Vor kurzem hat die ESL One Cologne die Lanxess Arena über ein komplettes Wochenende restlos gefüllt, 14.000 Zuschauer und das drei Abende hintereinander. Abseits dieses groß angelegten Events wurde im Deutschen Sport & Olympia Museum zu einer Podiumsdiskussion geladen. Dabei wird die Frage „eSports – Ist das Sport?“ in den Raum gestellt und von fünf Gästen versucht zu beantworten. Moderiert von Konstantin Winkler, dem Bundesliga-Moderator bei SPORT1.fm werden nach der Reihe Ulrich Schulze, Managing Director Pro Gaming bei der ESL, Prof. Dr. Jürgen Mittag von der Sporthochschule Köln, Alex Müller, Managing Director von SK Gaming, Simon „Darkmok“ Tabin von mYinsanity und Horst Fadel von der Bravo Sport vorgestellt.
Der Opener der ganzen Veranstaltung spiegelt die aktuelle Prsäsenz und das steigende Interesse in der Öffentlichkeit eindrucksvoll wieder. Denn es gab Gerüchte, dass kein geringerer als der FC Bayern München in die eSports-Szene einsteigen möchte und SK Gaming aufkaufen möchte, was Alex Müller gekonnt dementierte. Anschließend schwelgt Müller ein wenig in Erinnerungen, als er die Anfangszeit des eSports und Turtle Entertainment wiedergibt. Rückblickend war für ihn eine Lan Party wo das Quake Finale 1999 zwischen Schroet Kommando und mTw ausgetragen wurde, wegweisend.
Auf die Frage hin ob eSports nun Sport ist, fahren hier alle durchaus einen Konsens. Ob nun aufgrund gegenseitiger Rücksichtnahme oder es tatsächlich ihre Auffassung dieses Themas ist, bleibt dahin gestellt. Während Horst Fadel ganz klar der Auffassung ist, dass es lediglich eine Frage der Zeit bis zu einer Anerkennung ist, ist es Alex Müller und Ulrich Schulze gefühlt einfach egal. Schließlich ist eSports ein Entertainment-Programm mit hoch kompetitiven Faktor, welcher sich von ganz alleine entwickelt hat. Man hat den Titel „Sport“ einfach nie benötigt und erachtet es auch nicht als Notwendigkeit. Profispieler Simon Tabin unterscheidet ganz klar zwischen eSport und Sport und auch Prof. Dr. Mittag ist klar auf der Kontraseite, auch wenn er sich gerne mit dem Phänomen eSports aus gesellschaftlicher Sicht auseinandersetzt.
So fehlte dem eSports vor allem ein Vereins- und Verbandswesen, welches derzeit in Deutschland notwendig wäre, um als Sport anerkannt zu werden. So richtig wollte man das vom eSports-Lager aber nicht gelten lassen, so wurde beispielsweise das amerikanische Sportwesen als Beispiel aufgeführt, dass es dazu nicht bedarf, um eSports auch Sport zu nennen. Man braucht nur mal einen Blick auf die NBA, NFL, MLB oder NHL zu werfen, immerhin einige der größten Sport-Ligen der Welt, welche herzlich wenig mit der Vereinsstruktur, wie wir sie in Deutschland kennen, zutun haben. Dazu hat der WDR vor kurzem einen interessanten Beitrag auf YouTube veröffentlicht, in dem vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ebenfalls diese Strukturen bemängelt werden.
Esports Clans oder Organisationen sind mittlerweile ähnlich professionell aufgestellt und hantieren mit beträchtlichen Summen, um auf hohen Niveau erfolgreich zu sein. Man muss nur die Geschichte und Entwicklung des Sports ein wenig beobachten. Das klassische Bild von pickeligen jungen Männern, die sich nur von Chips und Energy Drinks ernähren und in Massen in abgedunkelten Räumen vor ihren Bildschirmen hocken, ist meilenweit von aktuellen eSports Szene entfernt. Aktuellen Profispieler gehören der ersten Generation von eSportlern an, welche sich finanziell nur durch das Spielen selbst versorgen und davon leben können.
Wie in anderen Sportarten auch, ist auch unter eSportlern eine gute Vorbereitung alles. Vor großen Turnieren finden daher sogenannte Bootcamps statt, bei denen man teilweise bis zu 8 Stunden an 6 Tagen in der Woche trainiert. Simon Tabin, einziger aktiver eSportler in der Runde, kommt ausserhalb der Turnieren mit etwa 2 bis 3 Stunden täglich aus. Alex Müller von SK Gaming betont dabei, dass besonders in dieser Phase der Vorbereitung sehr stark auf die Gesundheit der Spieler geachtet wird. Personaltrainer sorgen für ausgewogene Ernährung, genügend Ausgleichssport und die sozialen Aspekte. Interessant, dass in diesem Zusammenhang von “richtigen Sport” gesprochen wird. Man versucht in der Vorbereitungsphase vor allem den Spielern ihre Konzentrationsgrenzen zu zeigen und mit dieser Umgehen zu lernen. Außerhalb wird viel mehr auf Regelmäßigkeit als auf Masse Wert gelegt.
Die richtige Vorbereitung und das richtige Training sind durch das junge Alter der Szene noch unterentwickelt. Alex Müller weist als Vater auch daraufhin, dass man in Deutschland versuchen muss, sich von dem eigenem Kosmos in dem man lebt zu lösen und nach links und rechts schauen, statt Videospiele allgemein als kritisch zu betrachten. Nicht selten kommt es vor, dass Eltern mit Fragen zu Videospielen aufgrund fehlender Medienkompetenz zu ihm kommen.
„Thema Videospiele an Schulen ist ein MUSS… und zwar für die Eltern!“
~Alex Müller
Vielmehr muss man das Thema aktiv in den Unterricht einbauen, so hat eine norwegische Schule beispielsweise eSports als Wahlfach eingeführt. Statt zur Fußball- oder Koch-AG, kann dort beispielsweise auf kompetitiver Ebene gezockt werden. Genau wie bei Zusatzfächern wie Fußball oder Handball wird hier viel Wert auf Teamwork gelegt. Entsprechend sieht auch die Benotung der Gymnasiasten aus. Nicht nur Skill und Taktisches Verständnis sollen im Fokus stehen, auch Kommunikation und Teamfähigkeit spielen eine Rolle. Gleichzeitig bekommen die Schüler die das Fach belegt haben Athletik Training, eine Ernährungsberatung und spezielle Übungen, welche die Reflexe steigern sollen.
Aber wie sieht die Zukunft eines solchen Profi eSportlers aus? Diese Frage versucht sich Simon anzunehmen. Hier gibt es in den Reihen der Profis zwei Auffassungen. Die einen die sich nebenher eine Absicherung in Form einer Ausbildung schaffen und der komplette Fokus auf das hier und jetzt. Simon gehört nach eigener Aussage zu der zweiten Gruppe.
„Man kann etwas nur machen, wenn man sich voll darauf fokussiert!“
~Simon “Darkmok” Tabin
Ulrich Schulze weist auch darauf hin, dass die Preisgelder mittlerweile eine Höhe erreicht haben, mit denen Profi Spieler durchaus mehr als gut über die Runde kommen. Auch Alex Müller redet zwar nicht von genauen Zahlen aber seine Truppe, die zu der Zeit ein Match in der Lanxess Arena bestritten hatte, geht am Ende eines Jahres mit einem 6-stelligen Betrag nach Hause. Während des Jahres leben die Spieler Kost- und Logisfrei in einer Villa in L.A. Schließlich sind gerade in der Lanxess Arena über 14.000 Zuschauer und während des Finales haben 1,3 Millionen Zuschauer via Twitch dem Spektakel beigewohnt. Der Markt ist verdammt groß.
Die ESL spielt bei der Weiterentwicklung eine große Rolle, sind diese nicht nur für die Veranstaltungen und Turniere verantwortlich, sondern kümmern sich auch um die Restriktionen und einen fairen Ablauf. Auch Themen wie Doping im eSport sind bereits Thema. Hier arbeitet man bereits an einer Liste verbotener Substanzen auch wenn man hier vermutlich weniger ein Problem sieht. Viel wichtiger sind hier bereits aufgetretene Wettskandale. Hier versucht man allein schon mit den Gehältern der Spieler entgegenzuwirken, zusätzlich arbeitet aber die ESL bereits mit Partnern an Gegenmaßnahmen. Wie eingangs erwähnt steigt auch zunehmend das Interesse etablierter Sportvereine an dem Thema eSports. Als der VfL Wolfsburg durch die Verpflichtung zweier Profi FIFA Spieler Schlagzeilen machte, ging eine Bewegung durch die Szene. Erst kürzlich hat der FC Schalke 04 mit dem Kauf von Elements sich einen Platz in der League of Legends Championship Series erkauft und kurze Zeit später zusätzlich auch die Verpflichtung des sechsfachen Deutschen Meisters sowie Österreichischen Rekordmeisters in FIFA Mario Viska und Cihan Yasarlar, welcher erst seit einem Jahr professionell spielt aber bereits einiges an Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte, bekannt gegeben. Laut Horst Fadel von der Bravo Sport werden es aber nicht die letzten klassischen Sportvereine sein, die auf den eSports-Zug aufspringen. Dazu ist der Markt zu lukrativ und man erreicht noch mal ein ganz anderes Zielpublikum.
Man merkt schnell wie diese Debatte in einen informativen Abend abgedriftet ist. Schlussendlich waren sich aber auch alle Parteien schnell einig, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis eSports auch Sport ist.