20 Jahre Virtual Boy: Nintendos größter Flop

Wenn man an Nintendo denkt, dann fallen einem meist nur die großen Erfolge wie das Nintendo Entertainment System (NES), der Super Nintendo (SNES), der Game Boy oder zuletzt die Wii ein. Aber nicht immer lief bei Nintendo alles so reibungslos, denn mit dem 1995 in Japan und den USA erschienenen Virtual Boy, landete das Unternehmen aus Kyoto wohl seinen größten Flop. Jetzt nach ziemlich genau 20 Jahren wollen wir euch die skurrile rote „Taucherbrille“ etwas genauer vorstellen.

img-virtual-boyDer Virtual Boy wurde von Nintendo 1995 als portable Konsole und damit als möglichen Nachfolger für den bereits in die Jahre gekommenen Game Boy Classic angekündigt und veröffentlicht. Das Gehäuse ähnelte einer Brille, bei der mittels zweier Displays, ein leicht versetztes Bild und somit ein realistischer 3D-Effekt erzeugt wird. Die Displays bestehen aus einer Leiste von 224 roten LEDs, mit denen mittels eines beweglichen Spiegels ein Bild mit der Auflösung von 384×224 Pixel erstellt wird. Dadurch, dass nur rote LEDs genutzt werden, ist das Bild leider Monochrom. Die damals erhältlichen Blauen und Grünen LEDs waren zu dem Zeitpunkt noch nicht effizient genug. Womöglich wäre es aber bereits ein Jahr später möglich gewesen diese LEDs zu nutzen und somit ein farbiges Bild zu erzeugen, was den Virtual Boy vor seinem Schicksal hätte bewahren können. Anscheinend wollte man aber nicht mehr so lange warten und brachte den Virtual Boy mit der an den alten Game Boy Classic erinnernden Grafik auf den Markt.

Warum ist der Virtual Boy gescheitert?

Bereits die Markteinführung im Heimatland Japan verlief denkbar schlecht. Anstatt der kalkulierten 250.000 Geräte, konnten nur etwa 140.000 abgesetzt werden. Aber auch der spätere, mit großen Hoffnungen behaftete Launch in den USA, blieb weit hinter seinen Erwartungen zurück, so dass der Virtual Boy erst gar nicht in Europa veröffentlicht wurde.

screenshot-virtual-boy-marios-tennisNeben der bereits erwähnten und schon für damalige Verhältnisse schlechten Grafik, immerhin stand der Nintendo 64 kurz vor der Veröffentlichung und Sonys PlayStation war bereits auf dem Markt, waren ganz banale und praktische Gründe die Ursache für das scheitern. Der wohl ausschlaggebendste Punkt war, dass die Konsole als portables Gerät angekündigt wurde, sie aber gar nicht dafür geeignet war. Denn um mit dem Virtual Boy spielen zu können, musste man die Konsole samt Ständer auf einer ebenen Fläche abstellen. Zwar sollte ein Zubehör auf dem Markt kommen, mit der man die Brille am Kopf fixieren konnte und den unpraktischen Ständer überflüssig gemacht hätte, allerdings kam es nie dazu. Aber selbst damit hätte man wegen der viel größeren Maße zum Game Boy Classic, den Virtual Boy nur in einem Rucksack transportieren können. Den Game Boy Classic konnte man bequem in die Hosen- oder einer Gürtel-Tasche verschwinden lassen, was für eine portable Konsole essentiell ist. Durch die beweglichen Spiegel im Gehäuse, würde ich aber selbst von der Rucksack-Variante abraten. Praktisch gesehen war der Virtual Boy also keine portable, sondern eine stationäre Konsole, und stand damit in direkter Konkurrenz zum hauseigenen Nintendo 64, dem Sega Saturn und der PlayStation von Sony. Dass der Virtual Boy dort nicht mithalten konnte, ist aufgrund der technischen Voraussetzungen kein Wunder.

Neben den technischen Unausgereiftheiten, gab es aber noch andere Probleme in Verbindung mit dem Virtual Boy. Es klagten damals, wie auch heute, viele Nutzer über Rückenschmerzen, welche aus der gekrümmten und starren Haltung beim Spielen resultierte. Auch sollen häufig Kopfschmerzen auftreten, weswegen der Virtual Boy auch öfters scherzhaft „Die Kopfschmerz-Maschine“ genannt wird. Letzteres kann ich allerdings auch nach zwei Stunden Wario Land spielen nicht bestätigen, die Rückenschmerzen dagegen schon.

Den Todesstoß versetzte dem Virtual Boy dann das geringe Spielangebot, was eine direkte Konsequenz der schlechten Verkaufszahlen war. Bis zur Einstellung des Verkaufs nach nur einem halben Jahr, sind insgesamt nur 22 Spiele veröffentlicht worden. Davon sind acht exklusiv in Japan und drei exklusiv in den USA erschienen. Das Aus des Virtual Boy bedeutete natürlich auch das Aus für zahlreiche geplante Spiele. So befanden sich zum Beispiel Donkey Kong Country 2, Goldeneye, ein Bomberman-Ableger und natürlich ein Super Mario Land für den Virtual Boy in der Entwicklung. Viel Potential, was niemals das Licht der Welt erblickte.

Übrigens: Es gab immer wieder mal Gerüchte, dass der Virtual Boy eine zweite Chance in Verbindung mit neuer Software bekommen sollte. Spiele wie „Dragon Hopper“, „Zero Racers“ und „Bound High“ wurden in Verbindung damit genannt. Aber wie wir jetzt wissen, wurde auch daraus nichts. 2010 gab es nochmals ähnliche Gerüchte, dass sich ein Virtual Boy 2 in der Entwicklung befindet. Das Ergebnis davon war der Nintendo 3DS.

Welche Spiele lohnen sich für den Virtual Boy?

screenshot-virtual-boy-wario-worldObwohl die Spielauswahl mit 22 Titeln äußerst gering ist, findet man dennoch ein paar spielenswerte Perlen darunter. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich nicht alle Titel selbst spielen konnte. Ich selbst habe nur 14 in meinem Besitz, auf die ich mich beziehen kann. Hierbei handelt es sich auch nur um meine persönliche Meinung, die Geschmäcker sind ja bekanntlich unterschiedlich.

Mario’s Tennis – Das wohl am weitesten verbreitetste Spiel für den Virtual Boy ist „Mario’s Tennis“. Das liegt unter anderem daran, weil es in den USA der Konsole bei lag. Ich finde das Spiel sehr gelungen und es macht viel Spaß. Die Ball-Physik ist sehr ausgeglichen und auch der 3D-Effekt kommt schön zur Geltung. Das Spiel ist als Einzelspiel oder Turnier jeweils als Einzel oder Doppel spielbar. Für mich ein absolutes Must have-Spiel und man bekommt es auch relativ günstig.

Virtual Boy Wario Land – Da es Super Mario leider nicht als klassisches Jump’n’Run auf den Virtual Boy geschafft hat, muss man zu dem Ableger seines Widersachers Wario greifen. Das macht aber nicht weniger Spaß und ist ein sehr gutes Jump’n’Run, wie man es von Nintendo gewohnt ist. Knifflige und herausfordernde Level, durch die man Wario unbeschadet lotsen muss, bestimmen auch hier das Bild. Das besondere hierbei ist, dass es zwei Ebenen gibt. An manchen Stellen gibt es so was ähnliches wie Portale, mit denen ihr in den Hintergrund springen könnt, wo dann Münzen und Items gesammelt werden können, ohne die ihr teilweise nicht weiter kommt. Leider ist dieses Spiel etwas teurer als „Mario’s Tennis“. Wer sich aber eine Virtual Boy-Sammlung aufbauen will, kommt um dieses Spiel nicht herum.

Panic Bomber – Zwar hat es Bomberman nicht Bomben schmeißend auf den Virtual Boy geschafft, dafür aber in Form des Puzzlers „Panic Bomber“. Puzzle-Fans kennen das Spielprinzip vielleicht schon vom Super Nintendo. Das Spielprinzip ist das selbe, garniert mit ein paar 3D-Effekten macht es aber genau so viel Spaß. So richtig zur Geltung kommt die Technik des Virtual Boy allerdings nicht, hier sollte man nicht zu viel erwarten. Spaß macht es aber allemal.

Vertical Force – Auch Shoot’em’Up-Fans kommen beim Virtual Boy auf Ihre Kosten. Allerdings sind die beiden erschienenen Spiele dieses Genres nicht die besten ihrer Art. „Red Alarm“ kommt mit einer unübersichtlichen Vektor-Grafik daher, dessen Spielspaß durch eine behäbige und nicht besonders intuitive Steuerung noch weiter erschwert wird. Besser gefällt mir „Vertical Force“. Hierbei fliegt ihr mit einem Raumschiff von unten nach oben und müsste, wie in diesem Genre üblich, Gegner abschießen, die wiederum auch auf euch schießen. Das besondere dabei ist, dass dieses auf einer unteren und oberen Ebene geschieht, zwischen denen ihr beliebig wechseln könnt. Zwar ist es nicht immer gut zu erkennen, wo sich die Gegner gerade befinden, Spaß macht es dennoch.

img-virtual-boy-retro-gamer-102Um einen Überblick über alle Spiele zu bekommen, solltet ihr euch mal die komplette Liste dazu ansehen. Unter diesem Link gibt es viele Informationen und teilweise auch Testberichte, Screenshots und Videos zu den Spielen. Ein Blick lohnt sich allemal, auch um solche kuriosen Spiele zu entdecken, wie das Japan exklusive „Virtual Fishing“ oder das oft als schlechtestes Spiel für das System bezeichnete USA exklusive Spiel „Waterworld“ zum gleichnamigen Film von Kevin Costner. In der UK-Ausgabe des Magazins „Retro Gamer“ #102 werden im übrigen alle 22 Spiele kurz behandelt. Diente für mich bei dem ein oder anderen Spiel sogar als Entscheidungshilfe.

Aktive Homebrew Szene

Leider kann ich hierzu noch nicht besonders viel schreiben, weil mir das nötige Zubehör fehlt. Aber für den Virtual Boy gibt es eine recht aktive Homebrew-Szene, die von Zeit zu Zeit eigene Spiele als ROM veröffentlicht. Um diese zu spielen braucht man den sogenannten „Flashboy“, der mit einem USB-Anschluss versehen ist. Darüber lassen sich dann diese ROMs übertragen und auf dem Virtual Boy spielen.

Die Auswahl der Homebrew-Spiele liest ist recht üppig und abwechslungsreich. Mich als großen Mario Kart-Fan, interessiert natürlich das erhältliche „Mario Kart: Virtual Cup“ sehr. Auch andere Spiele und Demos klingen sehr interessant.

Virtual Boy wirklich so schlecht?

Ich würde diese Frage ganz klar mit NEIN beantworten. Zwar kann ich aufgrund der Erwartungen und dem letztendlich fertigen Produkt verstehen, dass der Virtual Boy damals kommerziell gescheitert ist, dennoch ist diese kuriose Konsole mein größter Schatz in der Sammlung. Schon alleine wegen seines seltsamen und irgendwie spaceigen Aussehens ist er ein absoluter Hingucker und nahezu jeder, der die Konsole bei mir zuhause sieht, möchte sie auch mal ausprobieren und ist auf irgendeine Art davon angetan. Die Spiele können zwar nicht alle überzeugen, aber wie erwähnt, findet man auch in der Virtual Boy Spiele-Bibliothek gute und fesselnde Spiele. Sehr schade, dass die Konsole so schnell eingestellt wurde, denn ich bin überzeugt, dass man mit den technischen Möglichkeiten einige grandiose Spiele hätte programmieren können. Leider war es nicht so und der Virtual Boy wird immer der größte Flop und ein Kuriosum in Nintendos Firmengeschichte bleiben. Ich für meinen Teil spiele gerne damit und möchte ihn in meiner Sammlung nicht missen.

Falls jetzt jemand mit dem Gedanken spielt, sich den Virtual Boy zuzulegen, dann ist es leider gar nicht so einfach. Auf eBay sind zwar immer wieder welche zu finden, aber wie bei den meisten Retro-Konsolen ist auch der Preis für den Virtual Boy in den letzten Monaten stark gestiegen. Wenn man nicht eBay als Quelle nutzen will, dann sollte man mal sin Glück in Japan versuchen. Und zwar betreibt Yahoo in Japan eine Auktionsplattform, ähnlich wie eBay bei uns. Da diese eigentlich nur für Japaner geöffnet und das Publikum somit etwas kleiner ist, kann man hier das ein oder andere Schnäppchen machen. Da aber nicht jeder einen persönlichen Japaner „zur Hand hat“, haben sich einige Webseiten darauf spezialisiert, die gewünschten Produkte für einen zu ersteigern und diese dann weltweit an den gewünschten Ort zu schicken. Zwar dauert dies etwas länger und man muss noch mal ein paar Gebühren drauflegen, aber dennoch kommt man oftmals günstiger dabei weg, als wenn das gewünschte Produkt bei eBay gekauft wird.