In Zeiten von Umweltschutz und Klimarettung hat man beim Autofahren irgendwie immer öfter ein mitschwingendes schlechtes Gewissen. Der perfekte Trick endlich wieder ohne Reue voll aufs Gaspedal steigen zu können, ist dies einfach an der heimischen Konsole zu tun. The Need for Speed erschien 1994 auf dem 3DO und feiert damit dieses Jahr seinen 25. Geburtstag. Dabei setzte die Serie etliche Trends wie Maßstäbe und baute sich im Laufe der Jahre eine große Fanbasis auf. Die letzten Jahre wurde es um das einstige Aushängeschild jedoch etwas stiller. Die Serie stagnierte und wollte irgendwie von allem etwas zu viel. Fans der ersten Stunde wünschten sich den simpleren Arcade-Racer zurück, der die Reihe ursprünglich eben weltberühmt gemacht hat. Ob der schwedische Entwickler Ghost Games diesmal die Kurve gekriegt hat, erfahrt ihr im nerdigen Test.
Seifenoper statt qualmender Reifen
Das Spiel startet wie schon so viele Open World Rennspiele vor ihm. Euch wird eine eher schlecht geschauspielte Seifenopfer (Ja der Verschreiber ist Absicht) Geschichte als Alibi für all eure Rennen aufgetischt. Da es hier kaum etwas zu spoilern gibt, haue ich mal alles raus: Ihr seid ein Racing-Neuling der frisch in Palm City angekommen ist und sich einen Namen in der hiesigen Rennszene machen will. Da kommt Ana ins Spiel, die bei einem nächtlichen Rennen ihre Crew an die Polizei verloren hat und nun alleine auf weiter Flur steht. Palm City ist die Raserhochburg in den USA und bietet Rennsportfans tagsüber etliche Rennevents, um auszufahren wer denn nun der Schnellste ist. Dafür werden offiziell permanent Rundkurse abgesteckt und legale Rennen veranstaltet, in denen ihr aber lediglich Geld verdient. Ansehen von den anderen Racern gibt es nur bei den illegalen nächtlichen Rennveranstaltungen. Macht keinen Sinn? Genau, dem habe ich auch nichts weiter entgegenzusetzen. Ansehen und Respekt gibt es halt nur bei nächtlichen Rennen, da könnt ihr tagsüber so oft erster werden, wie ihr wollt.
Viel Drumherum und Bla bla
Aber muss das mit der Story wirklich immer sein? Jeder Spieler und besonders auch jeder Tester hat natürlich irgendwie auch seine persönlichen Präferenzen und die Kunst besteht dann dabei auf ein faires und unabhängiges Ergebnis in Form einer Wertung zu kommen. Präferenzen und Erwartungen fließen also natürlich auch in diesen Test mit ein. Vielleicht bin ich auch einfach zu alt geworden oder eben dadurch auch besonders „Oldschool“. Wenn ich also an Need for Speed bzw. einen spaßigen Arcade-Flitzer denke, dann freue ich mich besonders auf unkomplizierte und nicht ganz realistische Racing-Action. Need for Speed Heat bietet euch diese Komponenten auch teilweise. Ein wenig Grund zum Ärgern stellt für mich aber dennoch die im Kern wirklich uncoole Story dar, die eben einige negative Aspekte mit sich bringt. Besucht ihr also die Werkstatt und schraubt oder sprayt an eurem Wagen rum, könnt ihr euch beim Verlassen aussuchen ob ihr in den Tag oder die Nacht starten wollt. Um nun Storyprogress zu erhalten, sind die Missionen in bestimmte Level unterteilt. Hier gilt der Reputationslevel sowie eure Wagenstufe.
Karre aufmotzen um Geld zu verdienen
Die Wagenstufe richtet sich nach der Stärke eures Boliden. Verbessert ihr diesen steigt die Stufe und ihr könnt an immer besseren Events teilnehmen. All diese Systeme greifen aber irgendwie ungünstig ineinander. Wenn ich also nachts ein bisschen Reputation einhole, fehlt mir das Geld, um meinen Wagen aufzurüsten und ich kann die nächste Story-Mission nicht spielen. Dann heißt es wie in bester Rollenspielmanier: Farmen. Das Problem hierbei ist, dass das Spiel mit allem geizt, was das Ganze abwechslungsreicher gestalten würde. Der ganze Start zieht sich unglaublich und ihr müsst ständig dieselben Rennen fahren, um Ansehen oder Geld zu verdienen, weil am Anfang nur vier bis fünf Events zur Verfügung stehen. Habt ihr diese gewonnen, werden sie zwar auf eurer Karte schick abgehakt, es tauchen aber keine neuen Events auf. Neue Autos kaufen lohnt sich in den ersten gut sechs Stunden auch nicht. Beim Händler schaltet ihr Fahrzeuge ausschließlich mit eurem Reputationslevel frei. Habt ihr also eine ganze Weile gespielt ist euer Startwagen bereits zwangsweise so weit aufgerüstet, dass es absolut keinen Sinn ergibt sich noch einen Lowlevel Wagen in die Garage zu stellen, da diese Investition einfach nur Geldverschwendung wäre.
Die Konkurrenz fährt leider voraus
Man soll Spiele untereinander vielleicht nicht immer vergleichen aber, wenn man hier jetzt mal Forza Horizon als Beispiel nimmt wird schnell klar, was die Jungs und Mädels bei Playground sehr viel besser machen. Man bekommt einfach viel mehr Fahrzeuge. Natürlich gehen die Konzepte da scheinbar auseinander, da einen Forza Horizon ja beinahe mit Autos bewirft, aber so ist man motiviert und hat Spaß dabei für etwas zu farmen, was sich auch lohnt: Nämlich neue Rennschlitten. Hier krankt es bei Heat meiner Meinung nach gewaltig. Ihr seid ewig mit eurem ersten Rennflitzer unterwegs und es macht keinen Sinn sich nach einem neuen umzusehen, da man auf den niedrigen Stufen eher alte und nicht so tolle Autos freischaltet. Ich habe mich zu Beginn des Spiels für einen 65er Mustang entschieden und wüsste eben nicht, wieso ich mein hartverdientes Geld in einen Honda Civic oder einen Mazda MX5 stecken soll.
Worum ging es noch gleich?
Genau, um qualmende Reifen und harte Duelle um die Pole Position. Spielerisch gibt es hier reinste Arcade-Racing-Action. Für einen eher simulationslastigen Spieler für mich war das erst einmal eine Umstellung. Beim Start könnt ihr Vollgas geben und beim Beschleunigen aus Kurven heraus müsst ihr nicht dosieren oder euch generell Gedanken machen. Auch die Bremse ist eher ein Beiwerk für wirklich enge Kurven. Was gut klappt sind eure Drifts. Die laufen nämlich auch im Grunde automatisch ab und werden gestartet, wenn ihr in der Kurve einfach das Gas weiter durchdrückt und läuft dann fast schon eher so ab wie in einem Mario Kart. Die Kulisse ist natürlich sehr anders. Gerade in der Nacht trumpft Need for Speed Heat mit seiner von Neon dominierten Optik ordentlich auf. Die reflektierten Lichter und der prasselnde Regen erzeugen eine wunderbare Atmosphäre und vermitteln euch ein schickes und schnelles Renngefühl. So simpel die Steuerung auch sein mag, einfach wird das Spiel dadurch nicht. Eher im Gegenteil, da man sich kaum fahrerisch entfalten kann und eben auf die stark limitierte Steuerung beschränkt wird. Dazu gibt es natürlich wieder den Gummiband-Effekt und die netten Herren in Schwarz – die Polizei
Tatütata die Polizei ist da
Die Cops dürfen natürlich in keinem Need for Speed Teil fehlen. Um gegen die skrupellose Raserszene anzukommen, rüsten die Gesetzeshüter ihren Fuhrpark ebenfalls mit äußerst heißen Schlitten aus, um auf euch Jagd zu machen. Zum Glück tun sie das nur nachts. In den Rennen selber kann man mit Verfolgungsjagden noch leben und es fühlt sich authentisch und richtig an. Müsst ihr jedoch zwischen den Rennen zu einem neuen Event fahren und immer ein Blick auf die Karte haben, um Polizeipatrouillen auszuweichen, stellt sich wieder ein Gefühl von Genervtheit ein. Das liegt daran, dass sich die Cops ziemlich schwer wieder abschütteln lassen und man gerade auch wieder zu Beginn des Spiels kaum Möglichkeiten hat sich zu wehren. Die Polizei selber geht sehr rabiat gegen euch vor und rammt euch ständig und folgt euch in jede kleine Gasse. Irgendwie sollte man versuchen sie in einen Unfall mit einem anderen Fahrzeug zu verwickeln was einem dann zur Flucht verhelfen kann. Die Verfolgungsjagden in der Nacht haben jedoch auch etwas Positives: So erhöht sich euer sogenannter Heatlevel, welcher zum Abschluss der Nacht (Erfolgreiche Erreichen einer markierten Werkstatt) eure erspielten Reputationspunkte um euren Heatfaktor erhöht Schnappt euch jedoch die Polizei, ist all euer Fortschritt der Nacht verloren.
Wie viele Pferdchen stecken unter der Haube?
Im Gegensatz zu den letzten drei Teilen haben die Macher bei Ghost Games schon an einigen richtigen Schrauben gedreht. Die Rennen machen Spaß, die Optik kann sich sehen lassen und das Fahrgefühl selber ist unkompliziert und leichtgängig. Das Spiel hat jedoch andere Probleme, die vor allem den Aufbau der Story betreffen. Für neue Missionen müsst ihr in der Regel wirklich viel farmen und immer dieselben Events fahren um Geld oder Ansehen zu verdienen. Es macht kaum Sinn einen neuen Wagen zu kaufen, weil ihr sehr sehr lange Zeit nur schlechtere Wagen kaufen könnt und die Autostufen selber auch ziemlich schlecht durchdacht sind. So hatte mein Oldtimer Mustang irgendwann eine Wagenstärke von 230 und war damit selbst besser als ein neuer moderner Mercedes, BMW oder sogar Porsche. Entscheidet ihr euch also für einen neuen fahrbaren Untersatz, geht das upgraden quasi wieder von vorne los. Die Geschichte selber, die von Crews und Familienstress nie über das Niveau von “gute Zeiten, schlechte Zeiten” hinaus kommt ist auch kaum der Rede wert. Dafür bietet das Spiel noch die gängigen Online Komponenten, in denen ihr mit Freunden eigene Crews und Decals für Wagen erstellt oder auch sämtliche Rennen der Kampagne mit online Freunden zusammenspielt.
Fazit:
Need for Speed Heat macht nicht alles richtig, stellt aber im Vergleich zu den Vorgängern eine deutliche Verbesserung dar. Der größte Kritikpunkt ist die etwas zu ernste und „cool“ präsentierte Story, die sich zu allem Überfluss auch noch recht zäh in die Länge zieht. Die Rennen machen unterm Strich dennoch Spaß, wenn man sich auf das sehr arcadige Steuerungsgefühl einlassen möchte. Das Upgradesystem eurer Flitzer ist alles andere als realistisch, da sich hier problemlos Oldtimer auf dasselbe Niveau wie Super Sportler hieven lassen und das Fahrgefühl quasi gleichbleibt. Optik und Atmosphäre der Stadt sowie die heißen Duelle mit der Polizei verleihen dem Spiel dennoch sein ganz eigenes Flair. Wenn ihr also in dem Glauben die Story ignorieren zu können mit einem Kauf liebäugelt, stellt euch darauf ein, dass sich diese Story nicht gänzlich ignorieren lässt, da sie das Spiel insgesamt mehr ausbremst, als ihm Gutes zu tun. Für die nächsten Teile wünsche ich mir also einfach nur eine geschmeidigere Geschichte, in der ich etwas mehr Autos bekomme, ohne dadurch Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.