Als Need For Speed: Hot Pursuit vor zehn Jahren erschien, belebte Criterion das Need For Speed-Franchise. Das Konzept aus Need For Speed III: Hot Pursuit wurde mit Criterions beliebten Burnout-Franchise gekreuzt, heraus kam ein Arcade-Racer gehobener Klasse. Von der Need For Speed-Fanszene wurde der Titel mit Wohlwollen aufgenommen. Es sollte der letzte Titel der Reihe bleiben, der die Fans mehrheitlich überzeugen konnte.
Ein Remaster, das niemand wollte
Nach den durchaus debakulösen Titeln der letzten Jahre wurden dann auch unter den Fans die Rufe lauter, ein Remake eines der beliebtesten Serienteile zu veröffentlichen. Most Wanted? Porsche? Underground 2? Als EA dann tatsächlich ein Need For Speed-Remake ankündigte, schlugen die Fanherzen schneller – nur, um wieder enttäuscht zu werden: EA schaffte es tatsächlich, Hot Pursuit von 2010 für das Remake auszuwählen – und erntete (mal wieder) nur Hohn und Spott. Die Entscheidung ist wohl finanziell begründet: Da für 2021 ohnehin ein völlig neuer Serienteil angekündigt ist, soll 2020 mit einem Remake als Lückenfüller überbrückt werden. Und da fiel die Wahl naturlich auf Hot Pursuit: Supergünstig auf Current Gen anzupassen, kaum Programmierkosten.
Das merkt man dem Remake auch an: Technisch wurde der Titel völlig lieblos in die Gegenwart konvertiert. Aktuelle Grafiktricks haben Sendepause, Regentropfen auf der Karosse vermissen wir ebenso wie Frameraten jenseits der 30 (auf der normalen PS4, die PS4 Pro schleppt sich immerhin auf 60 Frames). Stattdessen dürfen wir uns mit ein paar neuen Texturen und einer erhöhten Weitsicht begnügen. Die Ladezeiten sind für die aktuelle Generation viel zu lang, es gibt keine Möglichkeit einer Zeitlupe (sehr unglücklich für ein solch dynamisches Spiel und das trotz Vorhandensein des Fotomodus), ein vernünftiges Schadensmodell existiert bis auf Kratzer und klappernde Heckschürzen immer noch nicht. Manche Gerichte werden ja auch nicht besser, nur weil man eine doppelte Portion serviert bekommt.
2020 fühlt sich an wie 2010
Immerhin: Das Remake erhält alle seinerzeit veröffentlichten DLCs, geht also quasi als moderne Game Of The Year-Edition durch. Und auch das Gameplay ist immer noch hervorragend. Das Auto reagiert nicht nur wie erwartet, der Geschwindigkeitsrausch stellt sich unverzüglich wieder ein und die abenteuerlichen Drifts durch wildeste Kurvenfolgen begeistern wieder wie anno dunnemals. Bei allen positiven Eigenschaften hat EA aber natürlich auch die negativen mitgenommen, die stumpfe Gummiband-KI ist einfach nur nervig. Nach wie vor ist es frustrierend, ein sauberes Rennen zu fahren und alle Ideallinien mit perfekter Geschwindigkeit zu treffen, während man mit dem nachfüllbaren Nitro-Tank klug umgeht, nur um die KI mit einer Geschwindigkeit vorbeiziehen zu lassen, die in der letzten Geraden vor dem Ziel unmöglich erscheint.
Wer 2010 Hot Pursuit gespielt hat, weiß immer noch Bescheid. Es gilt, eine Vielzahl von Standard-Events zu spielen, von Zeitfahren über einfache klassische Start-Ziel-Rennen, während zwischen den Cops und den Rasern gewechselt wird. Eingeworfen werden die stärker von Burnout beeinflussten Events wie Interceptor und Pursuit, bei denen die Polizei aktiv gegen die Straßenrennfahrer antritt, die immer noch so viel Spaß machen, dass sich jedes andere Rennen im Vergleich unglaublich langweilig anfühlt. Durch das Rasen im Gegenverkehr oder das enge Vorbeifahren an NPC-Autos wird der Nitro-Vorrat aufgeladen. Ständig derart rücksichtslos zu fahren, um den begehrten Boost aufzuladen, funktioniert auch nach zehn Jahren immer noch als Adrenalinpumper. Zusätzlich zum klassischen Boost wird eine kleine Auswahl an Waffen und Geräten eingeworfen. Auf Knopfdruck kann die Polizei eine Straßensperre einrichten, Rennfahrer können Polizeiwaffen blockieren. EMPs können ein Fahrzeug verlangsamen und sogar deaktivieren. Mit dem Waffensystem wirkt es vielleicht wie Mario Kart mit echten Autos, doch Criterion fand schon damals die richtige Balance, so dass dieser Part den Arcade-Spaß wunderbar abrundet. Und mit ihrer ganzen Burnout-Erfahrung wussten sie auch damals schon, dass niemand in den ersten fünf Stunden eines Rennfahrers gerne nur VW Polo fährt. Das erste Auto in Hot Pursuit ist daher ein Porsche 911 Cabrio, Tendenz stetig weiter Richtung “krass”.
Und sonst?
Für Multiplayer-Freunde ist der Autolog gedacht. Der ist im Grunde genommen eine intelligente Rangliste und dient dazu, dem Spieler immer neue Herausforderungen zu bieten, die von anderen Spielern im Spiel ausgehen – meistens die Jagd nach Bestzeiten. Diese optimierte Funktion funktioniert besser als eine Rangliste, da sie einen direkten asynchronen Wettbewerb mit Freunden ermöglicht. Was das Remaster zu Autolog hinzufügt, ist die Cross-Play-Unterstützung, die die Funktion für Freunde auf allen Plattformen freischaltet. Bleibt noch eine Anmerkung zum Soundtrack, der schon bei der Veröffentlichung im Jahr 2010 ziemlich durchschnittlich war. Aufgewertet wird er nur dann, wenn Cops involviert sind und die Musik zu einer pochenden Orchesterpartitur wechselt.
Fazit
Die aktuelle Konsolengeneration hat nicht viele hochwertige Arcade-Racer zu bieten. Die Kandidaten versuchten entweder, Realismus dort einzuführen, wo er nicht passend war oder fühlten sich einfach nicht richtig an. Hot Pursuit lässt Genrefans wieder mit der Zunge schnalzen. Gleichwohl wurde der Titel derart behutsam überarbeitet, dass das Remaster fast genauso wirkt wie das PS3-Original. Was EA hier für 30 Euro verkauft, wäre woanders ein kostenloses Fan-Update gewesen. So wunderbar zeitlos das zehn Jahre alte Spiel an sich ist, so lieblos hingeklatscht ist das Remaster. Und das gibt Punktabzüge.