This War of Mine: The Little Ones – Test über Moral und Überlebensinstinkt

Seit Ende Januar können auch Konsolen-Spieler einen heiß diskutierten und mit dem deutschen Award für das beste internationale Spiel und dem Award für die beste internationale neue Spielwelt ausgezeichneten Survivaltitel genießen. Die Rede ist von dem wenig farbenfrohen Spiel This War of Mine. Der Titel von 11 bit Studios, der bereits im November letzten Jahres auf den PC kam, bekommt auf den Konsolen aber noch den nicht zu vernachlässigenden Beinamen “The Little Ones”. Entgegen der PC-Version gibt es nun auch Kinder, die ums Überleben kämpfen, während This-War-of-Mine-The-little-ones-02die Stadt Pogoren belagert wird und die Zivilisten von jeglicher Versorgung abgeschnitten sind.  Sie lachen, weinen, spielen und sehen die Welt mit völlig anderen Augen. Optisch hat sich zum PC-Vorläufer nicht viel getan. Der Sidescroller bleibt seinem sehr intensiven, dunklen und tristen Design mit leichten Bleistiftschraffuren treu und spart an Farbe. Mit diesem Look trifft man aber genau die heutige Vorstellung von Krieg als Zivilist. Viele, die es nicht selbst miterlebt haben, denken doch häufig bei dem Thema eher an schwarz-weiß-Bilder, die man vielleicht noch aus dem Geschichtsunterricht oder Dokumentationen im Kopf hat. So trifft This War of Mine: The Little Ones auch wieder genau den Nerv der Zeit und gibt dem Spiel selbst bereits eine leicht einsaugende Atmosphäre durch diesen Stil.

This-War-of-Mine-The-little-ones-01Zu Beginn spielen wir eine kleine Gruppe von drei Leuten in einem verlassenen Haus, welches unsere neue Heimat wird. Von ihnen hat jeder seine eigene Fähigkeit, die uns im Laufe des Spiels von Nutzen ist. So ist Katia eine ehemalige Reporterin und was können Reporter wohl am Besten? Quatschen natürlich! So kitzelt sie die größten Deals beim Händler raus, wo doch um wirklich jedes Stück Fleisch oder Batzen Medizin gekämpft werden muss. Mit den gefundenen Materialen, die sie in den Trümmern, Schränken und verschlossenen Räumen finden, können wir uns für den Anfang ein Bett und einen Herd bauen. Am Herd kann Bruno dann seine Fähigkeiten als Koch unter Beweis stellen. Der ehemalige Star einer Kochsendung weiß seine Ressourcen sparend einzusetzen und benötigt weniger Wasser, um die wertvollen Mahlzeiten herzustellen. Nachdem alle etwas gegessen haben, endet der erste Tag auch schon und es wird Nacht. This War of Mine hat zwei Spielphasen die einen Tag bilden. Die Eine ist dabei der schon oben beschriebene Tagesablauf, bei dem die Leute sich um ihre Bedürfnisse wie Essen kümmern. Gleichzeitig ist es auch die Zeit, das Lager auszubauen und zu verstärken, um für die kommende Nacht gewappnet zu sein. Hier kann man immer einen auf Beutezug schicken, um neue Materialien, Nahrung oder Medizin zu finden, während die anderen entweder schlafen oder Wache stehen. Denn es kann auch sein, dass Banditen gewaltsam versuchen, euch in der Nacht auszurauben und wertvolle Gegenstände stehlen. Insgesamt muss man so 50 Tage überstehen, was eine ganz schön lange Durststrecke ist.

This-War-of-Mine-The-little-ones-05Wir lassen Bruno Wache schieben, während Katia sich vom anstrengenden Tag erholt und Pavle auf Beutezug geht. Komplett unbewaffnet suchen wir ein möglichst gefahrloses Ziel auf, um uns dort umzusehen und hoffen auf unser Glück, lebenswichtige Gegenstände zu finden. Wir finden ein verlassenes Haus, welches deutliche Schäden von einer Bombardierung davongetragen hat. Aber wir haben Glück und finden in dem unbewohnten Haus Lebensmittel sowie ein paar sehr nützliche Ressourcen. Als wir zurückkehren, erfahren wir, dass die Nacht ruhig war und es keine Vorkommnisse gab. Bruno kocht noch schnell etwas mit den gefundenen Nahrungsmitteln, während Pavle sich mit einer Konserve begnügt und ins Bett fällt. Katia baut mit den neuen Gegenständen eine Werkzeugbank, an der sie eine Schaufel und ein Brecheisen herstellt, um den Schutt wegzuräumen und die verschlossenen Räume und Schränke zu öffnen.

This-War-of-Mine-The-little-ones-09So verlaufen die ersten Tage in einer gewissen Routine. Katia steht tagsüber für die Händler bereit, die gelegentlich vorbeikommen. Bruno steht in der Nacht Wache und Pavle geht mit Brecheisen und Schaufel auf Beutezug, bis Pavle eines Morgens schwer verletzt wieder zurückkehrt. In einem Supermarkt ist er auf eine Gruppe Banditen gestoßen, die nicht sonderlich freundlich aufgelegt waren. So kommt es, das Pavle noch gerade so zurückkehren kann. Bandagen sind keine verfügbar und so muss Katia in der kommenden Nacht auf Beutezug, um Medizin und Verpflegung zu finden. Als sie am nächsten Tag zurückkehrt und alles hat, um Pavle zu versorgen, ist es leider schon zu spät. Pavle hat die Nacht nicht überlebt. Katia und Bruno sind traurig und machen sich Vorwürfe, dass sie nicht helfen konnten. Ihre Gedanken können immer per Sprechblasen verfolgt werden oder in ihrem Tagebuch nachgelesen werden. Es ist erdrückend, wie nah der Verlust der Gruppe geht. Generell versucht 11 bit Studio das Spiel ohne eine Vertonung der Protagonisten atmosphärisch zu gestalten und das haben sie hervorragend umgesetzt. Für Indie-Titel wie This War of Mine lohnen sich Synchronisationen meist nicht, denn diese sind entweder billig und schlecht oder teuer, was sich ein so kleiner Titel finanziell häufig aber nicht leisten kann. Das Entwicklerstudio geht hier bewusst den richtigen Weg, keine Synchro einzubauen und kann somit eine glaubhafte und dichte Atmosphäre schaffen. Das entschuldigt allerdings nicht den sehr eintönigen Soundtrack des Spiels. Klar soll es trist sein, aber mit ein wenig mehr darf man schon arbeiten.

This-War-of-Mine-The-little-ones-06Jeder Protagonist geht mit seiner Trauer anders um. Bruno hilft sich mit einer Flasche Alkohol selbst, während Katia sich in Arbeit stürzt. Dadurch, dass die Gruppe nur noch aus zwei Mitgliedern besteht, ist es schwieriger, neue Ressourcen zu sammeln und es mangelt schnell an vielen Ecken. Zu allem Übel kommt auch noch ein Vater mit seinem Kind und ersucht um Schutz. Wir können uns nicht dazu überwinden, das Kind wieder wegzuschicken und nehmen die beiden in der Gruppe auf. Der Vater ist sehr entschlossen, sein Kind durch diese Krise zu kriegen und geht direkt auf Beutezug. Zwar stößt er auf eine kleine Gruppe Soldaten, die ihm feindlich gesinnt gegenüberstehen, dennoch schlägt er sich durch. Bewaffnet mit einem Brecheisen versteckt er sich und wartet auf den richtigen Moment, einen Soldaten nach dem anderen auszuschalten. Hier fällt einem zum ersten Mal die etwas hakelige Steuerung auf. Der Unterschied zwischen Schleichen und Rennen arbeitet komplett über den Analogstick. Das bedeutet, während ich den Stick nur leicht nach links oder rechts bewege, schleicht unser Überlebender, während er bei einem Anschlag lossprintet. This-War-of-Mine-The-little-ones-12Dadurch kommt es nicht nur selten vor, dass wir versehentlich zu laut sind und entdeckt werden. Häufig bleibt uns dann nur noch die schnelle Flucht, wenn wir unseren Protagonisten nicht verlieren wollen. Die moralische Entscheidung zu Töten für die Gruppe ist allgegenwärtig. Der Vorteil die Soldaten getötet zu haben ist, dass die Gruppe nun Pistolen und Gewehre samt Munition und neue Ressourcen hat. Währenddessen  kämpft der Vater aber nun mit Gewissensbissen, ob es richtig war. This War of Mine stellt uns vor allerhand dieser Entscheidungen nicht nur bei Soldaten sondern auch gegenüber von anderen Zivilistengruppen. Immer wieder kommt man zu einem Punkt, wo man sich entscheiden muss und ich ertappe mich immer wieder, wie ich mich selbst in die Situation hineinreflektiere. Natürlich ist das nur bedingt möglich, schließlich habe ich selbst nicht annähernd einen solchen Lebenslauf wie der Familienvater, der eine kleine Tochter zu ernähren hat. Auch Jahreszeiten haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Gameplay. So bricht irgendwann der Winter ein und das Haus muss beheizt werden, was je nach Ofen und Härte des Winters ordentlich Brennmaterial frisst. Nun haben wir nicht nur einen Nahrungsmangel zu überstehen sondern auch einen Ressourcenmangel. Denn ist unser Haus nicht warm genug, werden unsere Überlebenden krank und können gegebenenfalls auch das Zeitliche segnen, wenn wir nicht genügend Medikamente haben. Durch die zufallsgesteuerten Events wie Raubüberfälle oder Schlachten in der Stadt, die potentielle Orte für Plünderungen für eine gewisse Zeit sperren, bringt jeder Durchlauf seine ganz eigenen Herausforderungen. Alles fördert die Immersion der allgegenwärtigen Gefahr des Ablebens unserer Schützlinge.

Fazit

This War of Mine: The Little Ones hat mich schwer beeindruckt. Ich habe mit wenig gerechnet aber das die Immersion so stark wird, hätte ich nicht gedacht. Auch ein zweiter oder dritter Durchlauf lohnt sich einfach durch die völlig anderen Situationen und die andere Herangehensweise. Es ist immer eine Entscheidung, ob Moral oder Überlebensinstinkt überwiegt. Ein toller Titel der für 29,99 € echt sein Geld wert ist.

This War of Mine: The Little Ones
Grafik/Präsentation
77
Gameplay
71
Spielspaß
88
Leserwertung0 Bewertungen
0
79