Burnout Paradise Remastered im Test – Bremsen macht die Felgen dreckig

Es ist um die 25 Jahre her, da hüpften wir mit unseren Teenager-Freunden und einem Dosenbier durch Papis Partykeller, grölten die Songs von Guns’n’Roses und fühlten uns zu Großtaten berufen. Keine drei Jahrzehnte später verhandeln wir mit dem Gebrauchtwagenhändler an der Ecke, um den zehn Jahre alten Opel Meriva dort auf den Hof doch für vielleicht unter fünftausend Euro zu bekommen – Familienzuwachs macht’s nötig. Und vielleicht fragt man sich irgendwann, was das eigene 14jährige Alter Ego wohl mittlerweile von einem halten würde. Dann plötzlich kriegt man das Remake von Burnout Paradise in die Finger.

Take me down…

2008 erblickte Burnout Paradise auf der PS3 und Xbox 360 das Licht der Welt. Criterion hat sich zum Zehnjährigen des Klassikers angenommen und den einstigen Kassenschlager technisch aufgehübscht. Burnout Paradise Remastered enthält alle DLCs, die ursprünglich für das Spiel veröffentlicht wurden, einschließlich des Erweiterungspakets Burnout Bikes, Cops & Robbers Packs, Toy Cars Packs, einer ganzen Reihe zusätzlicher Herausforderungen und viel, viel mehr. Außerdem werden Grafiken in 4K auf entsprechenden Konsolen und insgesamt 60 FPS geboten. Wer das Original damals verpasst hat: Die Prämisse von Burnout Paradise ist einfach. Im Kern ging und geht es vor allem um Hochgeschwindigkeitsrennen und das Ausschalten gegnerischer Fahrzeuge mit spektakulären Crashs. Schon die Vorgängerspiele waren der Inbegriff eines geradlinig schnellen und attraktiven Arcade-Rennspiels. Der Spieler beginnt mit einem Auto auf einem weitläufigen Open-World-Stadtplan und muss durch die Gegend fahren, um andere Autos in schwelende Wracks zu verwandeln, Rennen und andere Ereignisse zu entdecken, um bessere Fahrzeuge freizuschalten und seinen Weg durch das Spiel zu finden.

…to the Paradise City…

Der Titelscreen wird mit dem knackig-zeitlosen Intro vom Guns’n’Roses-Klassiker „Paradise City“ untermalt. Das hat vor zehn Jahren funktioniert und funktioniert noch heute als hervorragender Adrenalinpusher, der einen bereit für das kommende rüpelhafte Verhalten im Straßenverkehr macht. Das Tutorial, wenn man es denn so nennen kann, dauert gefühlt einundvierzig Sekunden – dann heißt es Gas geben und ab dafür.

Die offene Welt, in der das Fahrzeuggemetzel stattfindet, ermöglicht einen großen kreativen Spielraum: In einem Punkt-zu-Punkt Rennen zum Beispiel muss der Spieler natürlich irgendwie von Punkt A nach Punkt B kommen, aber die Route ist niemals vorgegeben. Stattdessen kann man jederzeit frei entscheiden, wie das Ziel erreicht werden soll, indem Straßen, Gassen und andere Abkürzungen gefahren werden können, um den Rest des Feldes zu schlagen. Zusätzlich zu den Standard-Punkt-zu-Punkt-Rennen und regelmäßigen Rennszenarien bringt Burnout Paradise Remastered auch die von den Fans favorisierten Road Rage-Events aus früheren Spielen zurück, bei denen das Ziel darin besteht, möglichst viele konkurrierende Autos innerhalb eines festgelegten Zeitlimits zu zerschmettern. Beim „Marked Man“-Event muss der Spieler zu einem Punkt auf der Karte flüchten, während eine Gruppe gegnerischer Autos stark damit beschäftigt ist, ihn in einen Haufen qualmenden Schrotts zu verwandeln. Spätestens im Showtime-Modus, in dem jede Kreuzung in einen Autofriedhof verwandelt werden kann, wird bald klar, dass Burnout Paradise Remastered sich überhaupt nicht ernst nimmt.

…where the grass is green…

Erfreulicherweise haben die Entwickler bis auf die technische Seite eigentlich so gut wie nichts an dem Spiel verändert. Es gibt noch nicht einmal GPS auf der Karte. Nähert man sich einer Kreuzung, zeigt das Spiel mit Straßenschildern am oberen Bildschirmrand den Namen der kreuzenden Straßen – das war’s. Ansonsten gibt’s eine Minimap und die menschliche Fähigkeit, Karten zu lesen. Um an einem der 120 Rennen teilzunehmen, bremst man einfach an einer Ampel. Es ist völlig unklar, welcher Renntyp an der Ampel wartet, das erfährt man erst, wenn man schon steht.

Im Vergleich zu den aktuellen Flaggschiffen wie dem missglückten Need For Speed Payback ist Burnout Paradise mit seiner abgespeckten Einfachheit ein Hauch von frischer Luft. Es hat all die Icons auf der Minimap, die moderne Spiele auch haben: Die verschiedenen Rennen, die Garagen, der Schrottplatz, die zu zertrümmernden Reklametafeln und zu entdeckenden Abkürzungen (davon gibt es 400 in Paradise City). Bei allen Events wirkt die Karte wird überladen und der Spieler wird immer angeregt, selbst zu suchen und zu finden.

Das eigentliche Gameplay reduziert sich im Kern aufs Gaspedal. Das gilt es durchzutreten, der Rest wird sich schon irgendwie ergeben, die Bremsen werden nur sporadisch gebraucht, wenn es um spektakuläre Drifts geht, die man auf den Asphalt legen will. Das reicht nicht? Von wegen! Zu entdecken gibt’s eine ganze Menge, schließlich sind insgesamt acht DLCs inkludiert, was über 150 Fahrzeuge, alle zusätzlichen Herausforderungen und zehn Strecken bedeutet. Die Vehikel sind übrigens allesamt fiktiv, was es den Designern erlaubt hat, ein rücksichtsloses Schadensmodell einzubauen – da rutscht bei einem Frontalcrash der Motorblock schon mal im Splitterhagel bis zum Kofferraum durch.

Totalschäden werden eine Menge produziert, denn es grenzt an ein Wunder, wie sehr ein zehn Jahre alter Titel so schweißnasse Hände hervorrufen kann. Es gibt keinen Tachometer, der die Geschwindigkeit anzeigt, den braucht es aber auch nicht. Spätestens mit zugeschaltetem Nitro rast die Spielwelt in so einem berauschenden Tempo vorbei, dass man sich unwillkürlich an der Couch festkrallen will – wenn man nicht den Controller halten müsste.

…and the girls are pretty

Eine besondere Erwähnung bleibt dem Soundtrack vorbehalten. Die Tracklist ist eine der wenigen, die mit Tony Hawks Underground- oder der GTA-Serie mithalten können, weil sie perfekt zum Spiel passt. Der gesamte bahnbrechende Soundtrack aus der Originalveröffentlichung von Burnout Paradise ist mit an Bord, inklusive Künstlern wie Killswitch Engage, Depeche Mode, Junkie XL, Jimmy Eat World, Soundgarden und vielen mehr. Die Songs tragen zu einer rauschenden, hörbaren Euphorie bei, die brillant die Action auf dem Bildschirm unterstützt. Ja, sogar einst verschmähte Titel wie „Girlfriend“ von Avril Lavigne mutieren hier zum Rockklassiker, der die Armbehaarung senkrecht stellt.

Grafisch hat sich dagegen nicht wirklich viel getan. Ein paar neue Texturen, hier und da ein bisschen Tuning, dann natürlich das große Update auf 4K. Doch im Großen und Ganzen hat sich hier nicht viel getan, grafische Heldentaten wurden zugunsten der Geschwindigkeit vermieden. Aber für die horrende Geschwindigkeit des Spiels nimmt man das gerne in Kauf.

Fazit

In vielerlei Hinsicht war Burnout Paradise die Vorlage für Spiele wie Forza Horizon. Das Remake ist eine Reminiszenz an eine vergessene Ära, als Rennspiele ein Simulation oder ein Arcade-Racer sein konnten. Während sich die Simulationen durchsetzten und nur wenige Spieler sich daran erinnerten, welche Begeisterung und Brutalität ein Arcade-Spiel liefern konnte, hatte Burnout genau das immer im Mittelpunkt. Es ist ein Liebesbrief an die Vergangenheit. Behaltet Eure ultra-realistischen Simulationen, in denen ihr so viel Zeit in den Menüs wie auf dem Asphalt verbringt! Ich rase mit trockenen Augen durch Paradise City, weil ich Angst habe zu blinzeln. Ein großartiges Open-World-Rennspiel, das sich anfühlt, als würde es sowohl von den Fans des Originals als auch von den neuen Spielern geliebt werden, die zum ersten Mal einsteigen.
Und wenn man erst einmal sechs Gegner hintereinander in die Leitplanken gedrückt und Punkte für Takedowns kassiert hat, freut sich auch wieder das 14jährige Alter Ego.

Burnout Paradise Remastered
Grafik/Präsentation
79
Story/Atmosphäre
85
Gameplay
88
Spielspaß
90
Leserwertung2 Bewertungen
100
86