Zurück in die Vergangenheit: Input Lag und warum er so wichtig ist

Schaut man mal zwanzig, fünfundzwanzig Jahre in die Vergangenheit, dann geht es bei Spielkontrollen oft um Dinge wie Mängel bei der Kollisionsabfrage. Ein Thema, das man allerdings nie findet ist Input Lag. Man könnte meinen, das Thema war damals nicht existent. Kein Wunder, waren doch zwei von drei Verursachern damals gar kein oder nur ein Nischenthema. Den dritten Grund kann man allerdings trotzdem schon mal entdecken, nämlich schwammige oder träge Steuerung. Tatsächlich ist der Lag des heimischen Fernsehers bei weitem nicht der einzige Grund, wenn auch ein ganz wichtiger.

Lange Leitung

Wenn Input Lag irgendwo schon systembedingt ist, dann beim Onlinegaming. Kein Wunder, müssen unsere Signale und die von anderen Spielern doch teilweise um die halbe Welt reisen. Oder vielleicht sogar mal kurz in den Weltraum und zurück, dank Satellitenuplink auf dem Weg. Kurzum, ein bisschen Verzögerung gibt es immer. Auch bei Streamingangeboten übrigens. Dagegen kann man eigentlich auch nur eine Sache machen, nämlich bevorzugt gegen Spieler ‚in der Nähe‘ zocken, also auf europäischen Servern etwa. Aber wo genau liegt beim Online Lag das Problem?

Das ganz klassische Beispiel dürfte der Sniper sein, der euch über den Haufen ballert, bevor ihr ihn sehen könnt. Im Prinzip findet sich was in der Art auf jeder Map, zum Beispiel die Blutsväter Spitze auf Raid on Apex 7 bei Halo 5. Wollt ihr diesen Punkt erobern, müsst ihr irgendwann mal kurz ins Freie. Und egal, wie gut man die Umgebung kontrolliert, immer wieder mal kommt ein Sniperschuss aus dem Nichts. Das liegt aber vielleicht einfach daran, dass zwischen euch und Sniper stolze 200ms Lag herrschen. Ein halbwegs schneller Spieler taucht also aus der Deckung, visiert euch an und feuert den Schuss ab, vielleicht bevor ihr ihn überhaupt gesehen habt, aber ganz sicher bevor ihr selbst reagieren konntet. Das gilt natürlich erst Recht in Verbindung mit weiteren Lags, aber dazu später mehr.

Normalerweise gleichen sich Onlinelags als Ganzes betrachtet früher oder später aus. Denn auch andere Spieler registrieren uns erst verspätet. Oder sie ballern auch mal an eine Stelle, an der wir eigentlich nicht mehr stehen. Aber genau das ruft auch Cheater auf den Plan. Per künstlichem Lag kann man nämlich prima betrügen. So ist es möglich, für andere Spieler, bspw. per Lag Switching nahezu unverwundbar oder regelrecht unsichtbar zu sein. Alternativ Streaming kann man auch nur so tun als ob man massiven Lag hätte und nur verzögert reagieren könnte, während man in Wahrheit optimale Voraussetzungen hat. Immerhin, dank verschiedener Schutzmaßnahmen und der ziemlich geschlossenen Systeme müssen sich Konsolenspieler deutlich weniger mit Lag-Cheatern herumschlagen als PC-Jünger. Auch wenn es das nicht weniger ärgerlich macht.

Controller I/O oder Controller I/////O

Damals, also wirklich damals, als wir alle noch kein Handy hatten weil sowas nur Bonzen im Fernsehen hatten, da gab es im Informationstechnikunterricht noch das EVA-Prinzip. Also Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe. Blöd nur, dass genau zu dem Zeitpunkt auch mal die Verriegelung der Bustür nicht so richtig funktionierte, die Türe während der Fahrt aufging, eine eher weniger beliebte Schülerin namens Eva aus dem Bus purzelte und die Türe sich wieder schloss. Fies wie man als Teenager so ist hatten wir danach unser eigenes EVA-Prinzip, Tür auf, Eva raus, Tür zu.

Ach ja, nach ein paar Sekunden Verzögerung reagierte der Busfahrer damals mit fester Bremsung, sammelte die Gott sei Dank nicht ernsthaft verletzte Eva wieder ein und fuhr weiter.

Auch Controller können mit Verzögerung reagieren. Genau genommen tun sie das sogar immer. Immerhin liegen ja mindestens 16,7 Millisekunden zwischen zwei Frames. Und vielleicht noch wesentlich mehr Zeit zwischen unserer Eingabe und der Ausgabe auf dem Bildschirm. Denn der Controllerinput muss nicht unbedingt an einzelne Bilder gekoppelt sein. In sehr vielen Fällen ist das natürlich trotzdem der Fall. Und ein Hauptgrund, warum Spiele mit 60fps sich wesentlich responsiver anfühlen als solche mit 30 Bildern pro Sekunde. Kein Wunder also, dass sich gerade Shooter, Rennspiele und Vs. Fighter mit hoher Bildrate deutlich besser anfühlen. Von der flüssigeren Optik mal ganz zu schweigen. Dank PlayStation 4 Pro und Xbox One X kann man das bei Spielen wie Forza Horizon 4, die sowohl 30fps als auch 60fps Modi bieten auch sehr gut selbst erfahren.

Genau das ist übrigens auch der Grund, warum manche kompetitiven PC-Spieler bis heute gerne mit niedrigen Settings und hohen Bildraten spielen, selbst wenn ihr Monitor gar nicht jedes Bild darstellen kann. Und es ist der Hauptgrund für höhere Bildraten als 60fps auf zukünftigen Konsolen und auch auf dem PC. Auch wenn natürlich niemals alle auf hohe Bildraten setzen werden.

Allerdings können sich Entwickler auch ganz bewusst, oder vielleicht unbeabsichtigt, für gewisse Verzögerungen entscheiden. Killzone 2 reagierte beispielsweise bewusst etwas träger auf Controllereingaben als andere Shooter. Das sollte uns Gewicht und Wucht unserer Ausrüstung vor Augen führen. Wesentlich unverständlicher ist der massive Input Lag, den Rise of the Tomb Raider auf Xbox One hatte. Auch wenn ich dank Spielmechanik und Auto-Aim persönlich keine Probleme mit dem Spiel hatte, die Trägheit der Steuerung ist hier deutlich spürbar. Das schöne, englische Adjektiv sluggish muss sich irgendein Hellseher ausgedacht haben, der bereits damals Rise of the Tomb Raider vor Augen hatte. Die Steuerung kostet jedenfalls zumindest ein bisschen Spielspaß, bei einem schnelleren Spiel wäre sie ein K.O. Kriterium gewesen.

Genau das ist allerdings immer wieder mal ein Problem von Emulatoren. Liegt vielleicht in der Natur der Sache. Hier tut ein Computer nun mal so, als ob er ein ganz anderer Computer wäre auf dem eine bestimmte Software läuft, und das mal mehr, mal weniger genau und mal mehr, mal weniger schnell. Genau das kann bei manchen Spielen zu deutlich verzögerten Reaktionen führen, für die diese Spiele halt niemals gedacht waren. Gerade bei vielen Klassikern können aber wenige Pixel und minimalste Verzögerungen über Streifschuss oder Ausweichen und über Sturz in den Abgrund oder erfolgreiche  Sprung entscheiden.

TV, TV, T…Monitor

5ms, 30ms oder doch direkt auf 180? Meine erste, ernsthafte Erfahrung mit Displaylag hatte ich Ende 2005 bei einem Xbox 360 Kiosk mit Project Gotham Racing 3. Eigentlich gefiel mir das Spiel, aber dank seltsam verzögerter Steuerung baute ich ständig Crashes, bremste falsch und so weiter. Des Rätsels Lösung lag im LCD-Fernseher. Und in dessen falschen Einstellungen. Der Samsung LCD damals war eh nicht der allerschnellste, mit falschem Setup konnte der Input Lag bis in die 300ms Richtung wachsen, was bei 200KM/h im Spiel dutzende Meter ausmachen konnte. Kein Wunder also, wenn man in der Bande landet.

Immerhin, LCD’s und erst recht OLED’s reagieren heutzutage eine ganze Ecke fixer als damals. Trotzdem verfügen moderne Fernseher über Unmengen von Bildverbesserern, die alle ihre Zeit brauchen und selbst deaktiviert noch für minimale Verzögerung sorgen. Viele Spieler setzen deswegen auf reine Monitore, die teilsweise mit einer einzigen Millisekunde Verzögerung werben. Auch wenn in der Praxis eher mal 5ms daraus werden, die 15 bis 50 Millisekunden, die manch ein TV im Gamemode bietet liegen noch mal deutlich höher. Aber macht das überhaupt was? Und wenn ja, wo liegen die Grenzen?

Tatsächlich ist unser Gehirn nicht immer das allerschnellste. Eine gewisse Menge an Lag ist wirklich völlig vernachlässigbar, weil es einfach keine Sau merkt. Dann gibt es den Bereich für empfindliche Zeitgenossen und den wo es kritisch wird. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen, ob eine oder zehn Millisekunden, das ist wirklich Pott wie Deckel. Es macht keinen Unterschied und andere Dinge sind viel wichtiger. Ganz anders sieht es aus, wenn der Input Lag deutlich über 30ms liegt, vielleicht sogar an der 50er Marke kratzt. Spätestens über einer zwanzigstel Sekunde merken auch die unempfindlichen Zeitgenossen endgültig, dass hier was nicht stimmt. Kurzum, die Relationen müssen einfach stimmen. Wer einen TV zum Zocken braucht, der sollte auf Input Lag unter 30ms auf jeden Fall achten, 20ms und weniger sollten aber keine Probleme bereiten. Und nein, der Input Lag hat nix mit der vom Hersteller angegebenen Reaktionszeit zu tun. Das meiste liegt an der Bildverarbeitung im TV, weswegen auch manche OLED’s ziemlich lahmarschig sein können.

In der Summe

Da war doch noch was? Richtig, Lag kann sich natürlich addieren. Sicher mit ein Grund, warum Input Lag etwa durch die Steuerung oder auch durch Onlinegaming immer wieder unterschiedlich wahrgenommen wird. Mit sehr schnell reagierendem Display ist eine Eingabeverzögerung bei Call of Duty 375: Kebap Warfare vielleicht noch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Mit eher langsamem TV dann aber ganz schnell tödlich. Dabei macht der gleiche Fernseher bei Forza Motorsport 17 gar keine Probleme, weil die Controllerabfrage da viel schneller ist.

Auch beim Game Streaming dürfte Input Lag Addition wieder eine Rolle spielen, weil hier mehr oder weniger viel Online lag dazu kommt. Immerhin müssen die Daten zum Rechenzentrum und zurück und dann auch noch über den Umweg TV auf unsere Netzhaut. Das Thema Input Lag könnte uns also noch einige Zeit erhalten bleiben und in den nächsten Jahren vielleicht sogar noch wichtiger werden als ohnehin schon.