Kena: Bridge of Spirits – Wir brauchen mehr Mid Budget Spiele

Es ist nicht so, dass ich eine Abneigung gegen Big Budget Produktionen hätte. Im Gegenteil, ich hab dieses Jahr unter anderem ein paar PS4 Highlights nachgeholt, wie Horizon: Zero Dawn. Wirklich tolles Spiel. Aber Kena zeigt mir, wieder mal, warum ich Titel aus dem mittleren Bereich mittlerweile so gerne mag. Dabei ist der Titel keineswegs perfekt. Hätte es zeitlich für einen Test gereicht, dann wäre Kena bei mir vermutlich im unteren bis mittleren 80er Bereich gelandet. Außerdem ist es ungefähr so innovativ wie Käsekuchen von Oma. Aber das macht nix.

Byebye, Ubiworld

Tja, tut mir leid, aber die Franzosen müssen jetzt gerade mal kurz als die Bösen herhalten. Warum? Mittlerweile scheinen die meisten Ubisoft Titel auf einem klaren Bauplan zu basieren, der für Singleplayer ebenso herhalten darf wie für MMO. Dazu kombiniere man eine Open World mit reichlich Beschäftigungstherapieaufgaben, genug Aufbauelementen und GaaS wie Weekly und Monthly Quests, Cosmetics und sonstigen (Micro)-DLCs zu einem Gesamtpaket, das Spieler möglichst lange am Ball hält. Das ganze dann bitteschön massentauglich verpackt. Generell ist das auch gar nicht schlimm, zumindest nicht per se. Aber bei den Big Budget Titeln bleibt die Eigenständigkeit doch oft auf der Strecke. Triple A muss mittlerweile einfach verkaufsoptimiert sein, die manchmal schon dreistelligen Millionenbudgets müssen halt wieder reinkommen. An der Stelle sei übrigens noch die ironische Tatsache angemerkt, dass Horizon eigentlich das beste Ubiworld Spiel überhaupt war, nur ist es dummerweise nicht von Ubisoft.

Die ‘Mittelspiele’ haben das praktischerweise nicht im gleichen Maß nötig. Kingdom Come: Deliverance schaffte es mit seinem mehr oder weniger realitätsnahen Mittelalter und ohne dramatische Weltenrettung zum Beispiel locker in die Gewinnzone. Bis letztes Jahr waren 3 Millionen Einheiten verkauft worden, und das nicht mal so wahnsinnig schnell. Für ein Triple A Franchise wären wir hier wohl bei Weltuntergangsszenarien, im mittleren Segment, nennen wir es mal A bis AA-Budget Welt, reicht das. Und dabei bietet das Mid Budget einfach mehr Entfaltungsfreiheit.

Das etwas andere Spielerlebnis

Zurück zu Kena. Innovativ ist das wie gesagt nicht. Stattdessen gibt es ein relativ lineares Action Adventure, auch keine richtige Open World sondern semioffene Areale, wie es sie schon zu Zeiten eines Jak & Daxter gab. Tatsächlich erinnert die Spielstruktur auch an selige PS2 und Gamecube Zeiten. Das Kampfsystem nimmt durchaus auch Anleihen an Dark Souls oder Zelda. Apropos Zelda, die eine oder andere Aufgabe, um die kleinen Rott freizuschalten, erinnert doch ein klein wenig an die Krog-Aufgaben in Breath of the Wild. Oder an andere Zeldas. Übrigens ist Kena auch auf normal schon ganz schön knackig. Selbst der Story Mode ist hier kein Selbstläufer. Auch wenn er das Leben drastisch einfacher macht. Nein, spielerisch ist Kena nicht innovativ. Auch nicht, wenn wir die Rott nutzen, um etwa eine Art Schalter zu benutzen oder die Fäulnis von Dingen zu entfernen. Aber spielerisch ist   es immer grundsolide bis wirklich gut. Und vor allem macht es in Punkto Gameplay etwas, vor dem sich Triple A Titel immer öfter scheuen.

Genauso interessant sind aber Welt, Design und Handlung. Von ersterem kann man sich eigentlich genug ansehen, mit dem gelungenen Figurendesign, sympathischer Heldin und niedlichen Rott kann Kena jedenfalls rundum punkten. Auf eine Story wie in Kena käme man aber ziemlich sicher für kein Triple A Spiel. Den Geistern von Verstorbenen wieder ihr Ruhe zu bringen ist eh schon nicht die typischste Spieleaufgabe. Das ist es noch weit weniger, wenn man sich etwa mit den Geistern von Kindern regelrecht anfreundet. Dabei ist die Erzählweise hier eher undramatisch und gemächlich. Nur noch kurz die Welt retten tut man woanders. Das muss übrigens nicht gefallen, ich finde es aber immer wieder ganz angenehm, wenn ein Spiel hier seinen eigenen Weg geht.

Natürlich wären da dann auch noch die stark indonesisch geprägte Musik und das grafische Design der Spielwelt, das klare Anleihen an Südostasien nimmt. Alles zusammen macht Kena: Bridge of Spirits letztlich wieder zu einem sehr eigenen Spielerlebnis. Praktischerweise muss es denn auch gar nicht so massenkompatibel sein wie ein Big Budget Titel.

Mehr anderes, bitte

Mid Budget Games reicht es vielleicht, wenn die Nische groß genug ist. Anders al bei kleineren Indie Produktionen gibt es hier schon gehobene Produktionswerte und oft auch mehr Spieldauer. Aber auch mehr Eigenständigkeit als bei den ganz großen und entsprechend massnkompatiblen Titeln. Dabei muss es nun kein Indie Studio sein, das solche Spiele angeht. Man kann wohl auch beide Ori Teile oder Metroid Dread in dem Bereich verorten. Das interessanteste dabei ist sicher die Vielschichtigkeit. Vom Metroidvania über das nicht so bombastische Rollenspiel oder Action Adventure bis hin zur Mech-Action oder der Offroad-Truck-Simulation ist einfach alles drin. Daran könnte sich übrigens auch Ubisoft ein Beispiel nehmen, der eine oder andere passende Held würde sogar noch im Backlog schlummern, falls man sich nix neues traut.