Gears of War 4 im Test – Ein Nerd musste lange warten…

Stolze fünf Jahre mussten Fans der brachialen Action-Serie Gears of War nun auf die ersehnte Rückkehr ihrer liebgewonnen Helden warten. Zumindest wenn man vom quasi Spin Off Gears of War Judgement einmal absieht. Im wirklichen Leben ist es also eine halbe Dekade her, dass wir auf der Spitze der Insel Azura die Locust endgültig unter die Erde gebracht haben. Im Spiel sind bereits 25 Jahre vergangen und die Menschheit lebt nach all den Kriegen endlich wieder in Frieden. Der neue Entwickler The Coalition durfte nach dem Remaster des Erstlings erstmals einen eigenständigen Teil mitsamt neuer Ideen und Charakteren verwirklichen. Wie der Umbruch der Serie zu Gesicht steht, verraten wir euch im Test zur Singleplayer-Kampagne. Den Multiplayer, sowie Hordemodus werden wir später separat unter die Lupe nehmen.

Frieden auf Sera – Jedenfalls fast

screenshot-gears-of-war-4-04Die Kampagne selber startet mit dem Prolog und einem Rückblick auf die Geschehnisse der Geschichte aus den ersten drei Teilen. So erlebt ihr retroperspektiv die wichtigsten Ereignisse aus zum Beispiel den Pendulum Kriegen, dem E-Day (Der Tag an dem die Locust auftauchten) und letztlich den Moment als die Locust mitsamt den Leuchtenden besiegt wurden. Dieser Prolog ist für Veteranen netter Fanservice und für Neulinge ein kleiner Leitfaden um zu verstehen was auf dem Heimatplaneten der KOR aktuell so vor sich geht. Ungewöhnlich ist nämlich die Tatsache, dass auf Sera aktuell seit 25 Jahren Frieden herrscht und die Menschheit versucht die Überreste des langen Krieges zu beseitigen. Nach dem Prolog wartet jedoch erst einmal Akt 1 auf euch. Dieser wird viele alteingesessene Gear-Heads vielleicht etwas (v)erschrecken. Strahlender Sonnenschein, doofe Witzchen – statt testosteronhaltigen Macho-Sprüchen und mit DeeBees vergleichsweise ungewohnte Gegner, die einfach nicht so schön bluten oder nach einem Gnasher-Schuss zerplatzen. Da die Reihen der KOR durch die Locust ziemlich ausgemergelt wurden, setzt man beim Millitär nun auf mechanische Hilfe. Die sogenannten DeeBees sind Roboter-Gears und bilden das neue Rückgrat Armee. Kriegsheld und KOR-Legende Marcus Fenix hat seinen Lancer inzwischen an den Nagel gehängt und überlässt die Rolle des neuen Alpha-Gear nun seinem Sohn James Dominic Fenix. J.D. und seine Freunde Del und Kait haben es sich allerdings schon vor einiger Zeit mit der neuen strengen Oberinstanz in Form der ziemlich miesgelaunten General Linn verscherzt und ihre Millitärkarriere unehrenhaft beendet. Sie verbringen ihr Leben nun bei den Nonkons, einem freien Zusammenschluss aus Menschen, die nicht unter der spaßbefreiten Kontrolle der Regierung leben wollen. Diese freie Lebenseinstellung wird jedoch nicht toleriert und die Nonkons gelten als flüchtige Straftäter, was sie zu Plünderungen in KOR-Einrichtungen zwingt.

Trügerische Ruhe

screenshot-gears-of-war-4-07Gears of War 4 startet eben auch genau mit einem solchen Raubzug auf der Suche nach Energiekernen. Während J.D. und sein Kumpel Del sich aus alten KOR-Zeiten kennen lernte die adrette Kait den Umgang mit Lancer und Co. von ihrer Mutter Rayna Diaz und ihrem Onkel Oscar. Ohne jetzt allzu viel von der Geschichte zu verraten, kommt es wie es bei Gears of War kommen muss. Nach einigen Scharmützeln mit den DeeBees werden die Freunde mit einem weitaus schlimmeren Feind konfrontiert – Dem Schwarm. Die schleimigen Monster vom Schwarm überfallen das Heimatdorf unserer neuen Helden und entführen die meisten der Bewohner. Vor Allem schmerzt uns, dass die Mutter unserer Freundin Kait unter den Entführungsopfern steckt. Das lassen die neuen Serienhelden natürlich nicht auf sich sitzen. Und so geht sie los, die verrückte Reise, auf der ihr einige alte Bekannte trefft und die einige pikante Überraschungen und Erklärungen offenbaren wird. Fans können aber aufatmen. Nach dem ersten Akt, der für die Story einen Übergang zwischen altem Frieden und neuem Krieg darstellt, geht es mit dem gewohnten Setting weiter. Es wird dunkel, dreckig und verdammt ungemütlich. Der Schwarm ist ein herrlicher neuer Feind, der logisch und gut erklärbar ins Gears-Universum integriert wurde. Schon während der ersten Trailer haben sich sicherlich einige von euch gefragt, woher denn nun eine neue Rasse entstanden sein soll. Hier haben die Schreiberlinge von The Coalition wie bereits erwähnt gute Arbeit abgeliefert.

Home, sweet Home

screenshot-gears-of-war-4-08Spielerisch überzeugt Gears of War 4 bereits ab der ersten Minute. Die alten Kontrollmechaniken hat man als Kenner der Serie sehr schnell wieder verinnerlicht. Als Neuling wird einem die Steuerung zunächst möglicherweise etwas steif und unhandlich vorkommen. Davon solltet ihr euch jedoch nicht abschrecken lassen. Nach kurzer Zeit greifen die Mechanismen und man stellt fest, dass die Tastenbelegung sehr durchdacht und kontrollierbar ist. Aus der dritten Person schaut ihr J.D. Fenix über die nicht ganz so breiten Schultern wie jene seines Vaters. Per Druck auf die A-Taste setzt ihr zum Sprint an oder begebt euch in Deckung. Das Deckungsfeature ist hierbei ein elementares Element des Gameplay – denn ohne Deckung, seid ihr schnell geliefert. So saugt ihr euer Konterfei per Tastendruck an jegliches Levelinventar um euch dahinter vor feindlichem Beschuss in Sicherheit zu bringen. Der Rest der Steuerung ist typisch Shooter. Mit der linken Schultertaste nehmt ihr eure Waffe in den Anschlag und blendet gleichzeitig das Fadenkreuz ein. Befindet ihr euch hinter einer Deckung, habt ihr so freies Schussfeld und verschanzt euch wieder, sobald ihr die Taste wieder loslasst. Habt ihr euren Riechrüssel zulange rausgestreckt und entsprechend Treffer kassiert „sterbt“ ihr bzw. geht in die Knie, so dass euch ein Team-Mitglied wiederbeleben muss. Aus dem Sprint heraus könnt ihr nun auch direkt über Deckungen herüberspringen und dahinter befindliche Gegner elegant mit einem Tritt vor die Futterlucke begrüßen. Statt jetzt, wie früher, einfach mit der Gnasher drauf zu halten, könnt ihr eure Widersacher nun mit eurem Kampfmesser exekutieren. Kombiniert ihr geschickt den Sprint (Rodeo Run) und die Ausweichrollen mit den Deckungsmöglichkeiten offenbart sich eine zu Anfang nicht für möglich gehaltene Agilität mit der ihr nur so durch die Schauplätze rauscht. Zumindest auf den leichteren Schwierigkeitsstufen habt ihr so eine Menge Spaß. Ab Hardcore ist jedoch Verschanzen das Mittel fürs Überleben. Der Schwarm und die KOR-Einheiten rücken hier sehr aggressiv vor und hauen euch das ein oder andere Mal aus den Latschen. Wie im Fußball gilt also: Die Offensive sorgt für Zauberei, während die Defensive die Meisterschaft gewinnt.

Wir brauchen größere Kanonen

screenshot-gears-of-war-4-06Wie in eigentlich jedem neuen Shooter, dürfen selbstredend neue Waffen nicht fehlen. Ähnlich wie schon bei Halo 5 die Blutsväter, bringt die neue Fraktion der DeeBees deren Schießprügel mit ins Spiel. Ganz stilsicher und auch ein wenig klischeehaft, feuern euch die Metal-Gears vornehmlich Energiegeschosse um die Ohren. Spielerisch verbergen sich dahinter aber meist auch nur die bekannten Todbringer wie Shotgun, Sniper oder kleinere Maschinenpistolen in einem neuen Gewand. Wirklich neu hingegen ist die BuzzKill. Hiermit verschießt ihr große runde Sägeblätter die eure Feinde ohne Diskussion in kleine Teile zerlegt. Ebenfalls neu auf dem Schwarzpulver-Speiseplan: Der Dropshot. Einmal die Feuertage gedrückt halten und schon macht sich eine schwebende Granate auf den Weg gen Feind. Lasst ihr die Taste jetzt wieder los, senkt sie sich zu Boden und detoniert. Ein wirklich fieses Gerät und sehr ungemütlich, da euch dadurch eure Deckung keinen Schutz mehr bringt und ihr zudem ohne Downtime direkt den Löffel abgebt. Somit ist das Arsenal nun größer als in allen bisherigen Teilen, da zusätzlich nahezu alle Waffen aus den früheren Werken den Sprung in den neuen Teil geschafft haben. Ob Markza, Retro-Lancer oder Boltok-Pistole – Die Möglichkeiten sind weitreichend. Diese Feuerkraft werdet ihr auch brauchen. Die KOR haben einige neue unsympathische Spielzeuge in ihren Reihen. Ob schwebende, autogroße Flugdrohnen mit Schutzschild und Mulcher-Gatling oder riesige Kampfdroiden, die scheinbar unendlich Kugeln aufsaugen, bevor sie als Garantiefall enden. Die Streitkräfte der Menschen stellen euch vor eine harte Probe. Der Schwarm und seine Einheiten stehen dem jedoch in nichts nach. Fiese große springverliebte „Grashüpfer“ feuern brennende Säure auf euch und die extra großen Scion-Soldaten tragen diverse schwere Waffen und verstärken die restlichen Fußtruppen mit einer Art Rage-Mode.

Wetterkapriolen und Koop-Modus

screenshot-gears-of-war-4-02Doch nicht nur die KOR und der Schwarm will euch umbringen, selbst der Planet hat es auf euch abgesehen. Bedingt durch die Geschehnisse des dritten Teils, spielt die Atmosphäre von Sera verrückt. Gigantische und gewaltige Elektro-Wirbelstürme überziehen das Land und plagen die Bewohner. So kommt es nicht selten vor, dass ihr euch Feuergefechte gegen den Schwarm vor imposanten Unwettern liefert. Diese könnt ihr euch aber auch zum Vorteil machen: Feuert dazu einfach auf zahlreiche instabile Stellen im Level und schon reißen riesige Gebäudestücke, Baustellen-Fahrzeuge oder sonstiger Schotter die Gegner in den Tod. Die Stürme machen im Zweifel aber auch keinen Halt vor euch. Oft müsst ihr euch geschickt durch gemeine Kugelblitze schlängeln, die euch bei einem falschen Schritt sofort zum letzten Checkpoint zurücksetzen. Da empfiehlt es sich doch auf Verstärkung zu setzen. Denn auch die Kampagne von Gears of War 4 könnt ihr dieses Mal wieder zusammen spielen. Bei Gears of War 4 jedoch in diesem Jahr nur zu zweit. Habt ihr keinen Kumpel parat, übernimmt die CPU die Kontrolle über eure Begleiter. Hier überzeugt die KI nur leider nicht so sehr. Zu oft rennen euch eure CPU-gesteuerten Kumpels vor das Fadenkreuz (und beschweren sich lautstark) oder beleben euch ewig nicht wieder, wenn ihr auf allen Vieren wie ein besoffener Mallorca-Touri über den Boden kriecht.

“Leider” nur schick

screenshot-gears-of-war-4-05Unterm Strich beherrscht Gears of War noch immer was es seit dem ersten Teil ausmacht. Das Gameplay ist wieder knackig, brutal und sehr actionlastig. Ein weiteres Aushängeschild war bisher jedoch auch immer die Optik. Dies trifft beim fünften Teil der Gears-Saga leider nicht mehr ganz zu. Das Spiel läuft zwar in einer Auflösung von 1080p mit stabilen 30 Bildern pro Sekunde, jedoch leidet dadurch die Opulenz der reinen Grafik doch etwas. Nicht falsch verstehen: Gears of War 4 sieht sehr „sauber“ und ordentlich aus. Als echtes Grafikbrett, wie seinerzeit Teil 1-3 kann es jedoch nicht bezeichnet werden. So bleibt die Next-Gen-Kinnlade aufgrund eher solider Optik bedauerlicherweise geschlossen. Die Soundkulisse ist gewohnt gut und begleitet euch mit düsteren eher klassischen Orchester-Themes durch die Kämpfe. Einige enttäuschte Gesichter wird es aufgrund der Synchron-Stimme von Marcus Fenix geben. Leider hat man sich dazu entschlossen, den ehemaligen Sprecher auszutauschen und es wirkt bedauerlicherweise etwas befremdlich, wenn eine Figur nach all den Jahren plötzlich anders klingt. Am Spiel selber ändert oder verschlechtert dieser Umstand jedoch nichts. Ein kleines Ärgernis ist es trotzdem.

Fazit

Gears of War 4 ist ein sehr gelungenes Comeback nach nun viel zu langer Zeit der Abstinenz. Spielerisch bietet es Fans wie Neueinsteigern genau das, was man erwartet. Einen kompromisslosen, direkten und brutalen Third-Person-Shooter im Endzeitszenario. Als erster Teil auf der Xbox One enttäuscht der Titel jedoch ein wenig auf der technischen Seite. Zwar sind die Wettereffekte bombastisch in Szene gesetzt und haben neben der herrlichen Optik sogar einen spielerischen Nutzen, die restliche Grafik haut 2016 aber niemanden mehr so richtig vom Hocker. Das ist Schade, galt Gears of War doch immer ein wenig als grafisches Aushängeschild der Xbox 360. Wir wollen uns jetzt jedoch nicht auf die Technik versteifen, denn im Kern ist ein Spiel noch immer ein Spiel. Und hier macht Gears of War 4 wieder so ziemlich alles richtig. Die Geschichte nach dem Locust-Krieg wird einleuchtend weiter erzählt und bringt neben zwei neuen Fraktionen, brandneue (und alt-bekannte) Charaktere, sowie zahlreiche neue Waffen ins Universum. So sind auch J.D. und Del nicht auf den Mund gefallen und duellieren sich während des Spiels mit dämlichen Macho-Sprüchen, womit der Humor und Charme der alten Teile nicht vergessen wird. Die Spielzeit orientiert sich an seinen Vorgängern: Fünf verschiedene Akte mit zahlreichen Kapiteln beschäftigen Solisten, je nach Schwierigkeitsgrad, gute 10 Stunden. Alles in allem werden Fans gepflegter Action in jedem Fall auf ihre Kosten kommen. Microsoft hat den Übergang zur neuen Konsolen -und Charakter-Generation also gut hinbekommen und wir freuen uns schon darauf den Multiplayer ausgiebig spielen können. Das Multiplayer-Fazit reichen wir daher zu gegebener Zeit nach.

Gears of War 4
Grafik/Präsentation
83
Story/Atmosphäre
84
Gameplay
92
Spielspaß
92
Leserwertung4 Bewertungen
46
88