Rise and Shine im Test – Ein Nerd mit sprechender Knarre

Manchmal fühlt man sich in einem Spiel einfach sofort heimisch. Mir passiert das vor Allem oft bei 2D-Sidescroll-Titeln. Zwar spoilere ich jetzt ein wenig, was das Fazit betrifft, aber so erging es mir auch gleich zu Beginn bei Rise and Shine. Ältere Semester wie ich, fühlen sich einfach wieder sofort in ihre Kinder –und Jugendzeit versetzt und die war bei den meisten wohl recht angenehm. Damals flitzte man mit Mega Man, Mario oder Donkey Kong durch unzählige Level-Konstrukte und freute sich ob der einfachen aber genialen Spielbarkeit dieser Perlen. In der heutigen Zeit reicht es für solche Spiele in der Regel nur zu einem „Arcade-Titel“, die meist nur digital erwerbbar sind. Knackige 2D-Abenteuer sind längst modernen 3D-Titeln gewichen und finden nur selten (Und wenn eher als Fan-Bonus) ihren Weg auf eine Disc. So auch unser neustes Test-Objekt Rise and Shine von Publisher Adult Swim. Das Entwicklerteam des Spiels beweist nicht nur in ihrem Machwerk selber eine Menge Humor, sondern hat wohl auch den interessantesten Studionamen den man so zuletzt gehört hat. Auf Super Awesome Hyper Dimensional Mega Team (Kurzform Supermegateam) muss man auch erst einmal kommen. Ob der aussagekräftige Studioname mit dem Spiel mithalten kann, lest ihr im Test.

Schon die Geschichte des Spiels ist eine echte Hommage an die Ü30-Fraktion der Gamerlandschaft heutiger Tage. Der Planet Gameroth wird von den brutalen und gewissenlosen Weltraum-Grunzern überfallen, welche den Planeten einfach nur grundlos zerstören wollen. Ihr schlüpft dabei in die Rolle eines kleinen unschuldigen Jungen, dessen Name den ersten Teil des Spieletitels ausmacht. Rise ist der Sohn eines tapferen Captains der lokalen Verteidigungsflotte und ca. zwölf Jahre alt. Gleich zu Beginn müsst ihr mit eigenen Augen ansehen wie der „legendäre Held“ seinen tragischen letzten Bildschirmtod findet und euch obendrein (ungewollt) als seinen Nachfolger auserkiest. Dazu erhaltet ihr die nicht minder legendäre Pistole „Shine“, welche ihr dem König von Gameroth überreichen sollt. Das wirklich absurde daran ist, Shine kann sprechen und erzählt euch, dass ihr durch seinen Besitz über unendlich viele Leben verfügt, dafür aber viele und schmerzvolle Tode verkraften müsst. Im weiteren Spielverlauf erklärt euch der sprechende Ballermann bei jeder Gelegenheit auf sehr sarkastische Art und Weise die Geschichte, veräppelt euch ständig damit, dass ihr ein Weichei seid und dient als Sidekick-Tutorial, wenn ihr neue Fertigkeiten aufsammelt. Zu gerne würde ich jetzt die lustige Geschichte zum König von Gameroth erzählen, aber dieser Spoiler wäre auf keinen Fall vertretbar.

Spielerisch bietet euch Rise and Shine satte, knackige und vor allem brutale 2D-Sidescroller-Action mit wunderbarer handgezeichneter klarer Optik. Brutal bezieht sich bei Rise and Shine übrigens auf mehrere Aspekte. Die optische Brutalität bemerkt man bereits im Intro, wo Gegnerschädel zerplatzen und es rundherum sehr blutig zur Sache geht. Die Straßen sind mit toten Einwohnern wie Gegnern gepflastert. Brutal ist jedoch auch der Schwierigkeitsgrad des Titels. Das liegt primär an der Tatsache, dass das Spiel keine reine und plumpe Ballerorgie darstellt, sondern teilweise eine ordentliche Menge Geschick und Hirnschmalz von euch verlangt. Ähnlich wie in einem Twinstick-Shooter übernimmt der rechte Stick die Zielfunktion von Shine, was sich zuerst wirklich unhandlich und umständlich anfühlt, da ihr zu allem Überfluss auch noch mit der Schultertaste feuern müsst, was die Schussfrequenz im Gegensatz zu einer normalen Feuertaste auf dem Pad natürlich erheblich verringert. Diese Tatsache führt jedoch wie eben gesagt auch dazu, dass Rise and Shine ein recht interessanter Genre-Mix geworden ist. Mir persönlich wäre eine klassischere Schussausrichtung (acht feste Richtungen) jedoch etwas lieber gewesen, weil dadurch mit Sicherheit eine deutlich höhere Spieldynamik mit mehr Tempo entstanden wäre. Aber zurück zur Realität.

Für sein zartes Alter schlägt sich unser junger Held doch recht passabel. Supermegateam lässt es zumindest zu Beginn eures Abenteuers auch noch etwas gemächlicher angehen. Selten trefft ihr auf Widersacher, die auch mal zurückfeuern. Stattdessen gilt es zum Start eher Schwebeminen zu zerschießen oder Zielsuch-Raketen auszuweichen. Der Anspruch steigt jedoch mit jedem gelaufenen Meter und teilweise macht ihr unschöne Erfahrungen mit (bei mir) unliebsamen Trial and Error-Passagen. Durch eure unendlichen Extraleben, spawnt ihr jedoch fair und schnell wieder an Ort und Stelle des unglücklichen Ablebens. Und ihr werdet die Respawn-Animation samt der immer selben Melodie oft zu hören bekommen. Rise and Shine versucht euch nämlich bitterböse mit seiner tollen Knuddel-Optik hinters Licht zu führen. Das Abenteuer auf Gameroth stellt eine recht anspruchsvolle Herausforderung dar. So hat es der Schwierigkeitsgrad ganz schön in sich. Falls ihr jetzt also bereits mit einem Kauf liebäugelt, solltet ihr auf jeden Fall Frust vertragen.

Ergänzend zum Jump and Shoot-Gameplay lernt der kleine Held im Laufe der Geschichte noch einige neue Fertigkeit. Wobei die Fertigkeiten eher auf das Konto von Shine gehen. So findet ihr neben zahlreichen Munitionskapazitäts-Upgrades nämlich diverse extra Schüsse, die ihr mit der linken Schultertaste durchschalten könnt. Besondere Relevanz hat hier vor allem das Elektro-Upgrade mit dem sich Schaltkreisläufe aktivieren und mechanische Gegner klischeemäßig heftiger beschädigen lassen. Nicht wirklich im Standardkampf einsetzbar sind die Zielsuch-Kugeln, die eher durch enge Labyrinthe manövrieren müsst, um wiederrum Schalter zu treffen oder Kameras zu zerstören. Ihr Einsatz ist zudem nur in begrenzten Arealen möglich, in denen zusätzlich noch die Zeit verlangsamt wird. Alternativ findet ihr noch eine Art Granatwerfer, dessen Handhabung aber auch eher in speziell designten Momenten (Bosskämpfe) erforderlich ist, statt zur normalen Gegnerbekämpfung. Abgerundet wird das Kampfsystem durch ein sehr rudimentäres Deckungssystem, was aber kaum wirklich notwendig ist, da man den Geschossen auch durch Sprünge ausweichen kann. Zum Ende des Spiels erfordert der Titel noch am ehesten die Nutzung der Deckung und eine ziemlich hektische Kombination aus all diesen Features, die euch das ein oder andere Mal gehörig ins Schwitzen bringen wird.

Optisch zählt Rise and Shine auf jeden Fall zu den Vorzeigetiteln im Arcade-Sektor. Technisch stellt es die Konsolen naturgemäß vor keine allzu großen Probleme und punktet vor allem durch eine Menge Abwechslung der Level-Themen inkl. hohem Detailgrad. Alle Hintergründe sind vollgestopft mit Dekorationen und die lustig-brutalen Sterbeanimationen erinnern herrlich an die Metal-Slug-Reihe. So verschlägt es euch in zerstörte Städte, verlassene Minen, gruselige Friedhöfe und moderne Militäranlagen. Und so charmant 8 –oder 16 Bit-Optik auch sein mag, es sollte öfter Spiele geben, die so toll mit handgezeichneten Grafiken arbeiten und überzeugen. Weiteres erwähnenswertes Aushängeschild des Spiels ist auf jeden Fall der Humor. Der Titel steckt voller Anspielungen, Easter Eggs und witzigen Wortwechseln zwischen der doch etwas naiven „Heulsuse“ Rise und dem proletenhaften Ballermann Shine. Ihr werdet also einige überraschende Parallelen und Begegnungen mit altbekannten Charakteren aus anderen Universen erleben.

Fazit

Rise and Shine ist das perfekte Spiel für den geneigten Ü-Dreißiger, der sich mit Vorliebe in die guten 2D-Zeiten zurückversetzen und dabei auch noch gehörig gefordert werden möchte. Zwar ist die Rettung von Gameroth kein reines Run and Shoot-Game, sondern liefert eher taktisch anspruchsvolle Duelle bei denen Denkvermögen mindestens so wichtig ist, wie Geschicklichkeit. Die Schusstechnik ist mit seiner Twin-Stick-Mechanik zudem sicher nicht jedermanns Sache und könnte zusammen mit dem doch hohen Schwierigkeitsgrad Skeptiker schnell frustrieren. Dafür punktet Rise and Shine mit toller Optik, abwechslungsreichen Boss-Gegnern, hervorragendem Humor und eben auch mit feiner Steuerung. Die Spieldauer hätte jedoch mit ca. vier Stunden auch etwas wohlwollender ausfallen können. Wer also auf kreative und dabei harte Oldschool-Kost steht, der wird mit Rise and Shine einige vergnügliche Momente erleben. Wer sich nicht ganz so sicher ist, wartet vielleicht besser auf eine Preissenkung, da der Titel mit 14,99 Euro, gemessen an der Spielzeit, ordentlich zu Buche schlägt.

Rise and Shine
Grafik/Präsentation
83
Story/Atmosphäre
81
Gameplay
77
Spielspaß
78
Leserwertung2 Bewertungen
25
80