PES 2017 im Test – Fussball ist wie Schach

So wie jedes Jahr ein neues FIFA (hier gehts zu unserem FIFA 17 Test) in den Handel kommt, landet auch der Konkurrent Pro Evolution Soccer in den Händlerregalen. Konami konnte in den letzten Jahren immer eine deutliche Steigerung zu dem Vorgänger verzeichnen, ob das nun mit Pro Evolution Soccer 2017 auch wieder so ist, zeige ich euch in meinem Test.

pes-2017-8Wie jedes Jahr spielt das Thema Lizenzen auch bei PES 2017 eine Rolle. So läuft nach wie vor ein Großteil der europäischen Mannschaften immer noch unter falschen Namen auf das Feld. Dafür sicherte Konami sich weitere Lizenzen für die argentinische und brasilianische Liga, auch der Supercup, Champions League und die Europa League der UEFA sind mit offizieller Lizenz mit dabei. Bestes Beispiel ist das El Clásico der La Liga. Der FC Barcelona spielt gegen Real Ma.., ähm ich meine natürlich MD White. Zwar treffen Lionel Messi und Christiano Ronaldo aufeinander, trägt aber nur erst genannter das offizielle Trikot samt Wappen. Ähnlich sieht es in der Bundesliga aus, so kann man beispielsweise in den Genuss von dem Derby FC Schalke 04 und Borussia Dortmund kommen, während der amtierende Meister nicht im Spiel zu finden ist. Zwar besitzt das Spiel auf der PlayStation 4 einen Editor, mit dem wir auf Drittwebsites die Trikots, Wappen und Spielernamen anpassen können, aber leider fehlt dieser auf der Xbox One in voller Gänze.

Mekka der Taktiker

In PES 2017 werden vor allem Taktiker auf ihre Kosten kommen. Neben der schon gewohnt großen Auswahl an Taktiken aus den vorherigen Teilen, welche durch die Kombination von Aufstellung, Spielstil und Phasen Verhalten (Abstoß, Ballbesitz und Verteidigung) entstehen, können zusätzlich noch zwei defensiv und offensiv Taktiken vorkonfiguriert und im Spiel per Tastenkombination direkt aktiviert werden. So können wir das Verhalten unserer Mannschaft auf Anstoß, Ballbesitz und Ballverlust justieren und bei Problemen während des Spiels auf die Taktik des Gegners reagieren. Zusätzlich ist es auch möglich die Ausrichtungen der einzelnen Spieler stufenweise zu regulieren. Unter Erweiterte Einstellung finden wir den katalanischen Tiki-Taka Fussball, die Falsche 9 und Gegenpressing. Beim letztgenannten hetzen unsere Spieler dem verlorenen Ball direkt wieder hinterher, was sich im Spiel auch sofort bemerkbar macht. Aber nicht nur im Spielfluss gibt es neue Möglichkeiten seine taktische Raffinesse unter Beweis zu stellen, sondern auch bei Standards. So ist es nun bei Ecken möglich zwischen verschiedenen Eckballvarianten auszuwählen für die der Gegner aber auch immer eine entsprechende Gegenmaßnahme ergreifen kann. Durch die ganzen taktischen Kombinationen entsteht ein extrem komplexes Stein, Schere, Papier – System, was richtig Spaß macht, aber auch einiges an Übung erfordert. Aber nicht nur taktisch wurden an dem Stellschrauben gedreht. Das etwas langsamere Spieltempo kommt den Bewegungsanimationen zugute. Gleichzeitig fühlen sich Ballbewegungen in jeglicher Form genauer und realistischer an. Pässe in verschiedensten Arten sind besser zu dosieren und die Laufwege unserer Mitspieler gehen häufiger in die Lücken der Abwehrreihen. In diesem Teil kann man vor allem mit einem guten Spielaufbau glänzen, um den Ball schlussendlich im Netz des Gegners zu versenken. Wären da nicht die verbesserte KI der Torhüter, welche die Bälle jetzt nicht mehr so häufig zu gefährlichen Abstaubertoren abwehren, sondern häufiger ordentlich entschärfen. Generell ist es auch nicht mehr so leicht einen angeschnittenen Schuss mit schlechter Dosierung hinter die gegnerische Linie zu bringen, da auch die Keeper mit mehr Paraden glänzen. Aber nicht nur die Torhüter wirken entschlossener, sondern auch die Schiedsrichter, obwohl manchmal ihre Pfiffe sogar teilweise ziemlich kleinlich wirken. Neue Techniken für den Abschluss, für Bewegungsabläufe oder Dribblings sind allerdings Mangelware, was aber bei dem bereits großen Repertoire auch weniger wichtig ist.

Was soll ich heute spielen?

pes-2017-2Bei der Anzahl der verschiedenen Spielmodi hat sich in diesem Jahr aber nichts verändert. Viel eher tritt man bei manchen Ideen weiterhin auf der Stelle. So ist der „Werde zur Legende“ – Modus völlig unausgewogen. Wir spielen einen einzelnen Spieler und streben nach Plätzen in der Startelf an, nach Siegen und natürlich auch nach Titeln. Bei unserem Aufstieg bekommen wir aber keinerlei Hilfen. Wir werden direkt in das Spiel geschmissen, haben keinen Ansprechpartner und der Trainer handelt teilweise nicht nachvollziehbar. So rotiert er uns zwischen Tribünenplatz, der Bank und der Startelf, ohne genau zu wissen warum. Am Ende eines Spiels fehlt uns auch das Feedback über unsere Leistung (Was wir gut oder schlecht gemacht haben, können wir nur erahnen). Gerade im Hinblick auf den Konkurrenten, welcher in diesem Jahr mit einer kompletten Inszenierung eines einzelnen Profifussballers auftrumpft, ist das Gezeigte äußerst dünn. In der Meisterliga dagegen gibt es gute Ideen, die das Managen einer Mannschaft erleichtern und das Coaching der Spieler besser gestaltet. So haben wir, neben einer Trennung des Budgets für Ablösesumme und Gehälter, nun auch ein Feintuning für die einzelnen Spieler zur Auswahl. Mit Hilfe von Persönlichkeitspunkten wie Leidenschaft, Ausstrahlung, Taktik und Technik können wir die Spieler noch individueller entwickeln. Ein Malocher auf dem Platz steigert beispielsweise seinen Wert in Leidenschaft. Die Attribute lassen sich aber auch durch gezielte Trainingseinheiten forcieren, umso gezielt Spielertypen zu entwickeln. Natürlich ist das Pendant zu FUT (FIFA Ultimate Team) weiterhin dabei, da Konami natürlich auch ähnlich wie Konkurrent EA über das Jahr Einnahmen mit Ingame-Einkäufen erzeugen möchte. Anders ist hier allerdings das System, indem wir über die in verschiedenen Stufen qualifizierten Scouts die Auswahl der unter vertragnehmbaren Spielern eingrenzen. Durch das Kombinieren von mehreren Scouts, grenzen wir die zufällige Auswahl der Spieler auf eine Handvoll ein und können gegebenenfalls direkt auf einen einzelnen Spieler abzielen. Im Auktionshaus können wir für besondere Scouts gegen andere Trainer bieten, mit denen wir dann Starspieler wie einen Lionel Messi, Mesut Özil oder Manuel Neuer an Land ziehen können.

Zeit für ein Duell

pes-2017-13Wie in jedem großen Sportspiel steht aber auch, neben den ganzen anderen Neuerungen, der kompetitive Modus im Fokus. Freundschaftsspiele werden nun in Statistiken festgehalten, wodurch ein Verlauf der Spiele schön beobachtet werden kann. Das gilt sowohl für myClub-Spiele als auch für normale Freundschaftsspiele. Online Matches laufen flüssig und das Belohnungssystem ist verfeinert worden. So lohnt es sich jetzt als statistisch unterlegenes Team mehr einzusetzen, um einen Sieg davon zu tragen, da man dadurch mehr Punkte gewinnt. Gewinnt also der FC Schalke 04 als Underdog gegen einen Club wie den FC Barcelona, kann man sich nicht nur über einen Sieg freuen, sondern auch über die zusätzliche Belohnung. Dabei kann man sich als Spieler von Liga 10 hoch bis in die erste Liga vorkämpfen. Durch die Unterteilung der Ligen bekommt man auch gleichzeitig keine zu starken Gegner gegenübergestellt und man hat das Gefühl, dass die Matches sich auf Augenhöhe befinden.

Schweiß auf der Stirn

pes-2017-18Wenn eines über die Jahre gereift ist, dann ist das wohl die hauseigene Fox-Engine. Die Engine, die sich auch schon bei Metal Gear Solid bewiesen hat, trumpft jetzt in den schönsten Fussballstadien der Welt auf. Schweißperlen glänzen auf den Gesichtern der detallierten Spieler, flüssige Bewegungsabläufe im gesamten Spielgeschehen und Ballbewegungen sehen einfach großartig aus und können ganz oben mitspielen. Die Kamerafahrten um und im Stadion sehen toll aus und das Einlaufen der Mannschaften mit Kameraperspektive auf den Spielertunnel, braucht sich nicht zu verstecken. Vor allem durch die Lichteffekte und der detailfreudigen Fan-Masse macht der Titel zumindest visuell eine sehr gute Figur. Der etwas übermäßige Gebrauch des Unschärfefilters trügt das Bild nur selten, im Gegenteil, bei den Bewegtbildern unterstützt es doch häufig den Fernseheffekt. Aber so hoch man die grafische Präsentation hier lobt, desto härter muss ich auch die akustische Untermalung kritisieren. Das deutsche Kommentatoren-Team, bestehend aus Hansi Küpper und Co-Moderator Marco Hagemann, stehen sich gegenseitig im Weg. Die Kommentare von Marco Hagemann sind gefühlt so emotionslos wie ein Stein, was auch Hansi Küpper nur schwer wieder rausreißen kann. Die Kommentare werden teilweise auch einfach zu inflationär genutzt, da beispielsweise im selben Spiel doch öfters der Satz „Und da macht er die Lücke zu“ um die Ohren gehauen bekommt. Sogar bei Derbys wie dem S04 und dem BVB fehlen entsprechende Kommentare. Auch die Fan-Massen können nicht so richtig Atmosphäre aufbauen, weil Reaktionen auf das aktuelle Spielgeschehen doch recht mau und die so emotionsgeladenen Sprech- und Gesangchöre sogar bei Lizenzpartnern dünn ausfallen. Schade, denn dadurch wird die gesamte so gut visuell inszenierte Atmosphäre nach unten gedrückt.

Fazit

In diesem Jahr hat Konami mit PES 2017 nochmal einen draufgelegt. Der Titel kann vor allem durch sein Feintuning im Gameplay überzeugen. Wenn es jetzt noch mit der Atmosphäre im Bereich Vertonung klappt und man bereit ist mehr Lizenzen einzubauen, kann die Fussballsimulation kaum noch einer aufhalten. Mit einem Preis zwischen 50 und 60 Euro weiß der Titel aber auf jeden Fall zu überzeugen und ist für jeden PES Fan ein Muss. Der etwas feindseligere FIFA Fan sollte sich vorher am besten einmal die Demo anschauen um die Gameplay Unterschiede zu bemerken. Wenn ihr großen Wert auf die echten Spielerlizenzen legt, sollte zumindest der Xbox Nutzer sich das Ganze genau überlegen.

PES 2017
Grafik/Präsentation
82
Story/Atmosphäre
78
Gameplay
86
Multiplayer
83
Spielspaß
83
Leserwertung0 Bewertungen
0
82