American Fugitive im Test – GTA 2 ist zurück!

 

Fallen Tree Games ging es wie den meisten von uns: GTA V war zwar ein ziemlich unterhaltsamer Titel, doch am meisten Spaß machten uns doch die guten alten GTAs aus der Draufsicht, sprich Teil 1 und 2. Da die Reihe mit Teil 3 den schändlichen Weg der 3D-Grafik einschlug, machten die Entwickler sich daran, eine Hommage an GTA 1+2 zu schreiben und die Fans der vogelperspektivischen Anarchie an die aktuelle Konsolengeneration zu holen.

Worum geht’s?

Wir steuern Will Riley, einen Kleinganoven, dessen Schicksal uns in der Eröffnungssequenz erzählt wird. Will erhält einen Hilfeanruf von seinem Vater, und obwohl er sich mit Daddy heillos zerstritten hat, fährt er zu dessen Anwesen. Dort findet er nicht nur einen fremden Sportwagen in der Einfahrt, sondern auch den Erzeuger tot am Boden vor. Da gleichzeitig die Polizei die Behausung stürmt, ist der Fall klar und Kleinganove Will wird als dankbarer Täter zum Mord an seinem Vater verknackt. Doch das lässt der nicht auf sich sitzen und schwört Rache – in dem Moment, als Will aus dem Knast ausbricht, übernehmen wir das Joypad und steuern ihn durch das Abenteuer, den wirklichen Mörder seines Vaters zu suchen und Papa zu rächen.

Gott weiß, ich will kein Engel sein

In Videospielen spielt man fast immer den Guten und arbeitet unermüdlich für die Kräfte von Recht und Ordnung. Wenn wir töten, geschieht dies im Namen des Friedens, und diejenigen, die mit unseren Waffen niedergemäht werden, sind eindeutig böse. Was schnell offensichtlich wird: Will ist trotz seiner Unschuld kein Engel und ist selbst ein produktiver Kleinkrimineller, der den Strafverfolgungsbehörden der Stadt gut bekannt ist. Seine Motive sind einigermaßen rein, aber seine Handlungen sind alles andere als sauber.

Und obwohl die Story nur in banalen Textdialogen zum Weiterdrücken (oder ganz Überspringen) erzählt wird, verleiht sie den Charakteren doch auf angenehme Weise eine gewisse Tiefe. Nach seinem Ausbruch gelangt Will peu a peu mit verschiedenen NPCs in Kontakt, die ihn fortan mit Aufträgen versorgen: ein Schrottplatzbesitzer mit kriminellem Nebenerwerb, eine professionelle Einbrecherin, ein Bestatter und so weiter. Die kurzen, kargen Texte schaffen es trotz ihrer Limitierung, dem Charakter des Will nach und nach weitere Facetten zuzufügen.

GTA war 1996

…und hat vom Gameplay her in American Fugitive einen würdigen Enkel erhalten. Von den erwähnten NPCs erhalten wir Missionen, die alle wie im Ur-GTA nach Schema F ablaufen: Fahre von A nach B, erledige irgendwas an B und komme zurück zu A. Differenzierter wird das Gameplay dann, wenn es ein Haus auszurauben gilt: Dann müssen wir durch die Fenster schauen, um zu prüfen, ob die Räume bewohnt sind, um dann mit geeignetem Werkzeug Fenster einzuschlagen und die Bude zu entern. Sobald wir drinnen sind, sehen wir eine Skizze des Hauses mit einem Countdown-Zähler. Der zeigt an, wann die Polizei eintrifft, und gibt uns vor, wie sehr wir mit der Durchsuchung der Räume nach Wertsachen trödeln dürfen.

Erbeutetes verticken wir beim Pfandleiher gegen Kohle – und mit Geld können wir Will rollenspielmäßig ein bisschen aufwerten. Inventargröße, Schnelligkeit, Unauffälligkeit und viele weitere Werte könne im Laufe des Spiels verbessert werden – natürlich auch das Waffenhandling. Wunschgemäß können wir uns durch die Missionen schleichen oder ballern.

Verdächtiger im blauen Kleid

Haben wir einmal die Aufmerksamkeit der Polizei in maximal fünf Stufen auf uns gezogen, müssen wir die Brut irgendwie wieder loswerden. Dabei können wir wie im großen Vorbild durch Lackierereien fahren und unser Auto umspritzen lassen, oder wir rennen in den nächsten Garten und rupfen uns neue Klamotten von der nächsten Wäscheleine. Dann müssen wir eben im roten Abendkleid weitermachen – aber den Fahndungslevel sind wir los. Selbst im schlimmsten Niveau ist die Polizei aber kaum mehr als eine leichte Unannehmlichkeit. Das ist auch gut so, denn selbst mit den besten Absichten ist es schwierig, auf der rechten Seite des Gesetzes zu bleiben: Selbst kleinste Auffahrunfälle oder Rempler rufen die Cops auf den Plan, wer versehentlich mit gezückter Waffe durch die Gegend läuft, hat die Jungs ebenso am Hals. Diese kleinen Differenzierungen verleihen dem klassischen Spielprinzip einige Tiefe und machen das ansonsten eher monotone Gameplay erfrischender.

Das Design der Umgebung im Vorstadtstil sowie die darin verwendeten Fahrzeuge, Gebäude und Details sind alle im selben Minimalstil gehalten und bilden im Allgemeinen einen schönen Rahmen. Die Grafik ist stimmig, aber kaum state-of-the-art, und auch die Begleitmusik ist mehr nervtötend als unterhaltsam. Die Steuerung lässt zu wünschen übrig; so steuern sich die Autos wie der berühmte LKW auf Eis bei gleichzeitigem Achsbruch, und auch zu Fuß macht der Weg nicht immer Freude. Demgegenüber steht aber ein gesundes Maß an schwarzem Humor – und sollte „versehentlich“ ein Passant unter die Räder geraten, hinterlässt der ganz jugendfreundlich auch keine großen Blutflecken wie im Vorbild.

Fazit

American Fugitive ist eine ambitionierte Hommage an zwei Computerspiel-Klassiker. Es zitiert die großen Vorbilder GTA 1+2, fügt ihnen im Gameplay noch weitere Features und Tiefe hinzu und versucht, den anarchischen Humor familienfreundlich in die Gegenwart zu transportieren. Die Steuerung ist mitunter eine Qual, die Musik nervt und die Missionsgestaltung ist unglaublich repetitiv und ermüdend. Trotzdem macht der Titel zwischendurch für eine Runde richtig Spaß – und wenn man die Polizei an den Hacken hat, klaut man sich einfach mal in irgendeinem Garten neue Klamotten. Wenn das mal immer so einfach wäre.

American Fugitive
Grafik/Präsentation
55
Story/Atmosphäre
73
Gameplay
65
Spielspaß
68
Leserwertung0 Bewertungen
0
gelungenes Zitat eines Klassikers
differenziertes Gameplay
ausführliche Charakterzeichnung
schauerliche Begleitmusiken
Fahrzeugführung extrem schwammig
65