erspielte Karten nur in das Auto einbauen, mit dem sie errungen wurden. Selbst das Parken der Karte in der Basis erlaubt es nicht, eine mit Auto 1 erspielte Karte in Auto 2 einzusetzen. Und wer seinen Boliden in mühevoller Kleinarbeit auf Leistungsindex 200 hochgezogen hat, der sollte sich den Kauf des neu beim Händler eingestellten Porsche-Modells gut überlegen – das fängt dann nämlich wieder bei Leistung 140 und alles wieder von vorne an.

Da hilft dann nur, bereits durchgespielte Missionen immer und immer wieder durchzuspielen. Das ist Grinden in Reinkultur – es sei denn, man greift zum Geldbeutel und kauft sich ein paar Lootboxen unbekannten Inhalts, von dem man hofft, er möge dem neuen Fahrzeug nützen. Dabei sollte man an anderer Stelle sparsam sein: Wer im Spiel ein 10-15 Fahrminuten entferntes Ziel erreichen will, ohne ewig durch die langweilige Spielwelt zu gurken, darf 500 Ingame-Dollar investieren. Die fehlen dann wieder beim Tuning, und so weiter.

Optik-Tuning ist übrigens möglich, im Spiel aber in jeder Hinsicht vollkommen nutzlos.

Frostbite ohne Biss

Technisch läuft Need For Speed Payback mit der Frostbite-Engine unter der Haube. Das sieht in der Summe wirklich hübsch aus und produziert einige wirklich gelungene Lichteffekte, im Vergleich zu einem Gran Turismo Sport steht Need For Speed Payback grafisch aber auf verlorenem Posten. Akustisch ist ebenfalls noch Luft nach oben: Die Fahrzeuge klingen mitunter arg nach Rasenmäher, zudem nervt es schnell, dass die Charaktere in der belanglosen Story pausenlos herumplappern. Sollte man ins Visier der Polizei geraten, wird der Polizeifunk über den Lautsprecher des PS4-Controllers ausgegeben. Ein netter Gag, von dem man mangels Polizeipräsenz in der nahezu leeren Spielwelt aber nicht viel hat.

Dem aktuellen Stand der Technik entspricht das Spiel dann doch, Glanzleistungen bleiben aber ganz aus. Dazu kommen nervige Fehler wie ins Bild ploppende Texturen, die vermuten lassen, dass die Entwickler die Engine nicht ganz im Griff hatten.

Fazit

Es hätte so schön sein können – doch Need For Speed Payback leistet sich unterm Strich zu viele grundlegende Fehler im Spieldesign. Das ewig gleiche Abfahren von Meisterschaftsrennen langweilt irgendwann, zumal die merkwürdig menschenleere Spielwelt kaum Abwechslung zu bieten hat. Die Story ist nett gemeint, aber belanglos. Das Tuning ist durch den Fokus auf eine rein zufallsbasierte Vergabelogik von Tuningbauteilen zur Farce verkommen. Warum darf ich mit meinem Offroader, der grandiose Racing-Werte aufweist, keine Straßenrennen fahren, sondern muss ein separates Fahrzeug aufbauen? So sind Mikrotransaktionen reine Geldmacherei. Schade: Das Arcade-Spielgefühl passt, das Geschwindigkeitsgefühl ist gut und die Drifts (wie auf Schienen!) machen einfach Laune. Aber ohne Langzeitmotivation ist das leider nichts wert. Nicht nur gegen Forza Horizon 3 hat dieses Need For Speed verloren – unterm Strich bleibt eine der großen Enttäuschungen im Spielejahr 2017.

Need For Speed Payback
Grafik/Präsentation
70
Story/Atmosphäre
41
Gameplay
69
Spielspaß
64
Leserwertung1 Bewertung
15
61