Forza Motorsport 7 im Test – Is this Forza Players?

Wenn man sich auf eine Sache jetzt schon seit zehn Jahren verlassen kann, dann darauf, dass alle zwei Jahre ein neues Forza Motorsport kommt. Warten PlayStation-Piloten oft vier Jahre oder länger auf ein neues Gran Turismo bekommen Xbox-Fahrer zuverlässige Fortsetzungen seit 2007. Damals, vor zehn Jahren, erschien Forza Motorsport 2. Anders als der Serieneinstand war die Fortsetzung für mich in manchen Belangen tatsächlich besser als meine damalige Lieblingsraserei. In anderen Punkten konnte Turn 10 gleichziehen. Wieder anderswo hatte Polyphony Digital die Nase vorn. Wer ein wenig offener ist, für den ist es seitdem vermutlich eine Freude zu sehen, wie sich beide Reihen entwickeln und auch immer wieder beeinflussen, zumindest bisher. Allerdings kann ein neues Forza Motorsport alle zwei Jahre etwas viel sein. Erst recht wenn es so geniale Spin-Offs wie Forza Horizon gibt. Zusammen mit anderen Rennspielen sind es also gute Gründe nicht jede Motorsport Episode zu kaufen. Ich selbst begnüge mich normalerweise mit den geraden Episoden. Für Forza Motorsport 7 hab ich nun aber eine Ausnahme gemacht. Ob sich das gelohnt hat?

Ach du heilige Lootbox

Tatsächlich gab und gibt es im Netz reichlich Ärger und Diskussionen um Neuerungen, die gerade Fans betreffen oder momentan einfach Mode sind. Bereits zurückgerudert ist Microsoft bei den VIP-Mitgliedschaften. VIP-Member bekommen wieder doppelt Credits und vier Forza Edition Autos. Obendrein gab es einmalig eine Million Credits wegen all dem Ärger im Netz. Die zweite grundlegende Neuerung sind Lootboxen, welche Rennanzüge, Abzeichen, Modkarten und Autos enthalten können. Die Modkarten sind aus dem Vorgänger bekannt, konzentrieren sich aber hier mehr auf Rennbedingungen wie Fahren bei Nacht oder nur mit Bremslinie. Tatsächlich kann man Modkarten bei Teil sieben auch einfach ignorieren, wenn man will. Auch die Rennanzüge sind mehr nettes Gimmick als elementar. Da sie sich großteils aber auch anderweitig erspielen lassen, kann man hier ernsthaft überlegen, ob man überhaupt Gedanken an die Lootboxen verschwendet, wenn man sie nicht mag. Für den Spielfortschritt haben sie tatsächlich keine ernste Bedeutung. Natürlich kann man sich aus Prinzip über die Preiskisten aufregen. Und definitiv kann man sich fragen, ob das bei einem Spiel wie Forza überhaupt sein muss. Die Aufregung über die Lootboxen ist nicht ganz unberechtigt, in diesem Fall allerdings teilweise überzogen.

Dabei ist längst nicht jede Änderung negativ. Nicht zwingend schlecht sind einige Autos, die nur gelegentlich per Händlerpunkt zu bekommen sind. Die Fahrzeuge sind auch in fünf Kategorien, von gewöhnlich bis legendär, gestaffelt. Dabei wollen die höheren Stufen erst freigespielt werden, das geht aber recht fix. Natürlich gibt es nun auch die oben genannten Forza Edition Fahrzeuge, im Prinzip die Motorsport Variante der Horizon Editions und mit entsprechenden Boni für Credits. Auch der neue Menüpunkt Sammlung ist ziemlich praktisch, erhält man hier doch einen Überblick über alle Fahrzeuge und kann auch sehen, welche noch gesperrt sind. Nicht ganz neu: Rennklassen sind homologiert. Allerdings ist Forza Motorsport 7 hier strikter als bisher.

Nicht homologierte Autos sind praktisch nur noch im freien Rennen verwendbar und bestimmte Punkte wie Maximalleistung oder Reifenart müssen fest eingehalten werden. Immerhin, standardmäßig wird jeder Wagen homologiert gekauft, auch wenn man selbst Hand anlegen darf. Das torpediert allerdings endgültig das klassische Pimp it to the Max Konzept. Einen Lambo mit einem Käfer zu zersägen, ist so jedenfalls nicht mehr machbar. Im Gegenzug ist die Karriere besser präsentiert denn je. Den Pokal einzuheimsen und in die nächste Klasse aufzusteigen, macht tatsächlich Spaß, auch wenn man eben nicht in jedem Rennen auf dem ersten Platz landen sollte.

Voll auf Kurs

Genug der Menüs, es wird Zeit für die Piste. Tatsächlich macht Forza Motorsport 7 hier erstmal die gewohnt gute Figur, positiv wie auch, zugegeben, negativ. Wobei das Negative sich in Grenzen hält. Die Steuerung darf wie gewohnt angepasst werden. Dabei bietet Simulation ein ziemlich realistisches Fahrverhalten, zumindest mit deaktiviertem Reibungsassistenten. Denn der sorgt dafür, dass der Wagen abseits der Teerdecke allzu leicht kontrollierbar bleibt. Und auch das nach wie vor eher unrealistisch agierende ESP sollte besser aus sein. Wer es weniger anspruchsvoll mag, sollte lieber auf normale Steuerung schalten, die besonders vereinfachten Varianten sind nur bedingt empfehlenswert. Die Kontrolle per Pad klappt gewohnt hervorragend. Tatsächlich macht in dem Punkt nach wie vor kein anderes Rennspiel Forza etwas vor.

Es gibt zwar die ein oder andere Giftnudel im Fuhrpark, aber Handling und Feedback, das Forza Motorsport 7 am Controller bietet, auch bei Dingen wie Schlupf, machen es vielleicht zur idealen Asphaltraserei für Joypadfahrer. Streitbar an der Stelle übrigens sind die Renneinnahmen, die nicht mehr von den Steuerungseinstellungen abhängig sind. So wird zwar keiner mehr benachteiligt, es gibt aber auch keinen Grund mehr, sich selbst stärker zu fordern. Anders sieht das beim Schwierigkeitsgrad der Drivatare aus. Stärkere KI heißt immer noch mehr Einnahmen. Auch die Aggressivität der Computergegner kann man einstellen, wobei hier mehr Stufen schön wären. Denn entweder sind die KI-Kollegen ziemlich brav oder sehr rabiat unterwegs. Bei längeren Rennen macht sich auch ein gewisser Gummibandeffekt bemerkbar. Die KI lässt sich nach Boxenstopps einigermaßen leicht wieder einholen, anschließend aber kaum richtig abhängen. Erwähnenswert sind auch die weichen Hindernisse. In vielen anderen Rennsimulationen ballert man nach wie vor in Reifenstapel wie in eine Betonwand. Hier ist das ganz anders und nebenbei erheblich schöner. Weiche Hindernisse geben wirklich nach, zeigen ein ganz anderes Crashverhalten, Reifen kullern durch die Gegend –  kleines Detail mit riesiger Auswirkung.

Natürlich kann sich auch die Streckenauswahl sehen lassen. Neben der neuen Dubai Strecke und Homestead finden sich mit Suzuka und vor allem Maple Valley endlich auch alte Bekannte wieder. Mit insgesamt 32 Strecken in verschiedenen Varianten kann sich die Auswahl also wirklich sehen lassen. Für viele, mich eingeschlossen, dürften es dabei gerne noch mehr Fantasiestrecken sein. Und natürlich werden immer irgendwem Strecken fehlen. Alleine aus Forza 4 seien mal Twin Ring Motegi und Tsukuba genannt. Die Gesamtauswahl ist aber wirklich gut. Sie könnte allerdings noch deutlich abwechslungsreicher sein, aber dazu später mehr.

Ebenfalls ein echtes Highlight ist das neue und weit dynamischere Wetter. Es wird langsam dunkel oder vielleicht auch allmählich wieder hell. Bedrohliche Gewitterwolken ziehen auf, bleiben aber vielleicht in der Ferne oder Platzregen setzt ein und zieht wieder ab. Anders als bei Project CARS 2 gibt es derzeit keine Schneeumgebungen und das Wetter ist auch nicht völlig frei konfigurierbar. Dennoch stellen die neuen, wechselhaften Bedingungen einen echten Gewinn für die Rennen dar. Auch kleine Details wie Dunstschwaden oder Staubwolken tragen dazu bei. Eine gute Ecke entschärft wurde gegenüber dem Vorgänger das Aquaplaning. Trug Forza Motorsport 6 hier vielleicht etwas zu dick auf, könnte es jetzt irgendwie etwas mehr sein. Die goldene Mitte zu finden, ist hier sicher nicht trivial.

Etwas versteckt ist die Option, Rennen auch in längerer Form zu fahren. Auch Testrunden sind fahrbar, das Gefühl authentischer Rennwochenenden kommt unter anderem mangels Qualifying aber nicht so sehr auf wie zuletzt bei Project CARS 2. Zugegeben, hier ist Forza 7 bewusst mehr casual und dafür deutlich zugänglicher. Optionale Qualifyings würden aber auch nicht schaden.

Was allerdings wirklich langsam fehlt, sind Offroadkurse. Gerade mit Blick auf die Fahrzeugliste, die mittlerweile reihenweise Rallycars, Offroader und SUV’s bietet, hätten es zumindest ein paar Rallycross- und Offradkurse sein dürfen, vielleicht sogar, gerne fiktive, Streckenrennen im Rallystil. Die Karriere von Forza Motorsport 7 macht es locker möglich, das einerseits vernünftig einzubinden und andererseits zu umgehen, wenn es nicht interessiert. Hier wurde unterm Strich eine riesige Chance vertan. Stattdessen einen F-150 Racetruck oder den Toyota Tundra mit seinen Riesenreifen durch Long Beach zu prügeln, fühlt sich dagegen irgendwie überflüssig an.

Sehr positiv gibt sich wieder mal der Multiplayer. Auch wenn Ligen momentan noch nicht aktiv sind, der Online Modus läuft sehr rund, wobei natürlich gerade in der Startphase auch Crashkids unterwegs sind. In den nächsten Wochen und Monaten dürften eher die ambitionierten Fahrer übrig bleiben. Ein Plus kann Forza 7 aber auch bei einem fast vergessenen Feature einheimsen. Es gibt einen zwei Spieler Splitscreen. Leider ermöglicht dieser derzeit nur direkte Versus Rennen. Wünschenswert wäre hier, wenn zukünftig auch die Karriere im Koop spielbar gemacht würde.

Dangerously Beautiful

Das steht so auf der Forzaseite und es ist korrekt. Ja, im Netz geistern gerade haufenweise Diskussionen um Downgrades herum. Und es stimmt sogar. An den passenden Stellen kann man ganz toll Fotos machen, wo Objekte in Forza 6 detaillierter waren. Dabei wird aber auch einiges schlicht übersehen oder unter den Tisch gekehrt. Die meisten der genannten Detailreduzierungen spielen im Rennen tatsächlich einfach gar keine Rolle. Immerhin parkt man nicht vor dem Reifenstapel, steigt aus und guckt ihn sich an. Man fährt daran vorbei und zwar mit möglichst hohem Tempo. Außerdem stehen dem viele andere Verbesserungen gegenüber: Die wesentlich dynamischere und realistischere Ausleuchtung etwa, obendrein mit wechselnden Verhältnissen, die nochmal verschönerten Reflexionen auf regennasser Strecke, manch eine verbesserte Textur oder eben auch Staubwolken, weniger starke aber realistischere Gischtwolken und viele kleine Details mehr. Natürlich sammeln die Boliden auch Dreck und Dellen im Rennen. Tatsächlich sieht unterm Strich Forza Motorsport 7 eher besser aus als bisher. In jedem Fall ist es selbst in 1080p das momentan vielleicht bestaussehendste 60 FPS Rennspiel, zumindest bis Gran Turismo Sport erscheint und die Karten wieder neu gemischt werden. Natürlich gibt sich Turn 10’s Rennsimulation soundseitig auch keine Blöße. Die Abmischung ist dabei, wie fast schon gewohnt, auf Topniveau. Einen Ausreißer in der sonst sehr realistischen Klangkulisse stellen die recht synthetisch tönenden Donner dar. Im Gegenzug sind Autos aus den 90ern oder älter beispielsweise hörbar schlechter gedämmt, viele Motorengeräusche scheinen noch mal neu abgemischt oder gar aufgenommen zu sein und jeder Unterschied im Bodenbelag ist klar hörbar. Soundmäßig macht Forza Motorsport 7 einfach gewohnt viel Spaß. Ein Streitpunkt könnte vielleicht die Musik sein, tatsächlich muss ich aber sagen, dass sie mir gefällt.

Autobahn

Muss man Forza Motorsport 7 unbedingt haben? Das ist wohl die Kernfrage für Fortsetzungen dieser Art. Und tatsächlich ist sie gar nicht einfach zu beantworten. Verbesserte Karriere, dynamisches Wetter aber auch Details wie die Widebody-Kits, die man bereits bei Forza Horizon 3 nutzen durfte, sind definitiv gute Gründe für den neuesten Ableger. Dem gegenüber stehen verpasste Chancen bei den Offroadern, ein netter aber ausbaubarer Splitscreen und, ganz ehrlich, ein immer noch ziemlich frisches und richtig gutes Forza Motorsport 6. Gerade dieser wirklich erstklassige Vorgänger ist es unterm Strich, der es schwierig macht, Forza 7 wirklich für restlos jeden zu empfehlen. Und das viel mehr als böse Lootboxen oder vermeintliche Downgrades. Wer den Vorgänger ausgelassen hat, ohnehin jedes Forza kauft oder ambitionierter online unterwegs ist, der kann auch beim siebten Teil bedenkenlos zugreifen. Dennoch sollten Microsoft und Turn 10 langsam ernsthaft überlegen, mit längerem Entwicklungszeitraum auch größere Fortschritte zwischen einzelnen Teilen zu ermöglichen.

Fazit

Forza Motorsport 7 hat eigentlich nur zwei Probleme: Forza Motorsport 6 und das Horizon Spin-Off. Letzteres bietet Offroad und irgendwie einfach mehr Spaß, Realismus hin oder her. Und ersteres war einfach so gut, dass sich die neueste Episode nur bedingt absetzen kann. Außer für absolute Realismusfanatiker gibt es keine bessere Rennsimulation auf der Xbox One und auch keine schickere. Habt ihr den Vorgänger ausgelassen oder giert einfach wieder nach einem neuen Forza, dann macht auch der siebte Teil wieder erstklassige Arbeit. Dennoch bleibt am Ende das Gefühl, dass Turn 10 mit mehr Zeit ein noch besseres und abwechslungsreicheres Meisterstück hätte liefern können.

Forza Motorsport 7
Grafik/Präsentation
91
Gameplay
90
Multiplayer
89
Spielspaß
90
Leserwertung0 Bewertungen
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90