Gamescom 2018: PlayStation VR – Schießbuden mit Rundumsicht

Auf der Kölner Gamescom möchte in diesem Jahr auch Sony hunderttausende Besucher davon überzeugen, dass der Weg zur “Virtual Reality” auf keinen Fall am VR-System der PS4 vorbeiführt. Nachdem die Technik ja bereits einige Zeit verfügbar ist, wagen nun mehrere Hersteller den Schritt, die VR-Technologie mit AAA-Titeln zu kombinieren. Ob Sony bei dieser Entwicklung auf einem guten Weg ist, durften wir vor Ort für Euch antesten.

Firewall Zero Hour

Firewall Zero Hour ist laut Sony ein “teambasierter 4-gegen-4-VR-First-Person-Shooter, bei dem Spieler Teamarbeit, Strategie und ihre Ausrüstung einsetzen müssen, um einen Behälter mit sensiblen Daten entweder zu klauen oder zu schützen.” Dafür werden zwei Teams von Söldnern von jeweils anonymen Auftraggebern angeheuert. Die Daten (also das Ziel der Begierde) sind in einem Laptop an exotischen Orten auf der ganzen Welt gespeichert. Grundsätzlich haben wir hier also das klassische Counterstrike-Szenario, nur ohne Geiseln.

In der Praxis sieht das so aus: Jeder Spieler steht und benötigt ein wenig Platz um sich herum. In der Hand hält er eine Plastikknarre mit Abzug, zwei Analogsticks sowie den üblichen Feuerknöpfen. Das Handling dieser Wumme geht in Ordnung. Also: Brille auf die Nase und ab ins Spiel.

Die auf der Gamescom gezeigte Demo erzeugt eine gelungene Immersion. Die Verblüffung ist gerade in den ersten Minuten groß, wenn man nach Anpfiff beispielsweise auf seine Hände herunterschaut und dort nicht das erwartete weiße Plastikgewehr sieht, sondern die vollautomatische Wumme in Spielgrafik. Nach diesem Überraschungseffekt braucht es dann noch ein wenig, bis man sich an die Art und Weise der Steuerung und Charakterbewegung gewöhnt hat. Dann ist das Geballer auf den kleinen Maps aber durchaus unterhaltsam. Die VR-Technik ermöglicht Moves, die mit einem klassischen Gamepad nur schwer durchführbar wären. So ist es zum Beispiel möglich, an der Kante einer Wand in Deckung zu gehen, gleichzeitig aber den Arm auszustrecken und einfach blind um die Ecke zu ballern.

Da man sich im Spiel selbst öfters mal drehen muss, benötigt man zum Spielen in der realen Welt schon ein bisschen Platz. Sony hatte auf seinem Messestand kleine Kabinen von etwa neun Quadratmetern abgesteckt, durch das ganze Seitwärtslaufen und -drehen kann man da schon mal unbewusst vor die Wohnzimmerwand laufen, wenn die Kabel der VR-Technik lang genug sind. Abgesehen davon hat Firewall Zero Hour durchaus Potenzial zum ernstzunehmenden Multiplayer-Titel, wenngleich die erforderliche Technik natürlich noch lange nicht jeder daheim herumstehen hat.

Blood And Truth

Neben einem eher simplen Jump’n’Run weckte dann noch ein Spiel mit äußerst markigem Namen unsere Aufmerksamkeit. In Blood And Truth sollen wir uns in Londoner Hinterhöfen mit der kompletten Unterwelt anlegen und diese am besten gleich ganz ausradieren. Der First-Person-Shooter verwirrt zunächst mit einer etwas umständlichen Bedienung. Blood And Truth wird im Sitzen mit zwei einfachen Move-Controllern gespielt, und wenn das Tutorial sagt “zieh die Waffe aus dem Holster an deiner Hüfte”, muss man tatsächlich den Kopf drehen und senken, um mit gedrücktem Trigger die Waffe rauszuziehen. Ist das Magazin leer geschossen, schaut man sich auf die Gamer-Wampe, weil da die ganzen Munitionspakete angebracht sind.

Nun ja, hat man sich einmal an diese Besonderheiten gewöhnt, legt der Titel auch schon los: “Von dem Moment an, in dem du in das Headset schlüpfst, wirst du zu Ryan Marks, einem Elite-Soldaten der Special Forces, der seine Familie vor einem rücksichtslosen Verbrecher zu retten versucht”, verspricht Sony. In der Praxis sieht das so aus: Wir bewegen uns auf Knopfdruck von Deckungspunkt zu Deckungspunkt, ballern alle Feinde ab und beobachten ein paar Explosionen. Das ist alles.

Nach ein bisschen Eingewöhnung klappt das Nachladen mit den Move-Controllern ziemlich zügig. Auch ist es wie in Firewall Zero Hour möglich, um die Ecke zu gucken oder zu schießen. Doch insgesamt wird man das Gefühl nicht los, dass das hier keine größere Verbesserung zur klassischen Schießbude auf der Kirmes ist – ein Fadenkreuzshooter wie Virtua Cop. oder Timesplitters oder die Moorhuhnjagd oder Operation Wolf, also alter Wein in neuen Schläuchen. Das zwanzigminütige Testlevel hat leider auch nicht mehr gezeigt – Raffinessen im Gameplay Fehlanzeige.

So ist momentan Blood And Truth leider nicht mehr als eine (wirklich hübsche) Technikdemo mit rudimentärem Gameplay geworden. Da hatte Firewall Zero Hour schon ein bisschen mehr zu bieten. Es sei denn, Sony bastelt so Uncharted-mäßig eine bombastisch-cineastisch inszenierte Story drumherum, die das doch arg limitierte Gameplay vergessen lässt. Doch davon ist momentan noch nicht auszugehen.

Das hier (links) ist übrigens Operation Wolf. Der entsprechende Spielautomat war 1987 mit einem aufgesteckten Plastik-MG ausgerüstet, mit dem man dann versucht hat, die bösen Buben vom Bildschirm zu ballern. Gab es also vor über 30 Jahren alles schon mal – nur ohne Brille, und nicht in HD.