Amnesia Collection im Test – Gegen das Vergessen

Für PC’ler sind die Spiele Amnesia: The Dark Descent (2010) und die indirekte Fortsetzung Amnesia: A Machine for Pigs (2013) schon kalter Kaffee. Erst Ende 2016 hat Frictional Games ihre Spielereihe nochmal für die PS4 neu aufgebrüht, um nun auch Konsoleros das Fürchten zu lehren. Tatsächlich war Amnesia eins der ersten Surrvival Horror-Spiele in denen man sich komplett ohne Waffen und Werkzeuge unheimlichen Mächten entgegenstellen musste. Das Spiel erfreute sich unter der PC-Gemeinschaft großer Beliebtheit und erhielt auch überwiegend gute Kritiken. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis sich weitere Studios diesem Subgenre des Surrvival Horrors annehmen und Spiele wie Outlast oder Slender: The Arrival auf die Zockergemeinschaft loslassen. Ob die Amnesia-Reihe auch noch heute für alptraumhafte Spielerlebnisse sorgt oder eher zu einer drögen Walking-Simulation verkommen ist, klärt der folgende Test für euch.

Mein Name ist Daniel…und ich weiß von nix

Im ersten Teil der Horrorreihe übernehmen wir die Kontrolle von Daniel. Der Ärmste leidet an einer Erkrankung, die unter vielen Videospielprotagonisten weitläufig bekannt ist, nämlich einer Amnesie. Wir erwachen in einem alten Gemäuer und erheben uns schwankend vom Boden. Wie sind wir hier hingekommen? Was haben wir in dieser alten Burg gesucht? Noch nicht ganz bei Sinnen heben wir unsere erste Notiz auf, die da lautet “Folge der Spur der Flüssigkeit und finde ihre Quelle“ und schreiten anschließend einen langen dunklen Korridor entlang hinein in unser schauriges Abenteuer.

Bereits während unserer ersten Schritte fällt auf, dass die Grafik von Amnesia schon damals nicht State of the Art war. So kann die rein grafische Optik mit Wohlwollen höchstens die Qualität eines Spiels erreichen, dass irgendwo Ende der PS2 und Anfang der PS3-Ära liegt. Selbst die HD-Optimierung kann da nicht sonderlich viel nachhelfen. Während man grafisch eher seichte Durchschnittskost erhält, weiß das Spiel soundtechnisch voll zu überzeugen. Die Geräuschkulisse ist damals wie heute herausragend gut und fängt das Horror-Ambiente der verlassenen Burg perfekt ein. Ob quietschende Türen, plötzliche Windböen oder unnatürliche Klänge aus den Tiefen der Gemäuer, die Atmosphäre ist so dicht, dass man sie in Scheiben schneiden könnte. Eine gute Soundanlage oder Kopfhörer sind quasi Pflicht für das Spiel.

Nachdem wir der seltsamen schimmernden Flüssigkeit auf dem Boden gefolgt sind, finden wir einen Brief, den unser Alter Ego Daniel anscheinend selbst an sich verfasst hat. Wir erfahren, dass wir uns im Jahre 1839 in einem Schloss Namens Brennenburg nahe bei Preußen befinden. Wir sollen einen Mann namens Alexander von Brennenburg finden und töten und es wird uns eindringlich vor dem „Schatten“ gewarnt. Immerhin kennen wir jetzt unsere Aufgabe und machen uns auf die Suche nach Alexander und unseren Erinnerungen.

„Mehr Licht!“

Die Warnung vor dem „Schatten“ darf in Amnesia wortwörtlich verstanden werden. Dunkelheit und finstere Plätze tuen unserem Protagonisten nicht gut und wirken sich negativ auf seinen geistigen Zustand aus. Eine Anzeige im Menü gibt uns Auskunft über unsere kognitive Verfassung. Sind wir anfangs noch wach und bei klarem Verstand, so plagen uns nach zu vielen Schattenbädern Kopfschmerzen und Wahnvorstellungen, was sich auch auf unser Sichtfeld und die Gangsicherheit auswirkt. Glücklicherweise finden wir recht früh im Spiel eine lichtspendende Öllampe. Sie hilft uns auch durch die zahllosen dunklen Passagen des Spiels. Dummerweise muss die Lampe jedoch regelmäßig mit Öl und Zunderbüchsen gefüllt und angezündet werden. Da diese Gegenstände im Spiel eher spärlich verteilt sind, sollte man sie also durchaus bewusst und sparsam einsetzen.

Um uns vor den schleichenden Wahnsinn zu schützen, hilft es Daniel Rätsel erfolgreich zu lösen und neue Gebiete zu entdecken. Eine gelegentliche Portion Laudanum kann auch weiter helfen.

Die Aufgaben um Amnesia gestalten sich aus einigen abwechslungsreichen Rätseln und Geschicklichkeitsaufgaben. So müssen wir beispielsweise an einer Stelle des Spiels einen unter Wasser stehenden Keller durchqueren, ohne das Wasser zu berühren, dabei müssen wir immer wieder Bretter aufheben und uns eine Art mobile Brücke bauen. Diese Situation ist zudem noch spannend unterzeichnet, denn irgendetwas lauert im Wasser auf uns, doch wir können lediglich die Fußstapfen eines scheinbar unsichtbaren Wesens wahrnehmen. Sollten wir ungeschickterweise doch ins Wasser fallen, werden sich diese Tritte schnellstmöglich in unsere Richtig bewegen und wehe dem, dem sie zu nahe kommen! In eben solchen Situationen spielt Amnesia seine Stärken voll aus. Die teils etwas kniffligen aber immer fairen Geschicklichkeitsrätsel gepaart mit der hervorragenden Akustik und den inszenatorischen Stilmitteln schaffen einzigartige Grusel- und Horrormomente, in denen man quasi mit Daniel zusammen durchatmet, sobald man sie gemeistert hat.

Verstecke sich wer kann

Im weiteren Verlauf des Spiels begegnen wir alptraumhaften Monstern, deren bloßer Anblick unsere geistige Gesundheit rapide sinken lässt. Lovecraft lässt an dieser Stelle herzlich grüßen. Da wir keinerlei Waffen zur Verfügung haben, bleibt uns nichts anderes übrig, als die Flucht zu ergreifen und uns in Schränken oder hinter Türen zu verstecken, bis die Gefahr vorüber ist. Das Verstecken und ständige Flüchten vor den grausigen Gestalten mögen manch Shooter-Veteranen eher abschrecken, doch werden diese Leute eh weniger Spaß mit dem Spiel haben, denn im Prinzip sind wir den Gefahren des Schlosses schutzlos ausgeliefert. Hier müssen wir uns immer auf unseren Verstand und Cleverness verlassen, um unbeschadet aus scheinbar auswegslosen Situationen zu entkommen. Ein manchmal durchaus müßiges Unterfangen, doch das Gefühl dem Schrecken ein weiteres Mal „ganz knapp“ entflohen zu sein, motiviert ungemein.

 Hallo, Justine. Ich möchte ein Spiel spielen!

Im Addon zu Amnesia spielen wir die Leiden der Titel gebenden Justine nach, die sich in einer einsamen Zelle mit nichts weiter als einen Phonographen wiederfindet. Über diesen wird ihr mitgeteilt, dass sie in den folgenden Stunden an einigen „Tests“ teilnehmen wird. Im Verlaufe des Spiels wird sie mehreren Figuren begegnen, in denen sie vor die Wahl gestellt wird, die Personen zu töten oder eben sich selbst teils gefährlichen Rätseln auszusetzen, um ihren Leidensweg fortzusetzen. Die Entscheidungen wirken sich natürlich auch auf den weiteren Verlauf des Spiels aus.

Das Addon scheint sich vor allem die Saw-Filmreihe als Inspiration zum Vorbild genommen zu haben, denn tatsächlich hält das Spiel neben den Rätseleinlagen auch einige spannende Entwicklungen und einen Plot Twist parat. Mit einer Spielzeit von gerade einmal 2-3 Stunden ist das Abenteuer zudem hervorragend für einen kurzen aber intensiven Spieleabend geeignet, zumal die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zu wiederholtem Durchspielen motivieren.

Perlen vor die Säue

Im optisch ansprechendsten Titel der Collection „A Machine for Pigs“ übernehmen wir die Kontrolle von Oswald Mandus. Der Ärmste muss sich mit seltsamen Ereignissen in einer Londoner Fleischverarbeitungsfabrik herumschlagen und seine beiden Söhne Edwin und Enoch aus einer diabolischen Maschine befreien, die unterhalb der Fabrik liegt. Seine größten Widersacher stellen dabei die sogenannten „Manpigs“ dar. Die Mensch-Schweine-Hybriden werden uns, ähnlich wie die Monster aus Amnesia, von Zeit zu Zeit durch die finsteren Ecken der Anlage verfolgen.

Leider wurde „A Machine for Pigs“ einiger wichtiger Features beraubt, die in Amnesia für große Spannung sorgten. So leuchtet unsere Öllampe nun automatisch, wann immer das Spielgeschehen es vorschreibt und wir benötigen kein Öl und keine Zunderbüchsen mehr, was also einen gewissen Nervenkitzel beim Nutzen der Lampe vermissen lässt. Auch die geistige Verfassung spielt in diesem Titel keine Rolle mehr. Egal wie verstörend oder nervenaufreibend unsere Erlebnisse auch sein mögen, wir können uns gemütlich lang vor den “Schweinemenschen” verstecken und teilweise auch einfach um sie herum schleichen. Die Qualität und Anspruch der Rätsel nimmt im Vergleich zum Vorgänger zudem auch spürbar ab. Somit bleibt „A Machine für Pigs“ optisch und akustisch zwar der schönste, spielerisch aber leider auch der anspruchsloseste Teil der Reihe.

Fazit

Mit der Amnesia Collection machen Fans von Spielen wie Slender: The Arrival oder Outlast nicht viel verkehrt. Vor allem die spielerische Komponente in The Dark Descent ist durch das taktische Nutzen der Öllampe, den nervenaufreibenden Versteckspielen sowie den cleveren Rätseleinlagen auch heute angenehm hoch. Ein Bespiel, an dem sich manch andere Walking-Simulationen wieder etwas mehr orientieren sollten. Auch das kleine aber feine Addon „Justine“ weiß durch seine dichte Inszenierung zu überzeugen. Das schwarze Schaf oder eher Schwein der Reihe („A Machine for Pigs“) stellt ausgerechnet das optisch schönste Spiel dar. Hier wurde das motivierende Gameplay der früheren Ableger so stark reduziert, dass die Erkundung der diabolischen Maschine zeitweise wirklich mehr zu einer reinen Walking-Simulation verkommt. Das ist vor allem deswegen schade, da die Geschichte durchaus zu überzeugen weiß und das Grafikdesign mit seinen abgedrehten Ideen teilweise an Spieleklassiker wie Bioshock erinnert. Wer die Amnesia-Spiele bisher verpasst hat, erhält hiermit nun die Gelegenheit diese Lücke in seiner Spiele-Vita zu schließen, wobei gerade im ersten Teil der Reihe einige nervenaufreibende Strapazen in Kauf genommen werden müssen.

Amnesia Collection
Grafik/Präsentation
80
Story/Atmosphäre
90
Gameplay
80
Spielspaß
81
Leserwertung0 Bewertungen
0
83