Wer das Glück hat in den 80iger Jahren geboren zu sein, der hat zwar nicht die Anfänge der Videospielgeschichte miterlebt, doch hat er zumindest leibhaftig Zeuge ihrer großartigen Erfolgsgeschichte sein können. Es ist unglaublich, welche Sprünge die Industrie mitt Arcades, Konsolen, Handhelds und Heimcomputer seit den frühen Achtzigern bis heute beschritten hat, welche Veränderungen Spiele optisch, inhaltlich und in Sachen Gameplay gemacht haben. Ein Aspekt, der dabei stets untergeht, ist die Tatsache, dass sich auch die Art und Weise der äußeren Erscheinung von Games verändert hat: nämlich zu nichts. In Zeiten eines Playstation- oder Xbox Games-Stores sowie den Steam- und gog.com-Plattformen für den PC erleben Gamer seit einigen Jahren den Schwund von Spieleverpackungen und Hüllen aus den Läden. Die kommende Zockergeneration wird womöglich alsbald gar keine Erinnerung mehr daran haben, dass Spieler von früher den örtlichen Shop oder Fachhandel aufgesucht haben, um stundenlang aus einer Masse an Kartons, Schachteln und Hüllen ihr Lieblingsgame zu suchen. Natürlich ist man immer verleitet nostalgisch zu werden, wenn Schätze aus der Kindheit old school werden und irgendwann von Hipstern wieder entdeckt und populär gemacht werden. Doch soll hier gar nicht damit angefangen werden. Auch gibt es hier kein „Früher war alles besser“, denn das Absterben der Medien in Modul- oder Diskform ist neben der Games-Branche ebenso bei Film und Musik gang und gäbe, wir erleben hautnah die Entwicklung von Software als digitale Ableger auf Datenclouds und Big Data. Vielmehr geht es darum, einen kleinen Einblick zu geben, was war, was ist und eine Auswahl an verschiedenen Games-Verpackungsmoden auf unterschiedlichen Plattformen vorzustellen.
Damals …
Wer als Kind seine Fundstelle von Games mit den örtlichen Laden für Musik, Medien oder auch einen Fachhandel verbunden hat, zu dem er nach der Schule oder am Wochenende mit Freunden gepilgert ist, um in der Warteschlange der neuesten Konsolengeneration zu stehen und das Glück hat 1 Minute spielen zu dürfen, bis der Hintermann einen auffordert, das Gamepad abzugeben, der wird sich auch daran erinnern, welch anderes Bild damals der Bereich „Videospiele“ in solchen Shops abgab. Hallen und Räume voller Schachteln, in Regalen aneinandergereiht, zu Türmen gestapelt oder schön sortiert in langen Tischreihen – egal in welcher Zusammenstellung, es war stets eine Vielzahl an Games in unterschiedlichen Formen von Verpackungen, dass es einen schier umhaute. Das gibt es auch heute noch, aber ist es nicht mehr mit dem Bild vor Spielen strotzender Hallen vergleichbar, wie es das mal gegeben hat. Aus den prallgefüllten Gängen voller Spiele in großen Elektronikfachhandel sind Nischenplätze geworden. Noch sind sie nicht ganz weg, die Games aus dem physischen Laden, aber ihre Dominanz in Sachen Vielfalt, Menge und Außendarstellung hat deutlich nachgelassen. Und das hat einen eindeutigen Grund: man braucht es nicht mehr. In Zeiten des Vor-und Jung-Internets konnte die Covergestaltung eines Games ein entscheidendes Kaufargument bedeuten. Hier bediente man sich ganz der Kniffe der Buchbranche, deren Kunden immer noch vom Cover eines Romans für den Kauf beeinflusst werden. Zudem gab es damals Online-Magazine und Let’s Plays noch nicht, außer Games-Zeitschriften mit Demo-CDs und Mundpropaganda stellte die Inspektion der Spieleschachteln vor Ort oder das Anspielen im Laden die erste Anlaufstelle für Gamer dar. Deswegen war der Stellenwert der grafisch anspruchsvollen Gestaltung eines Covers viel höher bemessen als es heute der Fall ist. Wer sich aktuell ein Game besorgen möchte, der ist zumeist bereits im Vornhinein durch die gesamte Internet-Werbe-Kampagne, von Webseite, Let’s Plays, Social Media und Aktionen auf den Online Stores in dem Maße über das Spiel informiert, dass alle Werbemaßnahmen vor Ort wie das Cover eines Games auf der Verpackung nicht mehr relevant genug sind. Geschweige denn, dass man sich überhaupt noch aufrafft, das Spiel vor Ort zu erstehen, wenn es bequem und einfach über Online-Shops geht, die es einem zusenden. Oder noch einen Tick schneller, indem man sich sein Lieblingsgame seiner Wahl in Stores gleich runterlädt.
Die Kunst der Verpackung
Punktum: wir erleben, wie die Games-Verpackungen schwinden. Weniger eindeutig und mit der fortlaufenden Zeit unklarer wird uns jedoch, was es denn damals alles an Verpackungsmodellen gegeben hat. Aufgrund der Vielfalt sollen hier nur einige Beispiele herausgegriffen werden. So zeigt sich beispielsweise, dass Nintendo bei seiner Verpackungs-Linie seit dem Nintendo Entertainment System (NES) und Gameboy bis heute selten von einem minimalistischen Verpackungsstil abgewichen ist. Orientierend an der Modulgröße der einzelnen Geräte waren die Kartons und Hüllen selten deutlich größer als diese selbst. Nur hin und wieder ließ sich Nintendo zu „großen“ Dingen hinreißen. Insbesondere seien hier die DIN A4 großen Super Nintendo-Verpackungsschachteln erwähnt, die viel größer als die eigentlichen SNES-Module waren. Und das lag daran, dass ihnen der berühmte Spieleberater beigelegt war, an dessen Größe sich die gesamte Verpackungsschachtel anlehnte. Die Spieleberater sind ein Thema für sich, heutzutage Kultstatus, boten sie damals für viele Spieler, die irgendwo im Spiel festsaßen, wichtige Informationen, um voranzukommen. Aufgemacht wie kleine Bücher, mit bildreichen Karten- und Wegbeschreibungen sowie oftmals Story-und Charakter-Hintergründen war ihre Bedeutung für Spieler und Fans der Games jedoch viel größer angesiedelt, als dass sie nur reine Spielhilfe waren. Mit dem Aussterben von Spielehilfen in der heutigen Spielelandschaft, in der jegliche Hilfestellungen zu Spielen online in Let’s Plays, Wikis oder Walkthroughs dargestellt werden, geht ein Stück Games-Kultur verloren. Als infolgedessen Sony mit ihrer PlayStation und Microsoft mit ihrer Xbox aufkamen, war der Karton-Schachteltrend passe geworden. Orientierend an den Medien, die aus CD, DVD und schließlich BlueRay bestanden, setzte sich nach der CD-Schachtelnorm auch bei den PC-Spielen die DVD-Schachtel durch. Bis heute werden Games auf PS4 und Xbox One in dieser Norm ausgegeben, farblich für die Fans sofort in Blau und Grün unterscheidbar. Neben dem Medium selbst und einem dünnen, zumeist farblosen Booklet, welches nur die nötigsten Informationen enthält, kann es allein aus Platzmangel keine weiteren Inhalte geben.
Der Außenseiter: PC-Spiele-Schachtel
Lange Zeit eine Ausnahme im medium-reduzierten Verpackungswandel stellten PC-Spiele dar. Obwohl die großen Karton-Schachteln nur viel kleinere CDs und davor Disketten beinhalteten, hat sich der Trend dieser voluminösen Verpackung bis in die 2000er gehalten, ehe der DVD-Hüllen Trend auch hier einzog. Zu Beginn orientierte man sich hierbei wohl an die Verpackungsschachteln von Brettspielen um den Verbund zum Thema „Spiel“ zu signalisieren. Verpackungsdesigner nutzten die große Fläche der Schachtel, um mit Artwork zusätzlich auf das Spiel aufmerksam zu machen. Inhaltsschöpfer nutzten die Möglichkeit, die Spieleboxen mit diversen Sachen zu füllen, die heute unter Sammlern großen Seltenheitswert genießen. Neben dickeren Booklets waren dies häufig Goodies wie Poster und Sticker. Auch Demo-CDs mit anderen Spielen waren oftmals als Dreingabe untergebracht. Besonderen Wert hatten damals wie heute die Collector’s Editions, die den großen Schachtelraum nutzten, um viele Extras reinzupacken. So besitzt die Collector’s Edition von Elder Scroll’s 3: Morrowind beispielsweise neben Soundtrack CD, ein Morrowind- Artbook sowie eine kleine Zinnfigur eines Inquisitors. Für Fans des Games sind allein diese Kleinigkeiten etwas Besonderes, Sammler schätzen den Wert dieser Collector’s Edition, die beispielsweise auf eBay bei 1000 Euro gehandelt wird. Die World of Warcraft Collector’s Edition mit ähnlichen Goodies wie die von Morrowind ist dort für rund 270 Euro zu haben. Wie weit die Sammlerliebe gehen kann, zeigt auch das erste Zelda für das Nintendo Entertainment System. Ein in Plastikfolie eingeschweißtes Game wird um die 1000 € gehandelt, einfach, weil das Spiel in zusätzliches Plastik eingehüllt ist. Ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr die Spieleverpackung beim PC durch ihre Kreativität glänzte, bewies Blizzard, als es 1998 Starcraft herausbrachte. Der Strategie-Klassiker kam damals in drei PC-Schachtel-Varianten auf dem Markt. Auf der Vorderseite war jeweils das Profil einer anderen Rasse aufgedruckt, so konnte man zwischen Mensch, Zerg und Protoss wählen. Der Spieler war somit in der Lage, schon mit dem Kauf der PC-Schachtel seine favorisierte Spielweise kundzutun.
Ein verlorenes Gefühl: Das Anfassen
An Blizzards Verpackungsstrategie und an weiteren Marketing-Tricks lässt sich erkennen, welche Bedeutung der Karton und die Plastikhülle damals für das Medium Spiel besessen hat. Wenn man von Games sprach, hatte man unbewusst immer auch das physische Medium vor Augen, also samt der Verpackung, dem Booklet und den beschriebenen Extras. Das ist heutzutage nicht mehr gegeben. Das Bewusstsein von Games ist weg von der Verpackung zum reinen Software-Inhalt gewechselt, also das digitale Spiel auf der Festplatte. Viele heutige Gamer brauchen das Drumherum einer Hülle mit Grafik, Booklet und Allerlei nicht mehr, weil sie es entweder nicht mehr wollen oder auch gar nicht mehr kennen. Was ungeachtet dessen gleich geblieben ist, dass jeder Gamer sich freut, wenn er „sein Spiel“ auch außerhalb des Mediums selbst erleben kann. Früher haben diese Aufgaben oft die Extras in den Verpackungen sowie diese selbst getan, heutzutage erfüllen Let’s Plays, Foren und Social Media, sprich die Community, diesen Job. Games sind Vorreiter darin, das haptische Gefühl zum Medium zu verlieren (Haptik bedeutet, dass wir etwas mit der Hand anfassen und greifen können). Während Filme und Musik nachziehen und auch mehr und mehr ihre DVDs und BluRays sowie die Verpackung reduzieren und auf Online-Stores und Streaming-Portale ausweichen, gibt es viele Games, vor allem im Indie-Bereich, die heutzutage nur noch als digitale Form existieren. Augenblicklich gibt es noch viele Gamer, die ihre Lieblinge gerne im Shop kaufen und in der Hand halten wollen, samt einer schön designten Verpackung, doch wird sich zeigen, ob die nächste Gamer-Generation irgendwann nur noch über Online-Stores kaufen und downloaden wird. Dann werden Spieleverpackungen in all ihren Formen und Variationen wohl nur noch in einer Weise weiter existieren: als Exponate im Museum.