Micro Machines World Series im Test – Spielzeugautos für die Tonne

Als Kind der Neunziger habe ich die Flitzer von Micro Machines eher weniger gesehen. Matchbox und Hot Wheels waren in meiner Kindheit die großen Vertreter der kleinen Spielzeugautos. Dennoch kam auch ich in den Genuss von Micro Machines, vor allem im digitalen Bereich. Erst sehr seicht auf dem SNES, später dann wirklich exzessiv auf dem Nintendo 64 und ein paar Jahre später dann noch auf diversen LAN Partys mit Micro Machines V4 auf dem PC. Nach über zehn Jahren darf ich nun ein neues Micro Machines in den Händen halten. Ob es mit den Erinnerungen meiner Kindheit und meinen gewachsenen Ansprüchen mithalten kann, erzähle ich euch im Test.

Kleine Flitzer

Codemasters kennt sich mit Rennspielen bekanntlich aus. Spiele wie Colin McRae Rally oder die Dirt Reihe (Dirt 4 bei uns im Test) sind dafür die besten Beweise. Natürlich, alle genannten Beispiele sind keine Fun Racer aber ein gewisses Vorwissen wird auch hier durchaus erwartet. Schließlich hat sich das Konzept über 20 Jahre nur wenig bis gar nicht geändert. Wir rasen also mit einem Spielzeug Panzer, Monstertruck oder Krankenwagen maßstabsgetreu über Billiardtische, Herdplatten, Werkbänke und allerhand andere Möbelstücke oder Einrichtungsgegenstände. Ziel ist es wie bei jedem Rennspiel, als erster den Rundkurs zu beenden. Einen Turnier- oder Kampagnenmodus suchen wir allerdings vergebens bei Mirco Machines World Series. Schnell wird klar, das Codemasters den Fokus rein auf den Online Aspekt gelegt hat.

Ein weiteres Markenzeichen von Micro Machines ist, dass wir unsere Spielzeugboliden aus einer isometrischen Perspektive steuern was zur Folge hat, dass wir bei der Steuerung entsprechend umdenken müssen, je nach dem in welche Richtung wir gerade fahren. Generell verhalten sich die Fahrzeuge alle gleich und es gibt keine Unterschiede von Geschwindigkeit, Grip oder ähnlichem. Dadurch, dass man Hasbro, die aktuellen Lizenzinhaber der Micro Machines, mit im Boot hat, war es vermutlich ein Leichtes auch noch eine weitere Spielzeugmarke mit in das Rennspektakel einzubauen. So prangert unten am Rand das NERF Logo. Sammeln wir während der Fahrt eines der leuchtenden Päckchen auf, erhalten wir eines von drei Items. Sind wir Führender bekommen wir immer eine Granate die wir nach hinten schmeißen. Alle Fahrer dahinter bekommen zufällig entweder eine klassische NERF Gun, welche halbwegs automatisch Gegner vor uns anvisiert und ausbremst, einen Hammer, mit dem wir Gegner unmittelbar vor uns zermalmen oder wegschlagen, und bereits genannte Granate, welche Gegner bei direktem Treffer zerstört oder wegstößt. Das Waffenarsenal fällt also insgesamt recht mager und unausgewogen aus. Hat man sich einmal vom Gegnerfeld absetzen können, ist es kaum noch möglich für den Gegner, wie beispielsweise in Mario Kart mittels blauem Panzer, etwas dagegen zu tun. Der Spieler muss schon durch Eigenverschulden zurückfallen um noch einmal eingeholt werden zu können.

Durch die isometrische Perspektive ist auch wichtig, die Strecke wirklich zu kennen, denn auf Sicht fahren ist im Eifer des Gefechts mehr als schwierig und eine Minimap gibt es nicht. Das erweist sich als besonders wichtig wenn wir den Eliminations-Modus spielen. Hier gilt es am Gegnerfeld dran zu bleiben oder im besten Fall diesem davon zu fahren. Fallen wir zu weit zurück oder werden durch ein Item zerstört verlieren wir und müssen warten bis nur noch ein Spieler übrig ist. Dann werden anhand der Reihenfolge der Ausscheidungen Punkte vergeben oder abgezogen. Die ersten drei bekommen Punkte dazu und die letzten drei Punkte abgezogen. Wenn nach zehn Runden kein Gewinner feststeht, werden keine Punkte mehr abgezogen, sondern nur noch dazu addiert, bis ein Spieler die benötigte Punktzahl erreicht hat.

Die neue Alte

Der Schlachtmodus ist für Genrekenner nichts Neues, feiert dieser aber bei Micro Machines eine Premiere. Hier könnt ihr nach Lust und Laune in verschiedenen Arenen gegeneinander antreten. Dabei gibt es noch zusätzliche verschieden Modi. Besonderheit hierbei ist auch, dass jedes Fahrzeug vier ganz spezielle Fähigkeiten hat. So schießt der Polizeiwagen in voller „Drive By“-Manier mit einer Schrotflinte um sich und kann einen Helikopter anfordern. Ein futuristischer Sportwagen, welcher aus dem Film TRON entsprungen sein könnte, zieht eine Lichtbarriere hinter sich her, die den Gegnern Schaden zufügt. Von “Capture the Flag” über “King of the Hill” bis hin zu “Frei für Alle” ist das komplette Sortiment vertreten. Allerdings können wir lediglich “Frei für Alle” im Offline Modus spielen. Die anderen Schlachtmodi sind für Onlinespieler reserviert, weil man hier mit bis zu zwölf Spielern gleichzeitig unterwegs ist, während man Offline nur bis zu vier Spieler unterstützt. Klingt ja erstmal völlig nachvollziehbar und eine sinnvolle Entscheidung, da man mit vier Spielern bei einer Runde “Capture the Flag” zu wenig ist.

Wäre da nicht die Krux mit der Anzahl der Spieler zum Zeitpunkt meines Tests. An den verschiedensten Tageszeiten konnte ich maximal vier Mitspieler gleichzeitig in einer Lobby finden. Der Rest wird je nach Modus dann mit KI Gegnern aufgefüllt. Bei Rennen und Schlachten wird man auf zwölf Teilnehmer aufgestockt und bei Elimination auf sechs Fahrer. Wäre insgesamt ja eigentlich noch nicht mal das Problem, wenn man ja in einer Lobby bleibt, könnten nach und nach mehr Spieler dazu kommen. Fehlanzeige! Eine feste Lobby gibt es nur unter Freunden und wir werden nach jedem Rennspektakel zurück in das Hauptmenü geführt, wo wir manuell nach einem neuen Rennen suchen müssen. Heißt: Unsere menschlichen Gegner müssen durch das Matchmaking System erneut gefunden werden. Anstelle eines flüssigen Durchlaufs von mehreren Rennen am Stück und einer gewissen Rotation der Strecken, wird das Spielerlebnis immer wieder unterbrochen und häufig wiederholt sich die Strecke von davor ein weiteres Mal. Dabei hat man mit zehn verschiedenen Hauptstrecken eigentlich ein gesundes Fundament um zu rotieren.

Pimp dein Spielzeugauto

Naja, wirklich aufmotzen können wir die verschiedenen Wagen eigentlich nicht, aber durch ein Erfahrungssystem bekommen wir für jedes Level eine Lootbox. Diese Box enthält immer vier unterschiedliche zufällige audiovisuelle Anpassungen für unsere zwölf Boliden. Darin befinden sich Skins, Icons für unser Spielerbild, neue Sprüche für die Fahrer oder Grabsteinbilder, die nach unserem Ableben auf der Strecke angezeigt werden. Die Wagen selbst brauchen wir glücklicherweise nicht freischalten. Um zusätzliche Lootboxen freischalten zu können, können wir entweder jedes Wochenende an einem speziellen Event teilnehmen, wo es zur Belohnung eine Box gibt oder wir spielen nach dem wir Level Zehn erreicht haben den Ranked Modus.

Das spezielle Event besteht immer aus einem der genannten Modi mit etwas abgeänderten Regeln oder zusätzlichen Items. Hier sammeln wir neben Erfahrungspunkte auch noch Rangpunkte um uns so durch die Stufen Bronze, Silber, Gold, Platin und Elite zu kämpfen. Für jede geschaffte Stufe erhalten wir weitere Boxen. Mit Echtgeld lassen sich keine Boxen kaufen, heißt also der Vielspieler wird hier belohnt. Haben wir einen Gegenstand in der Box bereits, wird dieser automatisch in Münzen umgewandelt, mit denen wir wiederum aus dem gesamten Individualisierungssortiment die freie Auswahl haben. Leistungsupgrades suchen wir im gesamten Spiel vergebens, was im Übrigen auch für den Schwierigkeitsgrad der KI gilt. Erfahrungspunkte lassen sich allerdings nur im Onlinemodus sammeln. Wer zuhause mit Freunden auf der Couch spielt macht somit keinen „fortschritt“.

Ein wenig Politur gefällig?

Micro Machines World Series trumpft optisch mit einem knallbunten Look der wunderbar in die Spielzeugwelt passt. Die Strecken sind abwechslungsreich gestaltet und bringen mit fahrenden Sägeblättern oder Küchenmaschinen unberechenbare Hindernisse mit ins Spiel. Selbst die Kamerafahrt mit der Nahaufnahme unseres Spielzeugautos sieht wirklich gut aus. Doch wird gerade im Online Modus das Spielerlebnis durch Lags und gelegentliche Ruckler gedrückt. Auch Soundtechnisch kann Micro Machines kaum begeistern. Das Brummen der Spielzeugmotoren wirkt schnell monoton und erinnert ein wenig an einen Bienenschwarm. Die Sprüche der verschiedenen Fahrer sind zwar lustig, wiederholen sich aber schnell und sind häufig auf zwei bis drei Sprüche beschränkt. Zwar können wir neue Sprüche durch die Lootboxen freischalten, können wir davon aber immer nur einen auf aktiv setzen. Die rockige Musik ist nett, entpuppt sich allerdings nicht als sonderlich abwechslungsreich. Schade!

Fazit

Im Vorspann von Micro Machines prangt nun schon seit über 20 Jahren das Codemasters Logo und man möchte meinen, dass man all die Erfahrung die man sammeln konnte im Spiel merkt. Aber Fehlanzeige. Micro Machines World Series will zu viel ohne es wirklich richtig zu machen. Angefangen bei dem Versuch Lootboxen als Belohnung einzubauen und aufhörend bei einem unterirdischen Match Making System, welches eine volle Party quasi unmöglich macht. Die Rennen werden zu schnell einseitig und es ist einfach nur frustrierend wenn man Online spielen möchte und wir lediglich zwei bis drei menschliche Gegner haben und der Rest von der KI gefahren wird. Für einen Preis von 29,99 und bei einem Entwickler der weitaus größeres auf die Beine gestellt hat, kann ich hier nur den Kopf schütteln und wenn überhaupt nur eine Empfehlung für Liebhaber aussprechen, die den Titel aber vermutlich sowieso schon besitzen.

Micro Machines World Series
Grafik/Präsentation
69
Gameplay
59
Multiplayer
49
Spielspaß
53
Leserwertung0 Bewertungen
0
58