Assassin’s Creed: Origins im Test – Ein Nerd in Ägypten

Assassin's Creed: Origins
Grafik/Präsentation
92
Story/Atmosphäre
85
Gameplay
87
Spielspaß
88
Leserwertung12 Bewertungen
71
88

Ubisofts Saga um die weißen Meuchelmörder geht in die nächste Runde. Nach zweijähriger Auszeit wollen die Franzosen der Reihe eine Frischzellenkur verpassen und das Spielgeschehen etwas von der Ubiformel wegbringen. Diese Forderung hallte schon länger durch Foren, Blogs und Social-Media-Kanäle. So viel sei gleich schon verraten: Ubisoft hat auf die Community gehört. Ebenso wie der Wunsch vieler Spieler, nach einem stimmigen Ägypten-Setting. So erleben wir in der braungebrannten Haut des Bayak die Entstehung des Assassinen-Ordens hautnah mit. Mit der Entwicklung betreute man Ubisoft Montreal, die sich 2013 für das hervorragende Assassins Creed IV: Black Flag verantwortlich zeigten. Eine schwere Hürde also für das kanadische Team, denn die Erwartungen sind durch den eigenen Vorgänger sehr hoch, wobei die Welt zusätzlich mit Argusaugen den angekündigten Relaunch der Serie beobachten wird. Ob das Team aus Montreal dieser Aufgabe gewachsen war, lest ihr in unserem Test.

Zu Beginn seid ihr das Gesetz

Bayek aus Siwa ist, wie sein Vater Sabu, ein sogenannter Medjau und vertritt damit in gewisser Weise das Gesetz in seiner Heimatstadt Siwa. Ein Medjau ist eine Art ägyptischer Sheriff und kümmert sich um die Auflösung von Verbrechen, dem Einhalten von Gesetzen und den allgemeinen Schutz seiner Gemeinde vor Feinden. Die Lebensweise und Tradition dieses autoritären Personenkreises neigen sich jedoch langsam aber sicher dem Ende entgegen. Römer, Griechen und Ägypter gleichermaßen streben deutlich andere Gesellschaftsformen an und drängen die traditionellen Gesetzeshüter immer mehr ins Abseits und ersetzen sie durch ihre eigene Exekutive. Im Rund drei Stunden langen Prolog durchlebt ihr zu Beginn die tragische Lebensgeschichte des jungen Bayek und seiner Familie, die ich an dieser Stelle nicht spoilern möchte. Nach den lehrreichen Erkenntnissen, die euch der Prolog offenbart ist es schließlich die Gier nach Rache, die euch in die griechische Kolonie Alexandria treibt. Auch hier trefft ihr serientypisch wieder viele historische Berühmtheiten, entdeckt imposante Gebäude und nehmt schließlich aktiv an der Entstehung des Assassinen-Ordens teil.

Bekannte Elemente und angenehme Neuerungen

Wie zu Beginn bereits erwähnt verpasste der Software-Gigant Ubisoft seiner aktuell wohl wichtigsten Marke vergangenes Jahr eine verdiente Auszeit. Der Unmut vieler Fans über die jährlich-erscheinenden Assassin’s Creed-Spiele und die spürbare Stagnation im Bezug auf das Gameplay wurden im Netz beinahe greifbar. Diese Stimmung machte auch vor dem eigentlich sehr brauchbaren letzten Serienteil „Syndicate“ nicht halt, wodurch auch die Verkaufszahlen etwas in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die neue Ausrichtung von Origins hinterlässt sofort einen positiven Eindruck. Einige Grundelemente wurden selbstverständlich übernommen. Das Movement zu Fuß durch die Gassen oder die spektakulären Klettereien in luftige Höhen unterscheiden sich kaum von denen des Vorgängers. Ihr kraxelt noch immer blitzgeschwind sämtliche Gebäude oder Felsen empor. Neu und quasi modern sind jetzt vor allem die Nebenquests. Ihr könnt zwar noch immer zahlreiche hohe Aussichtsplattformen erklimmen, nur werden euch dadurch nicht mehr wie vorher die immer selben Nebenaufgaben in den Gebieten angezeigt. Die Nebenquests orientieren sich mitunter ein wenig an der Witcher-Reihe. So unterhaltet ihr euch stets länger mit den entsprechenden NPC’s und erlebt in der Regel kleinere Geschichten, die auch mal eine überraschende Wendung bereit halten. Die Erzählqualität und die Abwechslung in den Quests an sich reichen zwar nicht an den Hexer heran, verbessern das neue Spielgefühl von Assassin’s Creed Origins aber deutlich. So könnt ihr euch aussuchen, wann ihr euch der Hauptquest widmet oder ob ihr lieber erst einmal fleißig Erfahrungspunkte durch Nebenaufgaben sammeln wollt.

Level-Up und Talentbäume

Auch im neusten Assassinen-Abenteuer könnt ihr wieder fleißig Erfahrungspunkte sammeln um im Level aufzusteigen. Für jeden Aufstieg erhaltet ihr einen Fertigkeitspunkt, den ihr in die Bereiche „Jäger“, „Krieger“ oder „Seher“ investieren könnt. Wie die Namen bereits vermuten lassen, widmen sich die Bereiche den entsprechenden Fähigkeiten mit Bogen, dem Nahkampf oder dem Allgemeinbefinden Bayeks. Eine weitere merkliche Neuerung betrifft das Kampfsystem des Spiels. Dieses wurde grundlegend überarbeitet und hat mit den alten Teilen nichts mehr gemein. Beim System selber bzw. bei der Steuerung hat man sich bei Ubisoft Montreal sehr stark von Dark Souls inspirieren lassen. Per Druck auf dem rechten Stick lockt ihr eure Feinde fest ein um sie nicht mehr aus den Augen zu lassen. Bei mehreren Widersachern schaltet ihr bequem hin und her und könnt somit recht einfach dem euch am nächsten stehenden Gegner eine verpassen. Mit RB verteilt ihr einen leichten, aber dafür schnellen Angriff, während ihr mit RT deutlich kräftiger zulangt und zudem die Schildabwehr des Gegners durchbrecht. Mit X vollzieht ihr einen eleganten Ausfallschritt in sämtliche Richtungen und entgeht damit dem Mordwerkzeug eures Kontrahenten. Lediglich vor der Implementierung einer Ausdauerleiste hat man sich bei Ubisoft Montreal wohl bewusst gedrückt um die mit Sicherheit recht große Schar an Gelegenheitsspielern nicht zu sehr zu frustrieren. Die Zeiten in denen ihr nahezu unbesiegbar dutzende Gegner nacheinander per Instant-Konter-Kill ausschalten konntet sind jedenfalls vorbei. Bereits drei oder vier Feinde stellen eine ersthafte Bedrohung dar, die ihr mit purem Button-Mashing nicht loswerden werdet. Um einiges gefährlicher sind vor allem die Bogenschützen. Diese verhalten sich in Ägypten taktisch clever und beharken euch permanent im Rückwärtsgang, was es schwer macht zu ihnen zu gelangen. Sucht daher Deckung oder feuert mit eurem Bogen einfach zurück.

Wichtiges Werkzeug

Der Bogen zählt in Origins zu den wichtigen Werkzeugen in den Händen Bayeks. Dabei gibt es verschiedene Ausführungen der urzeitlichen Jagdwaffe. Der Langbogen benötigt beispielsweise eine recht lange Aufladezeit, die das Spannen der Sehne imitieren soll, schießt dafür jedoch recht durchschlagend und präzise. Fast wie ein Schnellfeuergewehr teilt dagegen der Kurzbogen aus, wobei die Feuerrate schon zu unrealistisch daher kommt. Der Kriegsbogen verschießt, ähnlich wie eine Schrotflinte, gleich fünf Peile auf einmal und der Raubtierbogen ist so etwas wie ein Scharfschützengewehr. Verschiedene Waffengattungen stehen euch auch für den direkten Nahkampf zur Verfügung, haben jedoch bis auf Geschwindigkeit und Reichweite keinerlei größere Auswirkungen. Hier hätte man weitere Rollenspiel-Elemente unterbringen können, indem man Bayek auf bestimmte Waffenarten hätte spezialisieren dürfen. Sei es drum. Bögen, Waffen und Schilder findet ihr zufallsbedingt in Truhen, bei Gegnern oder bekommt sie als Belohnungen für Missionen. In der Regel richtet sich das Item-Level nach eurem eigenen, so dass ihr stetig bessere Ausrüstung finden könnt. Wollt ihr hingegen liebgewonnene Ausrüstung länger behalten, könnt ihr diese beim Schmied im Tausch gegen ein paar Taler auch aufwerten. Eure Rüstung als Solche lässt sich auch wieder ordentlich aufpeppeln, dazu müsst ihr allerdings eine Menge Material sammeln und suchen. Durch Einsatz von Holz, Leder und Metall könnt ihr eure Rüstung für mehr Gesundheit begeistern oder euren Handschienen mehr Schaden entlocken. Für das Rohmaterial erlegen wir wilde Tiere, überfallen Transporte oder stöbern in unbewachten Schatzkisten herum. Die Rollenspiel-Anteile wurden sinnig erweitert und verleihen dem Titel im Gegensatz zu früher erneut eine Prise Frischwind. Auch hier hat Ubisoft Montreal wieder gute Arbeit geleistet.

Sommer, Sonne, Pyramiden

Insgesamt fühlt sich Origins herrlich heimisch und neu zugleich an. Das Spiel selber lässt euch angenehm die Wahl was ihr in eurer Spielzeit so erledigen wollt. Die Quests sind abwechslungsreich gestaltet, es macht Spaß Material zu farmen oder einfach mal die Welt zu erkunden. Alle zahlreichen kleineren Neuerungen aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, aber recht früh im Spiel verfolgen euch sogenannte Phylakes (Kopfgeldjäger), deren Beseitigung eine legendäre Montur birgt. Es gibt Wagenrennen, Gladiatoren-Kämpfe und auch wieder Seeschlachten. An sich ist das keine Überraschung, da es den Werken aus dem französischen Mutterkonzern nie an Umfang mangelte. Jetzt sorgt man einfach auch noch für Abwechslung und sinnvolle Sammelaufgaben. Einen merklichen Sprung macht zudem auch die technische Seite des Spiels. Die zwei Jahre Pause wurden ebenfalls genutzt um die aktuelle Hardware noch etwas besser auszureizen. Zu Beginn des Tests habe ich das Spiel auf einer normalen Xbox One gespielt und fand die Umsetzung des alten Ägyptens grandios. Tolle Lichteffekte, überzeugende Textur-Qualität und ein fantastisches Art-Design überzeugten vom ersten Moment an. Einige Tage später erlebte ich das Spiel dann auf Microsofts neuem Flaggschiff, der Xbox One X in 4K mit HDR. Im Grunde ist es keine Überraschung, dass die deutlich stärkere Konsole die Optik noch einmal ein gutes Stück weiter voran bringt. Dennoch sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Titel auf den Hardware-Revisionen merkbar von dem Mehr an Power profitiert. In Sachen Präsentation macht Ubisoft aber auch selten jemand etwas vor. Das zeigt sich auch wieder in der hervorragenden deutschen Synchronisation. Die Sprecher verleihen ihren Figuren das nötige Leben und es macht Spaß den anregenden Gesprächen zu folgen. Audiovisuell ist Assassin’s Creed: Origins 2017 schon recht weit vorne dabei.

Fazit

Ubisoft Montreal ist mit Assassin’s Creed: Origins der kleine Umschwung der Reihe durchaus geglückt. Die zwei Jahre Abstinenz tat der Serie unheimlich gut und der Titel kehrt mit allerhand Neuerungen und Modernisierungen auf die Bildfläche der Branche zurück. Das Abenteuer rund um den Medjau Bayek lebt von seiner großartigen Präsentation und profitiert von den vielen Anpassungen der Open-World-Bereiche, die zuvor doch arg angestaubt wirkten. Dazu bietet euch das Spiel ein überarbeitetes und anspruchsvolleres Kampfsystem, welches seine Vorgänger in diesem Bereich locker aussticht. Als ob diese Verbesserungen gegenüber den alten Teilen noch nicht reichen würden, bietet euch Origins zudem so viel Umfang wie kein Assassin’s Creed-Teil zuvor. Ob ihr nun Fans und Veteranen der ersten Stunde seid oder der berühmten Assassinen-Saga zum ersten Mal das Vertrauen schenken wollt – Der Kauf wird sich lohnen.