Gears of War: Ultimate Edition im Test – Ein Nerd greift zur Kettensäge

Cliff Bleszinski und sein Team bei Epic Games veröffentlichten am 12. November 2006 den ersten Teil einer der mittlerweile wichtigsten Marken von Microsoft. Gears of War revolutionierte das Third-Person-Deckungsshooter-Segment und feuerte ein wahres Action-Feuerwerk im heimischen Wohnzimmer ab. Mittlerweile steht mit Gears of War 4 der fünfte Teil der Saga um Marcus Fenix und seinem Delta Squad vor der Türe (Den kleinen Ausflug bei Gears of War: Judgement mal ausgelassen). Durch die Listenstreichung wird Gears of War: Ultimate Edition nun auch endlich in Deutschland erscheinen. Verantwortlich für dieses Machwerk sind die neuen Gears-Entwickler, The Coalition. Höchste Zeit die ultimative Version des Gründungswerks der Gears-Reihe genau unter die Lupe zu nehmen.

Mit Schmackes!

screenshot-gears-of-war-ultimate-edition-09Gears of War spielt 14 Jahre nach dem sogenannten E-Day, an dem die Locust die Menschheit auf dem Planeten Sera angegriffen haben. Die Locust sind menschenähnliche, reptilienartige Wesen, die unter der Erde hausten und ihren Angriff jahrelang vorbereiteten. In Gears of War übernehmt ihr die Rolle von Muskelprotz Marcus Fenix, der vier Jahre lang wegen Befehlsverweigerung im Gefängnis verbrachte. Da der Krieg gegen die Locust jedoch fast verloren ist, wurde Fenix begnadigt und darf zu unserer Freude nun wieder an vorderster Front mitmischen. Zunächst einmal gilt es Alpha-Squad und deren Resonator zu finden, ein Gerät mit welchem das komplexe Tunnelsystem der Locust aufgezeichnet werden kann. Diese Maßnahme ist von höchster Wichtigkeit, da die Menschen noch ein letztes Ass im Ärmel haben: Die Leichtmassenbombe. Was hier rudimentär und einfach anmutet, stellt sich im Verlauf der Geschichte jedoch schwieriger dar, als es ist. Durch zahlreiche Wendungen, Rückschläge und Improvisationen entwickelt sich mit Delta Squad ein abwechslungsreiches und spannendes Abenteuer.

Schau mir über die Schulter, Kleines

screenshot-gears-of-war-ultimate-edition-11Marcus und seine Kumpel Dominic, Cole und Baird wirken zu Beginn des Spiels eher steif und träge. Aus der Sicht der dritten Person (also quasi die Kamera über der Schulter) lauft ihr von Schauplatz zu Schauplatz und liefert euch brutale Feuergefechte gegen die Drohnen der Locust. Nach dem kurzen Tutorial merkt ihr jedoch schnell, dass hinter der anfänglich plumpen Steuerung ein sehr ausgeklügeltes System mit zahlreichen guten Ideen steckt. Wichtigstes Element im Überlebenshandbuch bei Gears of War ist die Nutzung der zahlreichen Deckungsmöglichkeiten. Hierzu steuert ihr euren Charakter in die Nähe der Deckung und heftet euch „magnetisch“ per Druck auf die A-Taste hinter eben jene. Nun seid ihr erst einmal vor Feindfeuer sicher. Per LT zielt eure Figur über die Deckung und ihr könnt die Locust-Brut mit Kugeln drangsalieren. Steckt ihr zu viele Treffer ein, lasst ihr LT los, befindet euch sofort wieder in Sicherheit und regeneriert langsam eure Lebenspunkte. Zudem könnt ihr mit etwas Übung und Übersicht schnell von Deckung zu Deckung huschen. Lauert ihr beispielsweise in einem Torbogen, könnt ihr mit A blitzschnell die Seiten wechseln. Dieses Prinzip funktioniert an recht vielen Stellen und gehört auf den höheren Schwierigkeitsstufen zum guten Ton dazu. Die Steuerung wurde übrigens dahingehend angepasst, dass man die Steuerung aus dem dritten Teil übernahm.

Kettensäge als Bajonett

screenshot-gears-of-war-ultimate-edition-05Die Solokampagne bietet euch gute zehn Stunden abwechslungsreiche Shooter-Unterhaltung. Es gibt Abschnitte in denen ihr eher schleichen müsst, als auch Fahrsequenzen und dickere Zwischenbosse, die speziellere Vorgehensweisen erfordern. Die Auswahl an verschiedenen Schießeisen ist eine Mischung aus Standard und ein wenig Extravaganz. So gibt es verschiedene Schnellfeuergewehre, Pistolen und auch eine Schrotflinte. Speziellere Varianten wären der Arkon-Bogen, der von Rambo persönlich stammen könnte – er verschießt Explosiv-Pfeile. Der Hammer der Morgenröte beispielsweise ist eine Spezialwaffe, die im ersten Moment nur aus einem Ziel-Laser besteht. Dieser ist jedoch mit einem Satelliten verbunden, der in diesem Gebiet alles dem Erdboden gleich macht. Berühmtheit erlangte vor allem der Lancer, dem Standard-Gewehr der COG-Soldaten, welches statt einem Messer-Bajonett eine Kettensäge unten an der Waffe montiert hat. Auch den Nachladeprozess eurer Waffe haben die Jungs von The Coalition mit einer Besonderheit versehen. Ladet ihr euren Ballermann durch, läuft oben eine Zeitlinie mit einem „perfekten“ Punkt, den ihr bei nochmaligem Drücken auf LB „treffen“ könnt (ähnlich wie bei Guitar Hero). Erwischt ihr ihn erfolgreich, macht eure Waffe mehr Schaden, verfehlt ihr ihn allerdings zu deutlich, verhakt sich die Waffe und die Lade-Animation dauert unangenehm lange. Alles in allem setzt euch das Spiel gekonnt permanent unter Spannung und profitiert einfach vom sehr gelungenen Gameplay. Gears of War spielt sich flott und einsteigerfreundlich, bietet dabei aber ausreichend Substanz, um es auf höherer Schwierigkeit meistern zu können.

Großes Multiplayer-Paket

screenshot-gears-of-war-ultimate-edition-02Äußerst großer Beliebtheit erfreut sich zudem der Multiplayer-Modus. Hier kämpfen klassisch zwei Teams in verschiedenen Modi um die Vorherrschaft auf dem Schlachtfeld. Dabei war die Auswahl für das Jahr 2006 bereits ziemlich gut. Team Deathmatch bildet hier das typische Grundgerüst. Das Team mit den ersten 50 Kills gewinnt. Bei Warzone bekommt das Team einen Punkt gutgeschrieben, welches zuerst die Gegenseite ausgeschaltet hat. Der Clou hierbei ist, dass ihr hier bei normal leichtem Beschuss nicht direkt sterbt, sondern blutend in die Knie geht und von einem Teamkameraden so wiederbelebt werden könnt. Euer Gegner kann entweder weiter auf euch feuern bis ihr sterbt oder aber nah an euch herantreten und euch mit einem brutalen Move exekutieren. Diese Exekutionen bringen uns zum Spielmodus „Execution“, der im Grunde derselbe Modus ist, nur das eine feste Zeit pro Runde vorgegeben wird. Läuft die Zeit ab, wird die Runde als unentschieden gewertet. Das freut eine Seite besonders, wenn es beispielsweise ein letzter Spieler gegen eine Übermacht noch schafft, sich erfolgreich zu verstecken. Bei Assassination wird ein Spieler pro Seite zufällig als Teamleader markiert und gibt für diese Runde das Hauptziel ab. Sobald nämlich der Teamleader ausgeschaltet wurde, ist die Runde gewonnen. Der letzte Modus nennt sich Annex und findet sich in fast jedem modernen Shooter wieder. Hier tauchen auf bestimmten Orten der Map runde Markierungen auf, die es zu erobern gilt. Wer als erster in der geforderten Zeit diese Markierungen an sich gerissen hat, gewinnt die Runde. Der Multiplayer kommt mit stolzen 19 Karten und 60 Bildern pro Sekunde daher.

Übung macht den Meister

screenshot-gears-of-war-ultimate-edition-03Größtes Manko, wie aber auch größte Stärke des Multiplayer bei Gears of War, ist die spezielle Art des Spielens. Über die Jahre hat sich ein gewisser Spielstil entwickelt, den ihr erlernen müsst, um online gegen andere Mitspieler mithalten zu können. Dabei ist das Movement der Figur eigentlich wichtiger als das Zielen selber. Die meisten Spieler preschen mit der Gnasher Shotgun durch die jeweiligen Karten und spielen extrem offensiv. Der Trick hierbei ist „in Fahrt zu kommen“. Dazu kombiniert ihr den Sprint und sämtliche Deckungsmöglichkeiten und saugt euch so blitzschnell von Deckung zu Deckung. Der Prozess, dass eure Figur in Deckung geht, wird jedoch immer kurz vorher abgebrochen bzw. bereits die nächste Deckung „angepeilt“. Auf diese Weise bekommt euer Charakter einen erheblichen Geschwindigkeitsvorteil und ist mit Schnellfeuergewehren, wie einem Lancer, kaum zu stoppen. Ist der Spieler dann nah genug bei euch, knippst er euch mit einem Schuss aus der Hüfte aus der Schrotflinte aus. Das sorgt vor allem für Neulinge am Anfang für viel Frust, weil man ständig hoffnungslos unterlegen ist. Habt ihr jedoch die Muße und die Geduld euch in das Spielsystem hineinzuarbeiten, wartet ein hervorragendes Multiplayer-Erlebnis auf euch, welches einzig und allein von eurem Skill bestimmt wird, statt von Camping, Perks oder Charakter-Level.

Alt, aber nicht veraltet

Technisch merkt man dem Spiel sein Alter natürlich etwas an. Zwar wurde die komplette Grafik digitalisiert überarbeitet, hier und da finden sich aber dennoch, trotz 1080p, “altbackende” Animationen oder Texturen. Zusätzlich befinden sich fünf neue Kampagnen auf der Disc, die es sonst bisher nur in der PC-Version gab. The Coalition schnürt also mit Gears of War: Ultimate Edition ein ziemlich gutes Fanpaket mit anständigen Neuerungen. Die deutsche Synchronisierung spiegelt den selbstironischen Bro-Humor der Gears und deren flappsigen Sprüche mit bärenhaften Männerstimmen perfekt wieder. Die Musikuntermalung erklingt orchestral aus euren Boxen und unterschreibt die Spielsituationen jeweils nach Stimmung, eben dramatisch oder ruhig.

Fazit

Gears of War Ultimate Edition ist die fast perfekte Reinkarnation der ursprünglichen Version aus dem Jahre 2006. Kritisieren könnte man eigentlich nur, dass sich Microsoft bei der optischen Überarbeitung nicht ganz so viel Mühe wie bei der tollen Halo Anniversary Edition gemacht hat, welches eine komplett überarbeitete bzw. neue Grafik spendiert bekommen hat. Ansonsten ist das Spiel die perfekte Vorbereitung auf den bald erscheinenden vierten Teil der Haupt-Saga. Veteranen machen sich für den Multiplayer wieder mit der Gnasher vertraut, Neulinge haben Zeit die Steuerung solo oder gegen andere Kontrahenten zu verinnerlichen. Die neuen Kampagnen-Abschnitte, sowie alle je veröffentlichten Multiplayer-Maps runden das Paket sehr schön ab.

Gears of War Ultimate Edition
Grafik/Präsentation
87
Story/Atmosphäre
86
Gameplay
93
Multiplayer
89
Spielspaß
93
Leserwertung2 Bewertungen
50
90