Bound im Test – Eine Metapher gefangen zwischen zwei Welten

Bound
Grafik/Präsentation
85
Story/Atmosphäre
80
Gameplay
70
Spielspaß
75
Leserwertung0 Bewertungen
0
78

Der neue 3D-Plattformer Bound von Plastic und Santa Monica Studio zeigt, dass es nicht immer viele Worte braucht, um Emotionen beim Spieler auszulösen. Warum es am Ende trotzdem nicht die erhofften Gefühle in mir ausgelöst hat, erfahrt ihr in dem folgenden Test.

Traumaverarbeitung

screens-bound-ps4-1Bound beginnt an einem idyllischen Strand. Wir steuern eine junge, schwangere Frau, die ihr Tagebuch bei sich trägt. Diese Seiten ihres Tagebuchs dienen uns als Level-Übersicht. Beim Auslösen einer dieser Seiten gelangen wir in eine surreale Welt voller fragmentarischer und kaleidoskopischer Ästhetik. Wir steuern eine grazile Figur, die sich mit Ballettbewegungen fortbewegt. Vor uns steht ihre Mutter, die uns mitteilt, dass das Königreich durch ein grausames Ungeheuer in Gefahr geraten ist. Es liegt an uns dieses Monster ausfindig zu machen und zu erledigen. Wir überwinden Hindernisse und Abgründe, die sich vor uns Stück für Stück aufbauen, um dann jedoch zu merken, dass wir nicht stark genug sind, um die Bestie zu besiegen. Plötzlich befinden wir uns in einem nicht enden wollenden Raum. In diesem befinden sich abertausende von Splittern. Wir können uns in diesem Raum bewegen und als wir den Splittern näher kommen, bilden diese eine Kulisse aus zwei kleinen Kindern und ihren Eltern. Die eingefrorene Szene zeigt, dass die Familie mit einigen Problemen zu kämpfen hat. Eine Tür öffnet sich. screens-bound-ps4-2Wir treten in ihr weißes Licht und landen wieder am Strand. Hier können wir nun das nächste Level auswählen und wieder in die Fantasiewelt gelangen.

Einen erklärenden Epilog gibt es in Bound nicht, doch durch die Zwischensequenzen in der realen Welt gepaart mit den Ereignissen in der surrealen, erschließt sich uns, dass die schwangere Frau scheinbar ihre Kindheitserinnerungen und die damit verbundenen Traumata verarbeitet. Im Verlauf des Spiels versucht man diese Erinnerungsfetzen zu einem Ganzen zu setzen und die Auflösung macht deutlich, dass die Fantasiewelt, in der wir uns die meiste Zeit befinden, als Metapher zum realen Leben gesehen werden kann.

Sich seinen Ängsten stellen

screens-bound-ps4-9Die verschiedenen Level drehen sich alle um jeweils eine Angst: Bäume, Schrei, Dampf, Flugzeuge oder Perlen. Diese Level lassen sich in beliebiger Reihenfolge absolvieren. Im Dampf-Level beispielsweise macht sich die Angst in Form von Feuer bemerkbar. Wenn wir eines dieser Level erfolgreich absolviert haben, können uns diese Dinge in den darauf folgenden aber keinen Schaden mehr zufügen. Das Feuer und die anderen Ängste können durch eine schnelle Ausweichrolle umgangen werden oder durch halten der R2-Taste. Hierbei tanzt unsere Figur, wodurch sich um uns einige farbige Bänder aufbauen, die uns für eine kurze Zeit als Schild dienen. Am Ende eines jenen Levels treffen wir immer auf das Ungeheuer, dass uns aber durch Einsatz einer der Ängste außer Gefecht setzt. Daraufhin folgt eine der vorhin bereits angesprochenen Splitterwelten, die uns tiefer in die Familienproblematik blicken lässt. Als wir wieder in der Fantasiewelt landen, ist es uns nun möglich, die Angst zu bekämpfen. Vor uns bildet sich ein greller Streifen, auf welchem wir entlang screens-bound-ps4-8schlittern und aus der Entfernung das absolvierte Level noch einmal Revue passieren lassen können.

Auch wenn jedes Level ein unterschiedliches Thema verfolgt und dies durch verschiedene Farbigkeit in der Spielewelt visualisiert wird, sind trotz alledem die Level gleich aufgebaut und verursachen auf Dauer kaum emotionale Bindung zu der Figur. Die künstlerische, minimalistische Welt – die ich an anderen Spielen immer sehr schätze – kann aber auch eine monoton erzählte Geschichte leider nicht retten.

Ein Leben im Kaleidoskop

Trotzdem ist die Grafik in der surrealen Welt, in der wir uns mit der Tänzerin aufhalten, eine große Stärke des Spiels. Schön gestaltete Charaktere, die auch ohne Gesichter und nur mit Gestik und Tanz Emotionen aussagekräftig darstellen können. Eine auf ein Minimum reduzierte, aber dennoch verspielte Welt, die sich kaleidoskopartig vor einem aufbaut. Die Splitterszenen, wie ich screens-bound-ps4-7sie nenne, sind mir dabei besonders ans Herz  gewachsen. So stelle ich mir Erinnerungen vor, die sich beim Durchforsten langsam aufbauen und ein Bild ergeben.

Die reale Welt reißt einen aber aus diesem Traum wieder heraus – und das nicht nur inhaltlich. Sie erscheint fahl und ohne viele Details. Den Charaktermodellen und der Lichtstimmung fehlt es an einigen Stellen an Tiefe, um voll und ganz in das Geschehen einzutauchen. Es ist kein 4K-Ultra-Hyper-Realistic Grafik, wie sie mittlerweile bei Spielen für die Next-Gen-Konsolen vorausgesetzt wird, aber das stört den Spielverlauf und das Erlebnis überhaupt nicht.

Ein weiteres kleines Highlight von Bound ist die Musik. Die Klaviermusik, die sich ab und zu auch einmal mit Synth Wave Klängen abwechselt, untermalt zum einen das Grazile der Tänzerin und zum anderen die futuristische Spielwelt. Da die Dialoge, die oftmals zwischen der Tänzerin und ihrer Mutter stattfinden, durch Laute und unterstützend durch Untertitel abgehalten werden, muss auch die Musik einen Großteil der Emotionen an den Spieler vermitteln. Das gelingt Bound sehr gut. Wenn sich unsere Figur in Gefahr begibt, wechselt die Musik zu schnelleren, aggressiveren Tönen, die auch in dem Spieler ein Unbehagen auslösen.

Speedrun

Bound hielt einen nicht lange in seiner Welt gefangen, denn nach gut drei Stunden war der Erinnerungsbewältigungstrip auch wieder vorbei. Ein kleines Gimmick hat Bound dann aber doch noch parat. Für alle Speedrun-Fanatiker gibt es nach dem Ende von Bound noch die Möglichkeit, alle Level separat zu absolvieren und sich außerdem auch die Zeit des Runthroughs anzeigen zu lassen. Die Trophäen-Beschreibungen zeigen euch an, welche Zeiten ihr schlagen müsst, um eine von vielen Speedrun-Trophäen zu erhalten. So lässt sich Bound wenigstens nicht nur einmal durchleben.

Fazit

Bound legt viel Wert darauf, eine Geschichte durch Gefühle sprechen zu lassen. Der unkonventionelle und mutige Ansatz des Storytellings wird leider durch die monoton gestalteten Level getrübt. Das erste Durchspielen fühlte sich sehr gehetzt an und dabei hatten wir noch nicht einmal das Bedürfnis eines Speedruns. Die Grafik und Musik des Spiels machen Bound trotzdem einzigartig und auch sonst ist Bound atmosphärisch ein wunderschönes Spiel, das einen für die doch recht kurze Zeit unterhalten und mitgenommen hat.