Shared World Royale oder Langeweile durch Trends

An sich nix neues, wenn Sachen im Trend liegen, gibt es Nachahmer. Schließlich will man ja für sich selbst auch Vorteile aus den Trends ziehen. Entsprechend waren zwei der ganz großen Messeschlagworte eigentlich schon im Vorfeld festgelegt. Da wäre unweigerlich Battle Royale. Dank Player Unknown‘s Battlegrounds und Fortnite ist das Last Man Standing im Großformat momentan so beliebt wie kein anderer Multiplayer-Modus. Daneben ist Shared World aktuell das nächste große Ding. Wer es schafft, Spieler durch die gemeinsame Erfahrung erfolgreich länger an sein Spiel zu binden, hat halt fast schon gewonnen. Denn wer länger zockt, der gibt meistens auch länger Geld aus, wenn schon nicht für Lootboxen, dann für Skins und Add Ons.

Battle Royale für Alle

In Zeiten nachlassender Verkäufe, gerade bei Call of Duty, sieht manch einer vielleicht schon die Felle der ehemaligen Multiplayer-Giganten wegschwimmen. Die neuen Stars am Mehrspielerhimmel heißen Fortnite und PUBG. Gerade Fortnite, Free to Play und mittlerweile auf jedem Toaster verfügbar, zieht aktuell Spieler ohne Ende an. Genau hier wollen auch die bisherigen Giganten punkten.

Ausgerechnet Call of Duty, das vor 15 Jahren gerade wegen seiner bombastisch inszenierten Kampagne Erfolge feiern konnte, will auf jene nun komplett verzichten. Sicher, die typische CoD Kampagne stand mit Unmengen an Scripts, meist extrem linearem Ablauf und oft eher mauer KI immer wieder in der Kritik. Gleichzeitig war der Michael Bay Film unter den First Person Shootern gerade wegen seiner Inszenierung bei vielen Spielern auch beliebt. Die Kampagnen von Call of Duty hatten einfach immer ihre Fans. Und das waren gar nicht mal so wenige.

Egal, wer spielt denn heute noch Kampagnen? Zumindest bei Activision scheint man zu denken, dass höchstens eine kleine Minderheit Interesse daran hat.

Zu einem ganz anderen Schluss kommen EA und DICE. Battlefield V bekommt einen ausgewachsenen Singleplayer und der sieht zur Abwechslung sogar mal ganz gut aus. Zumindest das bisher gezeigte Material erinnert dezent an Spiele wie Medal of Honor: Underground. Tatsächlich gibt es eine Chance, dass hier die bisher beste Battlefield Kampagne auf uns wartet. Das mag vielleicht nicht super schwer sein, aber immerhin arbeitet DICE an der Kampagne.

Allerdings setzen beide Titel ganz massiv auf den neuen Trend Battle Royale und damit sind sie nicht alleine. Genau hier lauern aber eine ganze Reihe Probleme. Das älteste und bekannteste ist einfach, dass ein Trend praktisch nie für alle funktioniert. Auch wenn es nicht direkt vergleichbar ist, World of Warcraft ist hier sicher nicht das schlechteste Beispiel. Kein anderes MMORPG kann auf vergleichbare Erfolge zurückblicken. Dabei konnte World of Warcraft sich nicht nur gegen ältere MMO’s durchsetzen, sondern auch gegen alle, die danach kamen, insbesondere natürlich solche mit Abomodell. Gerade der Versuch, Blizzard allzu sehr nachzuahmen, war für viele andere Entwickler am Ende kontraproduktiv.

Genauso gibt es aber auch Titel, welche sich von dem Modus eher inspirieren lassen. Die einschlägigen Newsseiten schreiben zwar, dass FIFA 19 nun auch einen Battle Royal Modus bekommt, ist dieser aber maximal an den Modus angelehnt und hat selbst nur sehr wenig damit zu tun. Hier spielen nicht 22 Leute auf einmal gegeneinander sondern zwei Spieler mit ihrer Mannschaft und bei einem Tor wird ein zufälliger Spieler aus der Mannschaft des Torschützen entfernt. Dadurch entsteht mit Sicherheit eine gewisse Dynamik, da die Mannschaft, die hinten liegt, mehr Spieler auf dem Feld hat und so bessere Chancen auf den Ausgleich bekommt. Mit Battle Royale hat es aber nur wenig zu tun auch wenn man durchaus eine gewisse Inspiration erkennt .

Der aktuelle Trend zu Battle Royale birgt natürlich Erfolgsaussichten, aber auch gleich mehrere Risiken. Da wäre erstmal die Tatsache, dass Call of Duty, Battlefield und weitere Titel sich gegen die Neuen durchsetzen müssen. Das könnte alle Beteiligten irgendwo Spieler kosten. Oder Battle Royale Fans konzentrieren sich auf wenige Spiele und die meisten Entwickler verballern am Ende umsonst Ressourcen auf den Modus. Gleichzeitig könnte es die bisherige Spielerschaft unnötig aufsplitten. Denn immer mehr Modi heißt nicht unbedingt, dass mehr Leute spielen. Entsprechend schnell könnten einzelne Spielmodi in der Versenkung verschwinden, einfach weil die Spieler fehlen. Richtig problematisch wird es, wenn man das bisherige Standbein einer Reihe vernachlässigt. Bei Halo 5: Guardians reichte es schon, dass man auf den serientypischen Splitscreen verzichtete, bei vielen Serienfans kam das gar nicht gut an.

Als alter Sack spiele ich selbst am liebsten kurze, knackige Arenamodi. PvE ist dann noch ein anderes Thema, weil man hier nicht immer 100% bei der Sache sein muss. Battle Royale ist ein relativ umfangreicher Modus mit eher langer Spieldauer, der mich einfach herzlich wenig juckt. Klar, ich bin nicht unbedingt repräsentativ, Spielertypen sind aber nun mal sehr unterschiedlich. Genau diese Diversifikation brauchen wir deswegen aber auch bei Multiplayer-Spielen. Wenn alle das gleiche machen, wird am Ende (fast) keiner gewinnen.

Shared World zum Mitnehmen

Das andere große Ding der Messe war dieses Jahr wohl Shared World. Im Prinzip nix wirklich neues, sehen wir die geteilte Online-Spielwelt nun bei immer mehr Titeln. Nicht wirklich neu ist die offene Online-Spielwiese bei Forza Horizon. Zwar gibt es seit jeher einen Offline-Singleplayer, auch Forza Horizon 4 wird den besitzen, aber von Teil zu Teil gab es immer mehr Online-Aspekte. Entsprechend werden wir im vierten Teil sogar in der Online-Welt starten. KI-Autos soll es dann nur in instanzierten Rennen geben aber nicht im Straßenverkehr. Der Offline-Modus wird so langsam aber sicher zum optionalen Bonus. Immerhin folgt Forza Horizon hier aber einer klaren Entwicklung.

Ganz anders ist da Fallout 76. Das schmeißt einen Großteil der Serientugenden erstmal radikal über Bord: Gar keinen Singleplayer zum Start, bis auf weiteres keine NPC’s und überhaupt, alles auf jeden Fall online. Für alles weitere sollen, wenn aktuelle Aussagen nicht missverstanden wurden, zukünftig die Modder verantwortlich sein. Fallout 76 ist ganz sicher schon mal kein Fallout 5. Aber ist es überhaupt ein Fallout?

Tatsächlich waren die ganz orthodoxen Fallout Fans schon von Bethesdas Einstand nicht unbedingt restlos begeistert. Zwar war Fallout immer sehr offen und auch den schwarzen Humor, der der Reihe innewohnt, konnte Bethesda ganz gut aufleben lassen. Gleichzeitig steckte aber nun mal viel Bethesda DNA in Fallout 3 und 4. New Vegas mit seinen gravierenderen Konsequenzen merkte man dagegen klar an, dass viele Serienveteranen, die schon an den ersten beiden Teilen gearbeitet hatten, bei Obsidian gelandet waren.

Interessante NPC’s, der Wechsel von neu entstandenen Gemeinschaften zu totaler Einsamkeit, die Freiheit, Situationen auf verschiedenste Weise zu lösen, vieles davon kann man sich in Fallout 76 aktuell gar nicht vorstellen. Dagegen sollen Basenbau und Crafting eine wichtige Rolle spielen. Die Rolle der NPC’s soll komplett durch Spieler übernommen werden. Kurzum gerade das, was Fallout zum Großteil ausmacht, scheint erstmal keine Rolle mehr zu spielen. Zurück bleibt vor allem das Setting.

Klar ist jedenfalls, vielen langjährigen Fallout Fans wird 76 erstmal weniger bis gar nicht gefallen. Das macht es nicht zu einem schlechten Spiel, aber es ist halt sehr weit weg vom bisherigen postapokalyptischen Rollenspiel.

Ein weiteres Problem lauert in der schieren Menge an Titeln, die mindestens den Game as a Service-Gedanken verfolgen oder gleich als Shared (und ggf. Open) World Erfahrung daherkommen. Schafft es ein Entwickler nämlich, mich wirklich nachhaltig an seinen Titel zu binden, spiele ich ziemlich sicher weniger bis gar keine anderen Spiele. Der Effekt lässt sich natürlich in anderen Bereichen der Gamingwelt immer wieder mal beobachten, zum Beispiel beim Multiplayer-Trend Ende der Zweitausender. Plötzlich sahen sich Entwickler genötigt, nahezu jedem Singleplayer-Titel auch einen ausgewachsenen Multiplayer zu verpassen. Natürlich sollte das Interesse wecken, Spieler binden und Verkäufe fördern. Wirklich profitieren konnten aber die wenigsten Titel von ihrem Multiplayer-Modus. Gerade weil jeder einen hatte.

Gegen den Strom

Ein paar der beliebtesten Titel dieser E3 machen genau eine Sache nicht. Einem Trend folgen. Da wäre beispielsweise Cyberpunk 2077. CD Projekt fokussiert sich erstmal auf die Kernpunkte seines neuen Rollenspiel-Meisterwerks. Tatsächlich scheinen die Polen gar keinem Trend hinterher zu rennen, dafür aber eigene zu setzen.

Natürlich sind Trends nicht immer schlecht. Das zeigt schon sowas vermeintlich belangloses wie die Gesundheitsregeneration der meisten Spiele heutzutage. 2001 von Halo eingeführt, ist das Konzept heute praktisch Standard. Und sehr oft funktioniert es auch sehr gut. Mirror’s Edge wäre ohne Autohealing sicher ein ganz anderes und weniger schnelles Spiel. Allerdings funktioniert es ganz sicher nicht immer. Survival-Titel etwa sind mit solchen Heilmechaniken denkbar schlecht bedient. Auch Wolfenstein, F.E.A.R. oder Metro zeigen, dass es für Medipacks und Heilkits immer noch spielerische Relevanz geben kann.

Kleine wie große Entscheidungen haben immer wieder massiven Einfluss auf die Spiele, die wir zocken. Schwierig wird es dabei immer dann, wenn alle einem Trend folgen. Aktuell zeigt sich das vielleicht nirgendwo so sehr wie bei Battle Royale und Shared World. Fallout 76 etwa wird anders sein als jedes bisherige Fallout. Ob zum Schlechteren oder am Ende sogar zum Besseren bleibt abzuwarten. In jedem Fall muss es aber mit massig anderen Shared World-Titeln um die Käuferschaft buhlen. Was wir dafür wahrscheinlich erst auf der nächsten Konsolengeneration erleben werden: Klassische Bethesda Rollenspiel Kost für Solisten.