Kolumne: Was erlaubt sich Bethesda da? – Pressemuster und Gamingmagazine

Der eine oder andere aktive Spielenewsleser wird schon wissen auf was ich hinaus möchte und zwar auf den Blogbeitrag von Bethesda vom Dienstag:

Wir werden in Zukunft erst einen Tag vor Release Review-Kopien versenden, aber trotzdem vor Release an ausgewählte Medien, Streamer und Youtuber Muster und Versionen.

Zum Vergleich hier die Originalmeldung:

Earlier this year we released DOOM. We sent review copies to arrive the day before launch, which led to speculation about the quality of the game. Since then DOOM has emerged as a critical and commercial hit, and is now one of the highest-rated shooters of the past few years.

With the upcoming launches of Skyrim Special Edition and Dishonored 2, we will continue our policy of sending media review copies one day before release. While we will continue to work with media, streamers, and YouTubers to support their coverage – both before and after release – we want everyone, including those in the media, to experience our games at the same time.

Hier zeigten viele Videospielmagazine, -webseiten, -blogs und Journalisten Empörung. Nun habe ich auch zum Start diese reißerische Überschrift gewählt, wie auch viele andere, aber ich möchte mich nicht direkt beschweren oder groß jammern, dass es doch nicht fair wäre – Nein, ich möchte diese Kolumne dazu nutzen, um Hintergründe zu erklären und vielleicht für uns Verständnis aufzubauen, warum am Releaseday nicht immer eine Review verfügbar ist. Aber auch für Publisher und Entwickler Solidarität zeigen, dass nicht alles Schwarz und Weiß ist und die Entscheidung von Bethesda diese nun nicht zum absoluten „Bösen“ macht.

Clickbait-News und Pressemuster

screenshot-doom-02Reviews sind unser tägliches Brot. Viele News- oder Magazinseiten werden durch Werbung, Sponsorengelder und Amazon Reflinks nicht reich.- Auch wir nicht – Wir müssen Server bezahlen, Werbemittel (Sticker, T-Shirts), müssen (und wollen) zu Events fahren oder auch mal in die Tasche greifen, wenn es darum geht, irgendwas an der Seite zu machen. Um Sponsorengelder und Werbung zu bekommen, braucht man Clicks (Der Wert der ermittelt wird, wenn ein Leser den Test anklickt). Um Clicks zu generieren, gibt es viele Möglichkeiten. Eine Möglichkeit sind reißerische News und Artikel, wie zum Beispiel das in der Woche vor dem Monatsende die neuen Gratisgames für PS+ und Games with Gold enthüllt werden. Diese News beinhalten aber keine wirkliche Information, schließlich ist es allseits bekannt, dass in der letzten Woche eines Monats die Titel für den folgenden Monat bekannt gegeben werden. Diese Form wird auch „Click Bait“ genannt.

Eine andere Möglichkeit ist es immer der Erste zu sein. Der Erste, der die Games with Gold verkündet, der Erste, der eine Review veröffentlicht oder auch der Erste, der auf ein neues Feature aufmerksam macht. Bei allen Dingen ist man grundsätzlich auf den Publisher oder Entwickler angewiesen. Wenn dieser nicht frühzeitig mitteilt, dass dieses Spiel gratis sein wird, dann erfährt man es auch erst, wenn es veröffentlicht wird oder wenn eine dritte Person dies leaked.

Bei Reviews sieht es ähnlich aus. Entweder kauft man sich die Muster selber, dies haben wir in der Vergangenheit schon häufiger gemacht, oder man bekommt von dem Partner ein Muster. Um hier der Erste zu sein, muss das Muster natürlich frühzeitig bei den Redaktionen und den Testern eingehen. Innerhalb unseres Teams haben wir einen Zeitraum von 14 Tagen festgelegt, in denen der Reviewer den Test schreiben soll. Innerhalb dieser Zeit soll er das Spiel auf Herz und Nieren testen, zum einen im Rahmen der Singleplayerkampagne zum anderen aber auch im Multiplayer.

Wenn nun der Publisher das Spiel aber erst 2 Tage vor Release uns und auch anderen Seiten zur Verfügung stellt, dann kann in der Regel kein umfassender Test erbracht werden, da das Spielen des Games nicht nur sehr zeitaufwändig ist, sondern auch das Schreiben des Artikels.

Aber Bethesda sind hier nicht primär die „Bösen“, auch wenn manche Seiten, Autoren und Blogs es vielleicht so darstellen. Es gibt sehr häufig die Situation, dass wir aber auch andere nicht vor dem Release bemustert werden. Einige Publisher laden, um trotzdem im Vorfeld oder zum Release eine ausführliche Berichterstattung zu haben, ausgewählte Pressemitglieder zu Presse-, Preview- und Reviewevents ein. Hier können diese Pressevertreter an einen bis zwei, vielleicht auch mal drei Tagen intensiv das Spiel testen und auch Notizen, Videos und Screenshots dazu erstellen. Dies ist aber keine wirklich umfassende Testumgebung, wenn man mich fragt. Es stehen Supporter, Entwickler oder Marketingmanager zur Verfügung, die Fragen beantworten oder helfen, wenn man mal stecken bleibt. Auch ist das nicht das heimische oder redaktionelle System und man kann hier erwarten, dass die Techniker wirklich alles perfekt abgestimmt haben. Daher sollte man solche Tests, die leider nicht immer so gekennzeichnet werden, sehr kritisch betrachten.

Aber warum machen Bethesda und andere Spielehersteller sowas?

screenshot-halo-5-18.jpgWarum erlauben die sich den kritischen Redaktionen erst zum Release Muster zu versenden? Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen dürfte es an dem wirtschaftlichen Druck liegen, der heute noch viel größer sein dürfte als vor einigen Jahren. Das Internet 2.0 wird als Mitmach-Internet bezeichnet und erlaubt es jedem Rezensionen und Kritiken beispielsweise in den hauseigenen Shops der Plattformen Steam, Xbox, Playstation, auf Amazon oder in sozialen Medien wie Facebook zu veröffentlichen. Auch die eigene Homepage und der eigene Blog ist heutzutage mit wenigen Handgriffen eingerichtet und lädt dazu ein, ein Spiel zu bewerten. Deswegen wird häufig noch bis zur letzten Minute an den Spielen entwickelt, selbst noch nachdem die Grunddisc an das Presswerk geschickt wurde. Dies führt zu Day-One-Patches. Diese Patches können, wie die Zeit gezeigt hat, sehr groß und essentiell für das Spiel sein. So wurde 2015 bei Halo 5 der komplette Multiplayer erst durch so einen Day-One-Patch eingeführt.

Diese Day-One-Patches führen aber auch zu dem Problem, dass man einem Redakteur nicht mehr ein vollständiges Spiel übersenden kann – Weil der Day-One-Patch gegebenenfalls fehlt oder auch ein bis zwei Wochen vor Release noch gar nicht verfügbar ist. Die Redaktionen könnten zwar einen Teil testen, wie zum Beispiel den Singleplayer, aber kein abschließendes Urteil fällen. Dies ist oft auch für den Tester gar nicht ersichtlich, denn der Publisher verweist vielleicht darauf, dass noch ein Patch folgen soll. Um aber am Releaseday die Review online zu haben, muss man entsprechend vor dem Release diese Review auch schreiben und den Test abschließen.

Und wieso bekommen Streamer und Youtuber trotzdem ein Muster?

photo-halo-world-championship-koeln-05Pauschal kann ich nicht sagen, dass Streamer und Youtuber ein weniger kritisches Publikum sind im Gegensatz zu Journalisten oder Blogger, aber man kann sich hier mit diesen oftmals besser verständigen. Youtuber oder Streamer wollen nicht zwingend ein Spiel kritisch hinterfragen, sondern den Zuschauer unterhalten. Im Rahmen dieser „Unterhaltungssendung“ kann der Publisher schon mit dem Entertainer absprechen, was dieser zeigen darf und soll.

Ein Publisher oder Entwickler hat grundsätzlich einem Journalisten oder einem Blogger, egal ob nun im Schrift- oder im Videojournalismus nichts vorzuschreiben. Dies wäre auch ein Eingriff in die Pressefreiheit.

Kaufempfehlung oder Videounterhaltung

Worauf man seine Kaufentscheidung stützt, muss jeder Spieler und Käufer selber entscheiden. Ihr müsst entscheiden, ob eine Unterhaltungsshow, egal ob im Fernsehen, auf Youtube oder Twitch, ausreichend Informationen bietet, um ein Produkt zu kaufen oder nicht. Oder ob Ihr lieber einen tiefgehenden und vielleicht auch kritischen Artikel zu einem Spiel lesen wollt.

Ihr entscheidet welche Bedeutung ein Reviewartikel für uns und den Publisher hat, in dem Ihr Spiele ohne die Reviews vorbestellt und kauft oder erst Wertungen abwartet und erst nach den Veröffentlichungen zum Spiel greift.

Letzten Endes ist diese Situation nicht neu und ich selber kann auch mit einem lachenden sowie einem weinenden Auge darauf schauen. Wir werden auch weiterhin Reviews für Euch schreiben und uns die Spiele kritisch anschauen. Sollte ein Spiel erst zum Release bei uns eintrudeln, weil wir es selber kaufen mussten oder der Publisher es uns erst dann zur Verfügung gestellt hat, dann wird die Review nicht zum Release veröffentlicht, sondern erst in der Woche danach oder sogar noch später. Wir möchten die Spiele kritisch begutachten und Euch eine entsprechende Berichterstattung bieten.