Enter The Gungeon im Test – Ein Nerd im Pixel Dungeon

Einer der angesagtesten Indie-Spiele-Trends ist aktuell neben pixeligen 8 oder 16 Bit Spielen definitiv das Genre Rogue-Like. Dabei hat dieses spezielle Genre bereits einige Jährchen auf dem virtuellen Buckel. 1980 erschien das an der Universität von Berkeley entwickelte Spiel Rogue und ist damit der Namensgeber dieser Gattung Spiele (ähnlich wie bei Metroidvania/Castleroid). Das gemeine, jedoch auch gleichzeitig sehr spannende an diesem Genre ist die Tatsache, dass sämtliche Spieldurchgänge vor dem Start prozedural generiert werden und ihr obendrein durch das Abnippeln euren Fortschritt komplett verliert. Im Klartext bedeutet dies, dass sämtliche Level, Items oder auch Gegner vor jedem Durchgang vollkommen willkürlich von der CPU zusammengeschustert werden. Segnet ihr das Zeitliche, ist dieser Umstand ziemlich endgültig und ihr verliert all eure gesammelten Gegenstände und sonstigen Fortschritt. Nun bleibt euch nichts anderes übrig als euer Glück einfach erneut zu versuchen. Unser neustes Muster, Enter the Gungeon, ist so ein Vertreter dieser Spezies und hat mich als Tester einiges an Nerven gekostet.

Top-Down-Hardcore-Action

Devolver Digital und Dodge Roll schicken euch auf eine Zeitreise der besonderen Art. Im sagenumwobenen Gungeon habt ihr die Möglichkeit eine besondere Waffe zu finden, mit der ihr eure (unliebsame) Vergangenheit auslöschen könnt bzw. zu einem beliebigen Punkt eures Lebens zurückreisen dürft. Als Spieler habt ihr daher gleich zu Beginn des Abenteuers zunächst einmal die Wahl aus vier unterschiedlichen Helden, die sich (spielerisch) kaum merklich voneinander unterscheiden. Der Marinesoldat verfügt neben seiner Rüstung die Fertigkeit sich Munition liefern zu lassen und ist geübter im Umgang mit Waffen, während beispielsweise der Pilot Schlösser knacken kann und die Jägerin mit tierischer Begleitung unterwegs ist. Die grundsätzliche Handhabung aller Charaktere ist jedoch ziemlich gleich und beschränkt sich auf nur wenige Tasten. Enter The Gungeon spielt sich aus der klassischen Top-Down-Ansicht (oder altmodisch uncool „Vogelperspektive) und ist im Herzen ein Twin-Stick-Shooter. Während ihr also eure Figur mit dem linken Stick bewegt, entscheidet der rechte Stick die Blick -und vor allem die Schussrichtung. Geballert wird mit dem rechten Bumper und Nachladen versteckt sich unter der Taste X (Xbox-Layout). Eine wichtige und praktische Ausweichrolle vollzieht ihr mit dem linken Bumper. Hiermit könnt ihr durch Geschosse springen, ohne Schaden zu nehmen – perfektes Timing vorausgesetzt. Diese Technik ist vor allem in den tieferen Ebenen essentiell an eurem Überleben beteiligt, da ihr mit normalem Laufen den zahlreichen Geschossen nicht mehr entfliehen könnt.

Geduld und Wille ist gefragt

Spielt ihr nun mit dem Gedanken euch ins sagenumwobene Gungeon zu wagen, solltet ihre eine recht hohe Frusttoleranzgrenze mitbringen. Durch die prozedurale Inszenierung habt ihr keinerlei Möglichkeit die Level zu üben oder euch auf etwas wirklich einzustellen. Dass die Gungeon-Ebenen selber jedes Mal grundsätzlich anders sind, ist irgendwo verkraftbar, schlimmer ist jedoch, dass ihr der Willkür hinter dieser Idee ausgesetzt seid. So kann es euch einfach passieren, dass ihr in einem Durchgang kaum eine brauchbare oder sogar keine Waffe in eure Finger bekommt. So kann es einen schon ziemlich ärgern, wenn ihr in den wenigen Truhen zu allem Überfluss nur unbrauchbaren Kram findet. Dann bleibt euch nichts anderes übrig als euch dem Levelboss mit der Standard-Knarre zu stellen (Türen zu Bossen sind netterweise gekennzeichnet, Zelda lässt grüßen) und zu hoffen in der nächsten Ebene mehr Loot-Glück zu haben. Mit viel Aufwand und viel Übung lässt sich aber selbst ein Enter the Gungeon etwas frustfreier gestalten. Besiegt ihr beispielsweise einen Boss ohne dabei Schaden zu nehmen, könnt ihr mit den entsprechenden Materialien eine Abkürzung in die jeweilige nächste Ebene freispielen.

Augen zu und durch

Im zweiten Stockwerk habt ihr zudem die Möglichkeit einen Händler aus einem Verließ zu befreien, bei dem ihr permanente Items und Verbesserung für einen Charakter freischalten könnt. Als Währung akzeptiert dieser jedoch nur mysteriöse grüne Symbole, die ihr durch das Besiegen von Bossgegnern erhaltet. So habt ihr zumindest eine kleine Möglichkeit gegen den harten Umgang der Gungeons anzukämpfen, auch wenn dies eine Menge Grinding voraussetzt. Für den harten Umgang sorgen die zahlreichen Feinde, die euch in den Tiefen das Leben schwer machen wollen. Am Anfang begegnen euch noch recht harmlose Angreifer, die nicht sonderlich viel einstecken und euch lediglich mit einem einzelnen Schuss beharken. Erreicht ihr jedoch die zweite oder dritte Ebene, zieht das Aufkommen, sowie deren Bewaffnung deutlich an. Bald schießt euch ein Hagel an Geschossen um die Ohren und das Ausweichen erinnert einen frappierend an japanische Bullet-Hell-Shooter. Und so sterbt ihr euch von Versuch zu Versuch und hofft insgeheim auf den einen Run, der euch neben anständigen Waffen kurze und nicht ganz so harte Gungeons präsentiert. Zumindest die Bossgegner wiederholen sich ziemlich regelmäßig , so dass man mit diesen nach ein paar Tänzchen ganz gut zurecht kommt.

Gemeinsam seid ihr (auch) schwach

Für Freunde gepflegter Multiplayer-Coop-Action haben wir eine gute und eine schlechte Nachricht. Enter The Gungeon lässt sich nämlich kooperativ mit einem Kumpel angehen. Der Haken an der Sache: Leider funktioniert diese Art der Arbeitsaufteilung nur lokal an einer Konsole. Einen optionalen Online-Modus hätten wir uns sehr gewünscht, da dieser für das Spiel geradezu prädestiniert scheint. So konnten wir den Buddy-Modus lediglich an einem Abend testen. Weitere Skurrilität: Der zweite Spieler kann lediglich den Spezial-Charakter „Kultist“ benutzen – die anderen Figuren bleiben für ihn gesperrt. Muss man auch nicht verstehen. Zu zweit macht das Spiel, wie die meisten anderen, auch gleich etwas mehr Spaß. Leichter wird es dadurch nicht unbedingt, da die Gegner einfach mehr Schaden einstecken und auch etwas zahlreicher ihren Untergrund verteidigen. Auch sämtliche gefundene Items müsst ihr euch brüderlich teilen.

Oldschool-Optik – Newschool Technik

Wie viele der aktuellen Indie-Titel präsentiert sich euch Enter The Gungeon ebenfalls im angesagten Pixel-Look. Das hat Charme für die meisten Ü30iger und liegt bei den Jüngeren voll im Trend. Wichtig ist vor allem, dass es zu keinen Slow Downs oder zu unschönem Schluckauf in der Bildrate kommt. Das Spiel steuert sich permanent weich und flüssig und ist ausnahmsweise niemals für euer Ableben verantwortlich. Da müsst ihr euch schon an die eigene Nase fassen. Positiv fällt einem auch das lustige Artdesign ins Auge. Eure Feinde bestehen anfangs aus übergroßen Patronenhülsen und greifen im weiteren Verlauf sämtliche Themen der Videospielwelt auf. Stattlicher Ritter, Robe tragende Zauberer oder der obligatorische Schleimhaufen – Von allem ist irgendetwas dabei. Highlight sind die Bosse am Ende eines Levels. Gatlin-Taube oder Bulletking, jeder Obermotz wird euch ein Grinsen aufs Gesicht zaubern. Begleitet wird das Spiel von einem (Devolver) gewohnt guten Soundtrack. Wem der Pixellook zu altbacken ist oder sich aktuell ein wenig daran satt gesehen hat, wird natürlich die Nase rümpfen.

Fazit

Enter The Gungeon richtet sich an die harte Fraktion, mit einem doch recht speziellen und strapazierfähigen Spielegeschmack. Mir persönlich verdirbt gerade der Rogue-Like-Aspekt den Spaß am Spiel, wobei ich das Gameplay an sich gut finde. Während die prozedural-generierten Gungeons fordernd und spaßig zugleich sind, ärgert es mich einfach jedes Mal, wenn ich in einem eigentlich guten Durchgang einfach Pech mit dem Loot habe und dadurch einer gewissen Willkür ausgesetzt bin. Oft passiert es in den tieferen Ebenen auch, dass ein unbekannter Raum plötzlich unsagbar schwer ist und euren ganzen Run versaut. Sicherlich ist es zu einem guten Teil eine Sache des Geschmacks, ob man damit zurecht kommt, auch mal nach zwei Stunden Spielens keinerlei Fortschritt zu erzielen, für mich ist dies jedoch ungemein demotivierend. Sonst hinterlässt der Gungeon-Crawler einen brauchbaren Eindruck. Steuerung, Gameplay und Aufmachung wissen zu gefallen, zweiteres erfordert aber eine menge Übung. Wer auf beinharte Rogue-Spiele steht, macht mit dem Kauf sicher nichts verkehrt, für Neueinsteiger könnte Enter The Gungeon jedoch recht frustrierend enden. Und am Ende bleibt noch die Frage, wieso man keinen Online-Coop implementiert hat.

Enter The Gungeon
Grafik/Präsentation
72
Story/Atmosphäre
70
Gameplay
73
Multiplayer
73
Spielspaß
71
Leserwertung1 Bewertung
94
72