F1 2018 im Test – Ein Nerd macht Karriere

Auch in diesem Jahr versorgt uns Codemasters durch F1 2018 wieder mit dem offiziellen Videospiel zur Königsklasse. Während Sebastian Vettel in der realen Formel 1 schon fast den Kampf um die WM-Krone verloren hat und Lewis Hamilton erneut auf dem Weg zum Titel ist, haben wir die Chance im Videospiel einen anderen Weg zu gehen. Ob das so viel Spaß macht wie in den letzten Jahren, verraten wir euch in unserem Test.

Ähnlicher Umfang wie im vergangenen Jahr

Wenn man den Vorgänger aus dem letzten Jahr kennt und einen Blick auf die verschiedenen Modi wirft, wird man nicht viel Neues entdecken. Einzelne Rennen, individuell zusammengestellte Saisons, reine Jagd nach Bestzeiten, natürlich der Online-Modus oder man klemmt sich hinters Steuer eines der zahlreichen Nostalgie-Boliden. Lange oder kurze Rennwochenenden mit verschieden langen Test-Sessions, unterschiedlich ausgeprägten Qualifyings und unterschiedlich langen Rennen, die einen direkten Einfluss auf das Rennen selbst haben.

Die Einstellungen zum Ablauf der Sessions und die Bedingungen sind unheimlich umfangreich, so dass man nichts dem Zufall überlassen kann, wenn man das denn möchte. Neben strömenden Regen, kann man hier auch strahlenden Sonnenschein oder wechselnde Wetterbedingungen nehmen, was die gewählte Strategie der einzelnen Sessions oder Rennen zunichte machen kann und den Verlauf auf den Kopf stellt. Aus meiner Sicht kommt aber erst richtige Spannung auf, wenn man den virtuellen Wettergott selbst entscheiden lässt und man spontan auf die Bedingungen eingehen muss. Alles nichts neues, was man nicht schon aus den Vorgängern kennt und zu schätzen gelernt hat.

Die Karriere als Herzstück

Das Herzstück ist aber einmal mehr die Karriere, bei der man entweder in die Rolle eines der echten Fahrer aus den zehn Formel 1 Teams aus der Saison 2018 schlüpft, oder sich seinen eigenen Fahrer kreiert. Hierbei hätte ich mir endlich einen etwas umfangreicheren Editor gewünscht. Während man Namen und Nationalität noch frei wählen bzw. eingeben kann, darf man beim Aussehen nur aus wenigen vorgefertigten Fahrern und Helmen wählen. Individuelle Einstellungsmöglichkeiten, um sein neues Formel 1-Ich auch wirklich so aussehen zu lassen wie man selbst, fehlen leider komplett. Kurios finde ich dabei schon fast die Auswahl der Audioausgabe des eigenen Namens für die Kommentare während des Spiels. Hier sind viele exotischere Namen wie Depala oder Chén zu finden, auch Spitznamen wie „der Regenkönig“ oder „der Glückspilz“ hat man zur Auswahl, vermeintlich einfache Namen wie Christoph oder Michael, sucht man aber vergebens. Hier hätte man ruhig auf die Bedürfnisse der einzelnen Länder eingehen können, immerhin sind die Namen durch den RTL-Kommentator und Stefan Römer allesamt eingesprochen worden. Eine Anpassung wäre doch möglich gewesen. So müssen Menschen die wie ich Christoph oder Michael heißen, sich irgendwas anderes aus der Liste aussuchen. Vermeintlich einen der doch etwas dämlichen Spitznamen.

Obwohl der eigene Name nicht dabei ist, soll das den Spielspaß nicht trüben, auch wenn man nicht direkt versteht, dass man selber gemeint ist, wenn Heiko Wasser vom Glückspilz spricht. Hat man sich für ein Team festgelegt, geht es auch schon los. Von seiner Managerin in die wichtigsten Funktionen eingeführt, warten auch die ersten Fragen der Presse auf einen. Welche Ziele man verfolgt und wie es ist nun als Formel 1-Fahrer auf der Rennstrecke unterwegs zu sein.

Hat man sich den lästigen Fragen entledigt, geht bereits die Vorbereitung auf das erste Rennen los. Hier kann der Bolide nach seinen Wünschen eingestellt und an zahlreichen Schräubchen gedreht werden. Hier ein bisschen Telemetrie, da ein bisschen mehr Reifendruck und dann noch die Federung etwas weicher einstellen. F1 2018 bietet für echte Fans der Rennsimulation zahlreiche Möglichkeiten noch mehr aus seinem Auto rauszuholen, was einen Neuling oder jemand, der es nicht ganz so genau nimmt, schnell überfordern kann. Glücklicherweise kann man das aber in die Hände des Computer legen, so dass man sich ganz aufs Fahren konzentrieren kann.

Auch hier kann man sich Umfang und Länge der jeweiligen Sessions frei wählen. Man muss nicht unbedingt die freien Trainings absolvieren, selbst wenn sich diese gut dafür eignen, um verschiedene Einstellungen des Fahrzeugs zu testen und noch ein paar hundertstel rauszuholen. Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum es sich lohnt, so viel wie möglich vom Rennwochenende mitzunehmen. Denn mit jedem absolvierten Test, Training und je besser die Position im Qualifying oder Rennen, desto mehr Ressourcenpunkte erhält man. Diese benötigt man, um das Fahrzeug weiterzuentwickeln.

Hierzu gibt es im Menü zwischen den Wochenenden die Möglichkeit in einem klassischen Fahrzeugbaum das Auto Stück für Stück weiterzuentwickeln. In welche Richtung man zuerst geht, hängt ganz von seinen eigenen Bedürfnissen und Fahrverhalten ab. Ist das neue Teil erfolgreich entwickelt worden, kann man dieses direkt einbauen lassen. Wenn man Pech hat, dann kann es passieren, dass die Entwicklung fehlschlägt, was man dadurch verhindern kann, dass man die hart verdienten Ressourcenpunkte nicht in neue Teile sondern Qualität der jeweiligen Forschungsabteilung steckt. So kann man auch kleinere Teams wie Haas oder Renault bis an die Spitze führen und Mercedes bzw. Ferrari vom Thron stoßen. Bei konstanter Entwicklung und fleißiger Nutzung der jeweiligen Trainings, enteilt man den gegnerischen Teams leider etwas zu weit. Hier kann man zwar mit einer höheren Schwierigkeitsstufe entgegen steuern, aber wünschenswerter wäre es gewesen, wenn sich auch die anderen Teams entsprechend weiterentwickeln würden. Tun sie zwar, aber nicht genug, um wirklich konkurrenzfähig zu sein bei gleichbleibenden Schwierigkeitsgrad.

Insgesamt macht der Karrieremodus aber trotzdem unheimlich viel Spaß, weil man mehr das Gefühl hat wirklich Einfluss nehmen zu können, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war. Codemasters hat hier einen runden und motivierenden Karrieremodus geschaffen. Auch die wiedereingeführten Pressefragen tragen dazu bei, welche nun auch wirklich Einfluss nehmen. Je nachdem wie man antwortet, prägt man sein eigenes Image. Ist man eher ein Hitzkopf wie Max Verstappen oder eher gemäßigt wie Sebastian Vettel. Die Interviews haben Einfluss auf das Ansehen im eigenen, als auch bei den anderen Teams oder die Motivation der jeweiligen Forschungsabteilungen. Lobt man beispielsweise den Motor oder das Chassis, dann kann man sich sicher sein, dass sich die jeweilige Abteilung bei der nächsten Entwicklung so richtig ins Zeug legen wird.

Grafisch und soundtechnisch Top, aber…

Grafisch kann man dem Team von Codemasters wieder einmal nichts vorwerfen. Vor allem die Rennboliden sehen unheimlich realistisch aus. Wettereffekte wie Regen oder aber auch Spiegelungen auf dem Fahrzeug sehen auf dem Testgerät Xbox One X atemberaubend gut aus. Selbiges gilt für die Strecken, wobei ich hier ein paar Abstriche machen würde. Zwar wurden diese mit viel Liebe zum Detail umgesetzt, allerdings wirken sie zum Teil etwas leblos. Das habe ich beispielsweise in Forza Motorsport 7 schon besser gesehen. So bewegen sich die Zuschauer auf den Rängen kein bisschen und erinnern eher an Schaufensterpuppen, als an Zuschauer, die ihre vorbeirasenden Idole bejubeln. Nicht einmal die hochgehaltenen Flaggen werden geschwenkt, sondern nur Starr in den Wind gehalten. Man kann zwar sagen, dass es einem beim vorbeirasen nicht unbedingt auffällt, aber Tribünen sind gerne in Kurvenbereichen aufgestellt, an denen man naturgemäß langsamer fährt und dann fällt es doch irgendwann auf. Ich könnte mir allerdings auch vorstellen, dass es Performancegründe hat. Zwar läuft F1 2018 weitestgehend flüssig bei 60fps, aber hier und da kommt es doch immer mal zum berühmt berüchtigten Tearing-Effekt.

Dabei ist es egal, ob man in der Verfolgerkamera fährt oder aus der Cockpit-Ansicht. Wobei ich den Effekt tatsächlich in der Cockpit-Ansicht seltener beobachten konnte, was am neuartigen Halo-Schutz liegen könnte. Ihr wisst schon, den überaus praktischen und unheimlich hässlichen Bügel, der die Fahrer beispielsweise vor umherfliegende Reifen schützen soll. Denn dadurch bewegen sich weniger Bereiche im Sichtfeld des Fahrers, gleichzeitig sieht man aber auch deutlich weniger.

Noch weniger habe ich beim Sound zu bemängeln. Motorengeräusche und auch sonstige Klänge, die eben bei so einem Formel 1 Rennwagen oder dem drumherum entstehen, wirken authentisch. Selbst die Pressefragen und die damit verbundene deutsche Synchronisation ist in Ordnung, auch wenn sie die Fragen irgendwann doch immer mal wieder wiederholen und durchaus Emotion vermissen lässt. Gleiches gilt ebenso für das Kommentatorenteam. Zwar doch ein kleiner Kritikpunkt, allerdings habe ich auch noch kein Sportspiel gesehen bzw. gehört, wo dies annähernd zur Wirklichkeit umgesetzt wurde. Der Aufwand und die Anzahl an nötiger Soundschnippsel wären überwältigend und würden in keinem Verhältnis zu einander stehen.

Mit Konzentration um die Kurven

Wenn ich mit jemanden über eines der von Codemasters entwickelten Formel 1 Spiele rede, dann sage ich immer, dass ich dafür Ruhe brauche wenn ich es spiele. Es gibt auch Rennspiele, wo die Freundin gerne mal reinkommen kann und man darüber quatscht, was heute war oder Befehle erhält, was man doch bitte zutun hat, ohne dass man Konsequenzen im Spiel bemerkt. Bei Formel 1 ist das allerdings anders, da benötige ich pure Konzentration auf die Strecke und das Auto. Kleinste Fahrfehler können in einem Dreher enden oder einmal zu spät gebremst, sitzt man dem Gegner hinten auf dem Heck und der Frontflügel ist dahin und muss ersetzt werden. Die Gute Position ist dann erstmal futsch.

Manche mag eben genau das nerven, aber für mich ist es ein absolutes Qualitätsmerkmal. Ein Formel 1 Auto lenkt sich eben nicht gerade mal eben um die Strecke, man muss eins mit seinem Auto sein und auf kleinste Veränderungen horchen. Wechselndes Wetter, abgefahrene Reifen oder eben beschädigte Teile beeinflussen das Verhalten des Autos massiv, so dass man gezwungen ist dieses durch einen Boxenstopp zu korrigieren. Zwar kann man die Rückspulfunktion nutzen, wenn man mal wieder einen Dreher produziert hat, aber seien wir mal ehrlich, dadurch geht der Reiz auch ein wenig verloren.

Was allerdings ein wenig nervt sind die doch manchmal etwas aggressiven oder unvorsichtig fahrende KI. Durch diese werden immer wieder Kollisionen verursacht, wo ich zugeben muss, dass ich dann doch mal die Rückspulfunktion genutzt habe. Und wenn die Kollision allein nicht noch schlimm genug wäre, dann meint die Rennleitung einem auch noch Strafen aufbrummen zu müssen, da man angeblich eine Kollision verursacht habe. Diese doch etwas zweifelhafte Erkennung von Fehlverhalten zieht sich aber schon länger durch die Spielereihe und ich würde mir doch sehr wünschen, wenn Codemasters das besser in den Griff bekommen würde. Nur ein Beispiel: Ein vorausfahrender Gegner prallt gegen die Bande und schießt dann plötzlich quer über die Strecke und ich berühre ihn daraufhin, weil ich nicht mehr ausweichen konnte. Offensichtlich nicht meine Schuld, der Computer erkennt es aber trotzdem als meine Schuld und brummt mir eine Strafe von 10 Sekunden auf. Inklusive nötigen Boxenstopp habe ich so gerade noch den 15. Platz erreicht, obwohl ich vorher eher auf Sieg gefahren bin.

Leider konnten wir das Spiel nicht mit einem Lenkrad, sondern nur mit dem Controller testen. Laut Herstellerseite werden für Xbox One, PlayStation 4 als auch PC zahlreiche verfügbare Lenkräder unterstützt.

Fairplay fürs Matchmaking

Für den Multiplayer haben sich die Jungs ein wenig bei Gran Turismo Sports bedient. Und zwar gibt es nun auch bei F1 2018 neben einem Onlinerang auch eine Fairnesswertung, welche das Matchmaking verbessern und besonders faire Fahrer belohnen soll. Ich selbst bin wegen eben dieser unfairen Fahrer kein großer Fan von Online-Rennspielen. Irgendein, sorry für das Wort, Idiot ist immer dabei, der den anderen einfach nur das Rennen vermiesen will und in keinem anderen Genre ist es so einfach dies zu tun, als in Rennspielen. Ob diese Fairnesswertung hierbei hilfreich ist, muss die Zeit zeigen.

Insgesamt funktioniert der Online-Multiplayer aber wirklich gut. Bei den Tests musste ich nur selten länger auf eine Lobby warten und wenn eine gefunden wurde, konnte sich das Spiel auch flott mit dieser verbinden. Egal ob Ranglistenrennen, Spaßrennen oder eben die Online-Meisterschaft, bei der ein individueller Rennkalender zum tragen kommt.

Fazit

F1 2018 ist wieder eine runde Sache, auch wenn es doch nicht so viele Neuerungen gibt, wie man sich vielleicht erhoffen würde. Stattdessen hat man den guten Vorgänger genommen und was Umfang angeht nur an ein paar Stellschrauben gedreht. Nichtsdestotrotz macht F1 2018 wieder jeden Fan der Königsklasse des Rennsports glücklich und es macht unheimlich viel Spaß seine eigene Karriere zu starten. Ob sich die Fairnesswertung positiv auswirkt, muss sich zeigen, der gute Ansatz ist zumindest da. Vielleicht werde ich so auch mal wieder das ein oder andere Onlinerennen mehr fahren.

F1 2018
Grafik/Präsentation
80
Story/Atmosphäre
80
Gameplay
90
Multiplayer
80
Spielspaß
85
Leserwertung0 Bewertungen
0
Motivierende Karriere
Beeindruckende Grafik
Überragende Fahrphysik
Satter und realistischer Sound
Fairnesswertung beim Matchmaking
Gelegentliches Tearing
Abseits der Strecke wenig Leben
83