Über Jahre hinweg hat der Stellenwert der musikalischen Begleitung in Videospielen mehr und mehr Bedeutung gewonnen. Doch in einer Gegenwart, in der Games immer noch um ihre gesellschaftliche Akzeptanz kämpfen müssen, hat es Musik in Games bisweilen noch viel schwerer, Aufmerksamkeit zu erregen. Längst haben sich aus alten 8-Bit Soundkulissen auf Arcades ausgefeilte Kompositionen entwickelt, bei denen auch ganze Orchester engagiert werden, um ein Spiel musikalisch zu untermalen. Bedeutende Pionierarbeit für den Stellenwert der Musik in Videospielen hat beispielsweise die Konzertreihe Video Games Live um Begründer Tommy Tallarico geleistet, der seit 2002 mit seiner musikalischen Mannschaft um die Welt reist, um neue wie alte Games-Musik-Hits einem Publikum nahe zu bringen. Tallarico betont bei seinen Auftritten stets, dass es Blizzard Entertainment war, die ihm damals eine Plattform für sein Schaffenswerk gegeben haben. Letztere sind es auch, die mit ihren Spielen wie Diablo, Starcraft oder World of Warcraft musikalisch stets neue und erfolgreiche Soundtracks kreiert haben, welche bei Fans auf den Playlisten rauf und runter laufen.
Stars und Wissenschaftler
Weitere Bekanntheit erreicht Games-Musik durch berühmte Komponisten. So hat Jeremy Soule sich durch viele Soundtracks einen Namen gemacht. Insbesondere die Elder Scrolls-Spiele ab Morrowind dient vielen Gamern und auch Nicht-Gamern als perfekte Hintergrundmusik, um beispielsweise zu arbeiten. 2006 hat Soule mit The Elder Scroll’s IV: Oblivion gar einen MTV Video Music Award gewonnen, was vielen Menschen mehr und mehr deutlich werden lässt, dass Musik in Videospielen mehr ist, als simple Beeps, die wahllos aneinander gereiht scheinen. Einen weiteren Schwung an Aufmerksamkeit erreicht die Games-Musik-Szene durch berühmte Filmmusik-Komponisten, die mit dem Games-Medium fremd gegangen sind. Allein wenn der Name Hans Zimmer auf dem Score von Titeln wie Call of Duty: Modern Warefare 2 oder Crysis 2 auftaucht sorgt das für ungeahnte Reichweite. Und auch die Wissenschaft der Game Studies hat Spiele-Musik für sich entdeckt. Unter Ludomusicology erforschen Wissenschaftler, wie Musik das Medium Games beeinflusst und umgekehrt.
Aller Anfang ist ein Rechte-Dschungel
Bei all der Entwicklung ist es schön zu sehen, dass es mehr und mehr Akteure gibt, die sich der Games-Musik annehmen und auch experimentell neue Wege gehen. Unter Black Screen Records hat Kevin Schulz 2015 eine wunderbare Start-Up-Idee verwirklicht, die so einfach wie genial erscheint: Was wäre, wenn man Game-Soundtracks auf Vinyl-Schallplatten pressen würde? Wäre es nicht großartig, den Sound von Spiele-Klassikern und neuen Games mit unverwechselbaren Klang von Schallplatten genießen zu können. Die Idee war geboren und das verbunden mit einem ganz bestimmten Spiel, für das Kevin bis heute brennt und dessen Soundtrack er unbedingt auf Platte haben wollte: Earthworm Jim. “Es ist mein Lieblingsspiel”, sagt er. “Genau das wollte ich auf Platte bringen.”
Die Euphorie war da, nun sollte es an die Umsetzung gehen. Und wie immer kam erst einmal alles anders. Mit Earthworm Jim sollte es zunächst einmal leider nichts werden, dafür war Kevin zu frisch am Markt. Also galt es, sich und seine Idee publik zu machen. 2015 war er auf der gamescom in Köln, um schlicht “Hallo!” in die Welt zu rufen und Developer anzufragen, ob und wie sie mit ihm kooperieren wollen. Die ersten, die auf ihn aufmerksam wurden und ihm auch mit Connections Starthilfe gaben waren Oddworld Inhabitants. Ihr Game Oddworld: New ‘n’ Tasty sollte das erste werden, dass seinen Weg auf eine Schallplatte findet. Also Champagner raus und Siegesfeier? Nein, so einfach war es hier dann auch nicht. Trotz aller Zustimmung seitens des Teams war es alles andere als einfach, herauszufinden, wo und bei wem und bei wie vielen nun die Rechte liegen und wie sich das Ganze bei Publisher, Entwickler und Musik-Komponenten verhält. Schlussendlich konnte sich Kevin durch das Medienrecht-Gewusel schlagen und seine erste Platte mit Oddworld:New ‘n’ Tasty hinausbringen. Das Medienecho war gewaltig, auch in den USA, Großbritannien und weltweit. Alle Fans von Oddworld wollten die Scheibe haben. Kevin hätte sich keinen besseren Einstieg wünschen können.
Alles limitierte Sammlerstücke
Mittlerweile sind 20 Platten in seinen Shop erhältlich und weitere in Planung. Eine Besonderheit bei Black Screen Records: Die erste Auflage sind limitierte Unikate, deren Auflagen sehr minimiert sind. Schnell zugreifen lohnt sich also. Eine Schallplatte von seinem Lieblingsspiel sein Eigen zu nennen ist nicht nur eine Besonderheit an sich, wegen der Musik oder dem Sammlerstatus, sondern kann auch in unsehbarer Zeit an Wert gewinnen. Aktuell baut Kevin das Sortiment weiter aus und hat einige dicke Fische an der Angel. Denn um die Geschichte des kleinen Games-Schallplatten-Start-Ups zu Ende führen: Nachdem es zunächst nicht geklappt hat, ist Kevins Traum wahr geworden: Earthworm findet seinen Weg auf Vinyl! Es hat mit Earthworm Jim geklappt. Die Platte “Earthworm Jim Anthology” steht aktuell im Vorverkauf und wird eifrig bestellt. Um das Happy End noch schöner zu machen. Den Soundtrack von Earthworm Jim hat Tommy Tallarico komponiert, den anfangs erwähnten Schöpfer von Video Games Live. Der kreist schließt sich also und die (noch kleine) Welt der Games Musik. Man darf gespannt sein, wie sich Musik in Games weiter entwickelt. Black Screen Records hat mit seinen Vinyl-Schallplatten eine schöne weitere Facette erschaffen.