Jahresrückblick 2020: Michaels Tops und Flops

Ach ja, 2020. Das Jahr, das wir vermutlich alle gerne neu installiert hätten. Oder einfach gelöscht. Oder eine ziemlich lange Liste an Patches und Updates dafür, oder… Aber man kann nun mal nicht alles haben. Immerhin ist es nicht nur bald vorbei, dank Lockdown haben die meisten von uns wahrscheinlich eh nicht viel besseres zu tun, als sich mit Videospielen zu beschäftigen. Immerhin, bald werden bekannte Pharma-Unternehmen wie die Umbrella Corp… äh, Pfizer und Biontech bald ihren Impfstoff ausliefern und ziemlich sicher werden sich nicht alle in Zombies verwandeln. Wird also nix mit dem Real Life Resident Evil. Dafür kommt mit Village aber immerhin der achte Hauptteil. Überhaupt, eigentlich kann es ja nur besser werden, oder?

Top 1: Ori and the Will of the Wisps

Tatsächlich kam Ori noch vor dem Lockdown. Zumindest für die meisten. Gefühlt ist das ja fast schon sowas wie ein anderes Leben. Aber zurück zu Ori. Das sieht nicht nur fantastisch aus, es ist in meinen Augen sogar das schönste 2D Spiel bisher. Außerdem hat es einen fantastischen Soundtrack, wie der Vorgänger übrigens auch, eine gelungene Spielwelt, das fairere Balancing und eine gelungene Geschichte. Auch wenn ich mit dem Ende nicht ganz einverstanden bin. Da müssen wir noch mal drüber reden, Moon Studios. Es braucht nicht zwingend das megakrasse Gigabudget für ein Open World Action Adventure mit ach so erwachsener Handlung, um eine gute Geschichte erzählen. Und auch nicht, um ein gutes Spiel zu sein. Nicht dass ich was gegen Triple A hätte, im Gegenteil. Aber ich finde, wir brauchen mehr Oris. Spiele, die zwar von vorne bis hinten überzeugen und hohe Produktionsstandards haben, aber gleichzeitig den Entwicklern Freiheiten an die Hand geben, etwas zu machen, das sich nicht unbedingt zehn Millionen Mal verkaufen muss. Und auch, wenn man sich bei Ori am Ende sehr gut darüber streiten kann, ob nun Teil 1 oder 2 besser war, das Spielerlebnis war einfach großartig.

Top 2: Zeit für Altlasten

Das klingt vielleicht nach einem komischen Jahreshighlight, aber für mich war es ein echter Pluspunkt, mich mal so manchem ungespielten Titel zuwenden zu können. Angefangen bei Minecraft, in das ich jetzt doch mal reichlich Zeit mit dem Nachwuchs investiert habe über aktuellere Spiele wie das überraschend gute Star Wars Jedi: Fallen Order bis zu diversen PlayStation 3 Spielen. Damals hatte ich tatsächlich gar nicht so viel Zeit für Videospiele, schon alleine deswegen musste die Xbox 360 einfach reichen. Ich war aber unter anderem immer scharf auf die Uncharted Trilogie und wollte auch nach der PS2 wissen, wie es eigentlich im Killzone Universum weiterging. Letzteres lässt sich schnell abhaken, begeistern konnte mich 2020 keiner der beiden PS3 Teile. Gerade beim Gameplay musste die Reihe in den letzten Jahren zu viele Federn lassen. Dafür kann Uncharted zum Beispiel immer noch punkten. Das fängt bei der Popcorn-Kino Inszenierung an. Heutzutage muss man vergleichbares mit der Lupe suchen, die neue Tomb Raider Trilogie beispielsweise kam nicht einfach viel zu ernst sondern gleich restlos humorbefreit daher und wollte damit so tun, als sei sie besonders erwachsen.

Uncharted verzichtet nicht auf Humor und schafft es trotzfrem oder gerade auch deswegen, seine Figuren über die Zeit besser zu entwickeln. Die Inszenierung kann sich, gerade bei Teil 2, trotz der alten, technischen Basis noch absolut sehen lassen, was am wirklich guten, grafischen Design liegt und auch wenn spielerisch längst nicht alles glänzen kann (das Gunplay ist doch ein gutes Stück von einem Gears entfernt) stimmt der Mix einfach. Um mal bei Naughty Dog und Guerilla Games zu bleiben, die nächste Zeit stehen unter anderem noch Uncharted 4 und Horizon: Zero Dawn an. Von vielen älteren Titeln könnten aktuelle Produktionen aber doch so einiges lernen.

Top 3: Neue Hardware

Mal ehrlich, es war an der Zeit. Xbox One und PlayStation 4 sind mittlerweile sieben Jahre alt. Und gerade die Basismodelle waren schon zum Release keine technischen Überflieger. Obendrein mussten sich selbst die Mid Gen Upgrades in Form von Pro und X mit der lahmen Jaguar CPU rumschlagen oder mit immer noch ziemlich lahmen Festplatten. Als Besitzer eines Basismodells merkte man mittlerweile auch, dass die Power bei vielen Spielen einfach nicht mehr reichte. Meine olle Fatbox One hatte an Grid, Control oder Project CARS 3 hart zu knabbern und vor den ersten Updates hat selbst Ori and the Will of the Wisps ihr ganz schön zu schaffen gemacht. Um so mehr hat es mich gefreut, dass nun endlich richtige Nachfolger vor der Tür standen. Und das auch noch voll kompatibel zu den alten Konsolen, mit Verbesserungen für alte Spiele, massig Prozessorpower, schnellen SSD’s, die Ladezeiten jetzt schon ganz massiv verkürzen und auch die Bootzeiten massiv reduzieren, coolen Features wie Quick Resume und vielem mehr. Und das alles auch noch zu erschwinglichen Preisen. Maximal 499,-€ sind angesichts der Hardware absolut fair. Falls man auf ein Laufwerk verzichten kann ist volle Next Gen Power für 399,-€ schon fast absurd günstig. Wer kein 4K braucht oder ein Fan des GamePass ist, der kann sogar schon für 299,-€ UVP und teilweise weniger zur Series S greifen. Eine PS4 Slim kostet auch nicht weniger.

Dabei liegen einige der grundlegendsten Verbesserungen im Bereich Komfort. ‘Richtige’ Next Gen Spiele hab ich bisher ironischerweise kaum gespielt und doch könnte ich mir kein Zurück mehr vorstellen. Selbst Ladezeiten von Last Gen Spielen sind, von externer Festplatte wohlgemerkt, oft deutlich kürzer als bisher. Bootzeiten oder Quick Resume, wenn es unterstützt wird, kommen mir viel mehr entgegen als ich gedacht hätte. Und obendrein profitieren auch alte Spiele ohne Updates oft deutlich von der größeren Power. Dabei wird es in der nächsten Zeit eigentlich erst noch richtig spannend.

Flop 1: Bugs und Delays ohne Ende

Delays sind immer ein Thema für sich. Im Normalfall sehe ich sie aber als eine Art notwendiges Übel. Das Produkt braucht halt einfach noch Zeit, um besser zu werden. Was dieses Jahr allerdings übel war und immer noch ist, die Summe an Verschiebungen. Halo Infinite? Kommt wohl erst nächsten Herbst. Cyberpunk 2077? Ist nach diversen Verschiebungen nun zwar draußen, auf Konsolen aber aktuell noch weit von einem fertigen Produkt entfernt. Nintendo hat praktischerweise keine Verschiebungen. Man erfährt ja eh immer auf den letzten Drücker, was demnächst rauskommt. Immerhin hat man bei Sony das Kunststück geschafft, eine ordentliche Ladung an Exclusives pünktlich zum Release fertig zu haben. Trotz aller Widrigkeiten.

Auch andere Spiele waren mehr oder weniger fertig. Das neue Call of Duty Bug Ops Cold War zum Beispiel. Angeblich sollte das mal Black Ops heißen, aber zum Release hörte man vor allem von Unmengen an Bugs. Auch Assassin’s Creed Valhalla scheint mal mehr, mal weniger von Bugs und Glitches betroffen zu sein. Den Vogel schießt aber leider CD Project RED ab. Gerade auf Konsolen. Spielt man nicht gerade auf Xbox Series oder PlayStation 5, dann ist das Spiel schlicht und ergreifend eine technische Katastrophe. Dabei läuft es auf den neuen Konsolen auch nur im abwärtskompatiblen Modus. Das sind allerdings längst nicht die einzigen Mängel aktuell. Da helfen herausragendes Questdesign und tolle Story auch nicht. Cyberpunk wäre wohl besser erst nächstes Jahr gekommen.

Dabei muss man aber auch sagen, mit Home Office Chaos und Co. hatten es auch Entwickler und gerade die internationalen Projekte in diesem Jahr schwer. Die Auswirkungen werden wir wahrscheinlich auch noch einige Zeit lang merken. Entwicklerstudios, gerade die unabhängigen, stehen dabei natürlich besonders unter Druck. Explodierende Kosten einerseits, Finanzierungsprobleme andererseits und hunderte Jobs, die an entsprechenden Projekten hängen können. Dazu natürlich das ganze, persönliche Chaos, mit dem wir uns 2020 alle rumschlagen mussten.

Flop 2: Abgesagt

E³, Gamescom, Paris Games Week, die Liste an abgesagten Messen war dieses Jahr ziemlich lang. Dafür war der Ersatz ausgesprochen unbefriedigend. Der Summer of Games war, kurz und knapp gesagt, so gar kein Ersatz für die E³, verglichen mit dem jährlichen Messeoverkill fehlte es ohne zentrales Element an nahezu allem und es gab auch nur einen Bruchteil der gewohnten Infos. Kleines Highlight war hier allerdings Devolver Digital.

Für die Gamescom in ihrer digitalen Form hatte ich schlicht und ergreifend keine Zeit, nachdem Corona mir mein Jahr mehr als genug durcheinander gewirbelt hatte. Schade, weil die digitalen Events zwar kein echter Messeersatz waren, aber man zumindest wieder ein paar Möglichkeiten hatte, mit Entwicklern über ihre Projekte zu kommunizieren und dergleichen.

Bei allem Messestress, der Menge an Infos, die man normalerweise irgendwie unterbringen muss und dem manchmal antiquierten Erscheinungsbild, das gerade die E³ mit sich trägt, ich hoffe, dass es 2021 wieder richtig los geht. Ob es jetzt die Indie Games sind, über die man auf dem Indie Booth stolpert und die man sonst vielleicht völlig verpasst hätte, Gespräche mit Entwicklern, auf die man spontan trifft oder Unterhaltungen, die sich bei Presseterminen einfach ergeben. Und ja, natürlich ist da auch immer wieder Begeisterung im Spiel, wenn man beim einen oder anderen Spiel erstmalig Hand anlegen kann oder neue Hardware das erste Mal in den Fingern hat.

Flop 3: Ausverkauft

Als Series X Käufer der ersten Stunde hatte ich Glück. Ich konnte die kleine Kiste einfach im lokalen Media Markt vorbestellen, nachdem es online nicht geklappt hatte, und pünktlich zum Release abholen. Für viele andere sah es dieses Jahr aber ganz anders aus. Und das ging bereits im Frühjahr los. Nintendo Switch? Wochenlang ausverkauft. Bestenfalls die Lite Version war noch gut verfügbar, für die ‘richtige’ Switch wurden teils horrende Preise aufgerufen. Dem einen oder anderen schwante da schon böses für den Herbst und die Erscheinungstermine der neuen Konsolen. Vermutlich längst nicht jeder dürfte damit gerechnet haben, dass es auch PC-Hardware dermaßen hart treffen würde. Aktuell kostet eine GeForce RTX 3070 zum Beispiel schnell mal 700,-€ aufwärts, falls man denn eine bekommt. Sogar Einsteigerkarten sind kaum verfügbar und entsprechend teuer oder komplett vergriffen. Und ja, selbst CPU’s sind teils deutlich teurer als vor wenigen Monaten noch.

Xboxen sind immerhin immer wieder lieferbar und können bei den meisten Händlern immer bestellt werden. Und auch die Switch ist durch die Bank lieferbar, allerdings praktisch nirgends unterhalb der UVP. Wer Nintendos Hybridkonsole kaufen will, bezahlt nicht selten mehr als vor zwei Jahren. Richtig übel ist die aktuelle Lage dagegen nach wie vor für PlayStation Fans. Wer auf die neue Generation wechseln will, der hat zumindest zum regulären Preis aktuell fast keine Chance. Nach wie vor passiert es sogar regelmäßig, dass Vorbestellungen gecancelt werden. Stattdessen beherrschen Scalper den Markt. 700-800,-€ muss man vor Weihnachten schon fest einplanen, wenn man die Chance auf die Next Gen Konsole in den modischen Farben imperialer Sturmtruppen haben will.