Resident Evil 4 im Test – Alte Liebe rostet nicht!?

Resident Evil 4 schlug anno 2005 ein wie eine Bombe und erntete unter Kritikern eine Traumwertung nach der anderen. Das lag vor allem an dem frischen Spieldesign, das sich vom eher klassischen Horror Setting mit festen Kameraperspektiven und behäbiger Steuerung konsequent verabschiedete und einen neuen, merklich dynamischen Spielstil etablierte. Hier stand der Kampf ums nackte Überleben im Vordergrund, keine langsamen Zombies mehr, sondern agile besessene Dorfbewohner, Mönche und Söldner, die einem mit allerlei Tötungswerkzeug ans Leder wollen. Zudem machte das Spiel die allseits bekannte Schulterperspektive salonfähig und ebnete somit den Weg für spätere Spielehighlights, wie der Gears of War- und Dead Space-Reihe. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die inoffiziellen Remaster- und Reboot-Weltmeister Capcom ihren einstigen Vorzeigetitel auch auf die aktuellen Konsolen PS4 und Xbox One portieren. Ob das Remaster sich durch die einhergehenden besseren technischen Möglichkeiten optisch bemerkbar macht und ob Resident Evil 4 auch heute noch so viel Spaß bereitet wie 2005, klärt der folgende Test.

Ein Ami in Europa

Für diejenigen, die den Plot von Resident Evil 4 noch nicht kennen sollten, hier nochmal die wichtigsten Fakten kurz zusammengefasst: Wir spielen den Held des 2. Resident Evil-Teils Leon S. Kennedy, der nun im Dienste der US-Regierung arbeitet. Sein Auftrag ist kein geringerer, als die Tochter des Präsidenten aus den Fängen einer okkulten Sekte, den Los Illuminados, zu befreien und unbeschadet zurück in die Staaten zu bringen. Sein Weg führt ihn nach Europa und wenn ich Europa sage, dann meine ich das Europa aus der Sicht eines Japaners mit US-Brille auf. Die Einheimischen hier sprechen Spanisch, pflegen aber eher einen Kleidungsstil, den man im Mitteleuropa des 16. Jahrhunderts vermuten würde. Die örtliche Währung sind Pesetas (nur zur Anmerkung: 2005 hatten wir schon den Euro) wobei diese Landschaft eher an Osteuropa statt Mittelmeer erinnert. Wir ahnen also schon, das Team um Chefentwickler Shinji Mikami hat sich wohl mehr an gängigen Klischees als historischer sowie politischer Korrektheit orientiert. Das ist allerdings nicht weiter schlimm, denn der Plot rund um Resident Evil 4 bietet genug Orte und Situationen für spannende und nervenaufreibende Gefechte, in denen ein inszenatorisches Highlight das nächste jagt. Und die fühlen sich auch nach all den Jahren noch richtig gut an.

“Ahi esta!”

Die Kampfmechanik in Resident Evil 4 ist im Prinzip recht einfach gestrickt. Wir steuern Leon aus der Schulterperspektive, per linker Schultertaste zielen wir, mit der rechten drücken wir ab. Da Leon Ruhe beim Zielen braucht, können wir während dieses Vorgangs nicht gehen oder Schritte nach links und rechts machen. Das schränkt unsere Möglichkeiten zwar etwas ein, ist jedoch auch Teil des Spielsystems. Durch die Bewegungseinschränkung gibt es immer Teile des Bildschirms, den wir nicht einsehen können und da die Gegner oft in Scharen von überall kommen können, ist die Zeit für ruhige und gezielte Schüsse oft nur selten gegeben. Für schnelle 180 Grad-Drehungen müssen wir im Rückwärtslauf die X bzw. A-Taste drücken. Hat man diese Technik verinnerlicht, vereinfacht das viele Gefechte erheblich, doch Vorsicht, der Tod kommt oft schneller und unerwarteter als man denkt. So sollte man Nahkampfgefechte mit kettensägenschwingenden Dorfbewohnern tunlichst vermeiden oder wir sind, trotz voller Lebensanzeige, sofort einen Kopf kürzer.

Merklich gestiegen sind auch die Möglichkeiten unserer Feinde. Waren die Zombies in den ersten 3 Resident Evil-Teilen (Ja ich weiß, Code: Veronica und RE: Zero gab es auch noch vorher) in ihrem Handlungsfeld von Natur aus eher eingeschränkt, zeigen sich die besessenen Dorfbewohner und Mönche wesentlich agiler und intelligenter. So nutzen sie beispielsweise Leitern, um in von uns verbarrikadierte Häuser einzudringen und missbrauchen Werkzeuge wie Sensen, Äxte, Fackeln und Mistgabeln als umfunktionierte Mordwerkzeuge. Sie stellen Fallen und versuchen unseren Schüssen auszuweichen.

Etwas angestaubt wirkt tatsächlich der undynamische Waffenwechsel. Jedes Mal wenn Leon Waffen und Granaten wechseln oder ein Heilspray einsetzen möchte, müssen wir ins Inventarmenü und das Spiel pausiert. Das nimmt dem Actiongelage oft etwas den Drive, verschafft uns aber auch die Möglichkeit durchzuatmen und das weitere Vorgehen etwas zu planen. Kopfschüsse lohnen sich übrigens nach wie vor. Sie richten grundsätzlich mehr Schaden an und bringen manche Gegner ins Torkeln. Reagieren wir hier schnell genug kann Leon per Aktionstaste dem angeschossenen Gegner in bester Chuck Norris-Manier einen Tritt verpassen und in der Nähe stehende Feinde mit wegschleudern.

Insgesamt gestalten sich die Kämpfe im Vergleich zu den klassischen Teilen dank der neuen Interaktionsmöglichkeiten sehr abwechslungsreich und spannend. So gut wie kein Areal gleicht dem anderen, was uns auch immer wieder vor neue Herausforderungen stellen wird.

„Leon! Heeeeeelp!“

Bereits im ersten Drittel des Spiels gelingt es uns die Präsidententochter Ashley aus den Fängen der Los Illuminados zu befreien. Von nun an müssen wir auch dafür sorgen, dass das so bleibt. Ashley kann sich bisweilen als echte Nervensäge herausstellen. So müssen wir sie bei jedem Sprung aus größerer Höhe auffangen und dafür sorgen, dass ihr kein Ganado oder sonstiges Sektenmitglied zu nahe kommt. Sie packen sich die wehrlose Präsidententochter direkt über die Schulter und versuchen sie zum nächsten Ausgang zu schleppen. Schaffen wir es nicht die Entführung zu verhindern, bevor der entsprechende Gegner den Ausgang erreicht hat, gilt unsere Mission als gescheitert, was dem eigenen Spielertod gleichkommt. Zum Glück gehorcht uns Ashley während des Spiels aufs Wort. Wir können ihr per einfachen Tastendruck den Befehl geben an Ort und Stelle zu bleiben, so können wir sie aus den größten Gefechten raushalten, doch Vorsicht, nicht selten öffnen sich an bereits vermeidlich sicheren Orten eine Geheimtür und unsere unschuldige Begleiterin ist den Schergen schutzlos ausgeliefert. Im Idealfall geben wir Ashley den Befehl, sich in einem Container zu verstecken, um im gesamten Areal erstmal für sichere Verhältnisse zu sorgen. Sind alle Gegner beseitigt, können wir unsere Begleiterin wieder per Pfiff zu uns lotsen.

Im weiteren Spielverlauf kann sich unsere Begleiterin jedoch auch als nützlich erweisen. Sie kann für uns Schalter umlegen oder Kurbeln bedienen, während wir uns um die Gegner kümmern. Sie steuert Fahrzeuge für uns. In einem Abschnitt des Spiels übernehmen wir sogar kurzzeitig die Kontrolle über Ashley und kämpfen uns auf etwas unkonventionelle Art und Weise durch einen Burgkomplex.

Trotz all unserer Bemühungen wird die Präsidententochter jedoch immer mal wieder entführt werden. In diesen Teilen des Spiels sind wir dann wieder mit Leon alleine unterwegs und müssen erst einmal nicht mehr den Bodyguard spielen.

„Is that all, stranger?“

Während unseres Überlebenskampfes können wir allerhand Schätze finden oder Gold von besiegten Gegnern einsammeln. Im Spiel werden wir immer einem mysteriösen Händler begegnen, wobei hier direkt gesagt sei, dass man sich über seine Geschäftszeiten und Verkaufsorte nicht wundern sollte. Hier können wir unsere Schätze gewinnbringend verkaufen und uns neue Waffen, Upgrades, größere Aktenkoffer und diverse Waffenmodifikationen kaufen. Es sei darauf hingewiesen, dass sich manche Schätze miteinander kombinieren lassen, was ihren Verkaufswert nochmal erheblich steigert. Daher sollte man sich die Beschreibung der gefundenen Schätze gut durchlesen, um zu überprüfen, ob es nicht irgendwo doch Sockel für Edelsteine oder weitere Gegenstände gibt.

Zudem haben wir hin und wieder die Möglichkeit an einem Schießstand unsere Reaktionszeit und Präzision zu trainieren. Für ausreichend hohe Punktzahlen erhalten wir Kronkorken-Figuren. Diese haben spielerisch keinen großen Mehrwert, doch das wird Komplettisten herzlich egal sein.

“It’s been a long time, comrade.”

Auf technischer Seite erstrahlt Resident Evil 4 nun auch auf Konsole endlich in stabilen 60fps und 1080p. Leider merkt man vielen Texturen die mittlerweile doch sehr in die Jahre gekommene schwammige SD-Grafik an. Wie auch schon in RE: Zero hat man die Zwischensequenzen bezüglich ihrer optischen Qualität unberührt gelassen, was sich leider oft mit der gestochen scharfen Figurenoptik während des Spiel sticht. Trotz dieser kleinen Mäkel ist das Spiel in dieser Version optisch die schönste Fassung, doch muss ich ehrlich gesagt gestehen, dass die Ur-Fassung von RE 4 durch den körnigen Röhrenlook eine Spur dreckiger und rauer daher kam, was sich wunderbar ins Spielerlebnis mit einfügte.

Da die Originalversion des Spiels seit April diesen Jahres vom Index gestrichen wurde und ich als Tester nun auch endlich offen über die zusätzlichen Minispiele „Assignment Ada“ und „The Mercenaries“ sprechen darf, möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass diese beiden zusätzlichen Minispiele die PS4 und One-Version von Resident Evil 4 nochmal zusätzlich aufwerten, da sie die Langzeitmotivation deutlich in die Höhe schrauben. Allen voran das Spiel „The Mercenaries“, wo es darum geht, gegen die Zeit möglichst viele Gegner hintereinander auszuschalten, ohne dabei selbst das Zeitliche zu segnen, motiviert, durch die spielbaren Charaktere wie Wesker oder Hunk, enorm.

Fazit

Ich habe dieses Spiel nun schon auf fast jeder Plattform mehrmals durchgespielt und auch die PS4-Version von Resident Evil 4 hat mich erst wieder in Ruhe gelassen, als ich den Abspann über meinen Fernseher laufen sah. Hier stimmt selbst nach so vielen Jahren auf spielerischer wie inszenatorischer Seite so gut wie alles. Der Kampf gegen die Los Illuminados, den dazugehörigen mutierten Ungetümen und natürlich den unglaublich intensiven Bosskämpfen sind so abwechslungsreich und spannend wie es kaum ein anderes Spiel in dieser Form in all den Jahren danach hinbekommen hat. Grafisch wurde hier nochmal ordentlich nachgelegt, wobei die Spuren eines fast 12 Jahre alten Spiels natürlich nicht unbemerkt an einem vorbeiziehen. Doch das tut dem rein spielerischen Wert des Titels keinen Abbruch. Im Gegenteil: Es macht sogar etwas traurig wenn man sieht zu was Capcom damals in der Lage war. Ich hoffe inständig, dass sie mit dem bald erscheinenden Resident Evil 7 einen ähnlichen Neustart hinlegen, wie es der vierte Teil seiner Zeit tat.

Resident Evil 4 ist in etwa das was der Film Aliens: Die Rückkehr für die jeweils eigene Reihe war. Waren die Vorgänger noch eher ruhig und subtil, werden hier nervenaufreibende Kämpfe und top inszenierte Action auf einem Niveau geboten, dessen Qualität man nach all den Jahren immer noch spürt und obwohl sowohl das Spiel als auch der Film nicht mehr die jüngsten Vertreter ihrer Zunft sind, so legt man sie von Zeit zu Zeit immer mal wieder ein und genießt ein Stück Videospiel- beziehungsweise Filmgeschichte.

Resident Evil 4
Grafik/Präsentation
86
Story/Atmosphäre
90
Gameplay
92
Spielspaß
92
Leserwertung0 Bewertungen
0
90