Life is Strange: Die Schmetterlings-Zeitreise im Test

Der Überraschungshit Life is Strange aus dem Hause Dontnod bekam für seine zahlreichen Erfolge für Xbox One und PlayStation 4 nun endlich eine limitierte Fassung in Form einer Disk spendiert. Das spannende und dramatische Abenteuer der beiden Freundinnen Max und Chloe erschien im Laufe des letzten Jahres nämlich bisher lediglich digital und darüber hinaus auch noch in Episodenform. Der französische Entwickler Dontnod war vorher bereits durch das gute Storytelling in Remember Me aufgefallen. Mit Life is Strange betreten die Entwickler Neuland im Adventure-Sektor und wagen sich ins Fahrwasser der beliebten Telltale Games-Spiele. Ob uns die „merkwürdige“ Reise der beiden Femme Fatals gefallen hat, lest ihr im Test.

Back to School

screenshot-life-is-strange-12Das Spiel wirft euch, in der Haut der Fotografie-Studentin Max Caulfield, recht unvermittelt ins Geschehen. Um genau zu sein setzt euch das Spiel zurück auf die Schulbank. Denn hauptsächlich spielt Life is Strange in der fiktiven Kunst-Universität Blackwell. Max kehrt nach fünf Jahren Aufenthalt in Seattle zurück in ihre Heimat und führt ein Kleinstädtisches Studentenleben in Arcadia Bay. Schon bald entdeckt die eher schüchterne Max, dass sie urplötzlich mit einer sehr mächtigen Fähigkeit gesegnet wurde – Sie ist in der Lage, die Zeit zurück zu drehen. Da die Geschichte bei einem solchen Spiel der eigentliche Star des Werkes ist, möchte ich an dieser Stelle natürlich nicht allzu viel darüber verraten. Die brünette Studentin trifft gleich zu Beginn auf ihre ehemals beste Freundin Chloe, deren Freundin Rachel Amber vor einiger Zeit verschwunden ist. Max möchte Chloe selbstverständlich bei der Suche nach Rachel helfen und die Beiden müssen schnell feststellen, dass es um viel mehr als nur um Rachel Chamber geht .

Der Schmetterlingseffekt

screenshot-life-is-strange-10Hauptthematik des Spiels ist der Butterfly-Effekt, sowie die Chaostheorie. Das bedeutet, dass all eure Taten im Spiel auch eine Konsequenz haben werden, da auf jede Aktion eben auch eine Reaktion folgt. Bei Life is Strange erschließen sich dem Spieler viele dieser Auswirkungen jedoch im ersten Moment noch nicht. Aber selbst unwichtig erscheinende Details können eben theoretisch ein jedes Leben verändern. Dies ist das Prinzip der beiden Theorien. Bei Life is Strange erlebt ihr diese Effekte primär durch die Veränderung in der Zeit, wodurch ihr neue Zeitlinien erschafft. Kleine Abweichungen der Vergangenheit können verheerende Auswirkungen auf die Zukunft haben. Spielerisch lässt euch der Entwickler bei den Entscheidungen freie Hand. Durch die Manipulation der Zeit seid ihr meist in der Lage, Situationen so zu beeinflussen, wie ihr es für richtig haltet. Stoßt ihr mit einer Antwort eurem Gegenüber beispielsweise etwas unsensibel vor den Kopf, kann Max diesen Umstand durch Zurückspulen der Zeit korrigieren. Natürlich lassen sich aber längst nicht alle Handlungen im voraus planen und es kommt öfter zu schockierenden und dramatischen Änderungen im Leben von Max und ihren Freunden. Dieses Konzept erzeugt eine unheimliche Spannung, da man eben nie weiß, welche genauen Auswirkungen eure Taten nun haben werden und ihr sehr oft sehr genau über eure Auswahlen nachdenken werdet. Selbst vermeintlich gut gemeinte Aktionen, können fatale Folgen haben. Hinzu kommt die Tatsache, dass Max auch sehr unbequeme Entscheidungen im Laufe des Spiels treffen muss, da sie manchmal die Auswirkungen recht schnell begreift. Das Leben ist nun mal kein Ponyhof und alle Parteien glücklich zu machen ist selbst bei Life is Strange unmöglich.

Point and Click der alten Schule

screenshot-life-is-strange-08Spielerisch bietet Life is Strange genretypisch nicht viel klassisches Gameplay. Meistens führt ihr Dialoge mit anderen Personen, sammelt Hinweise oder meistert schwierige Situationen mit Hilfe eurer Zeitreise-Fähigkeit. Dontnod implementiert glücklicherweise einige spannende und kreative Rätsel ins Spiel. Später im Spiel müsst ihr euch zum Beispiel ins Büro des Direktors schleichen. Da ihr keinen Schlüssel für die Türe habt, bleibt nur die Nutzung von Gewalt. Da dies jedoch die Alarmanlage auf den Plan ruft, wäre an dieser Stelle das Spiel eigentlich vorbei, da ihr erwischt worden wärt. Max jedoch spaziert während des Alarms einfach ins Büro, dreht die Zeit zurück und öffnet der verdutzten Chloe von innen die Türe. Max selber ist von ihrer Zeit-Manipulation nämlich unberührt und verharrt nicht an der Stelle, an der sie zurückreist. In dieser Zeitlinie, war also die Alarmanlage nie an und ihr könnt euch problemlos auf Spurensuche im Büro begeben. Diese Art Zeit-Rätsel wurden vom Entwickler-Team meistens mit Gesprächsoptionen und ein paar Items kombiniert, wodurch teilweise mehrere Lösungen und eben auch Resultate möglich sind.

Zauberwort Interaktivität

screenshot-life-is-strange-07Das Spiel verlangt also definitiv mehr Denksport als knallharte Tastenkombinationen. Das wahre Highlight ist jedoch die Geschichte und die Präsentation rund um Arcadia Bay. Die Figuren sind eine herrliche Mischung aus individuellen „echten“ Charakteren und klassischen Stereotypen. Fast jede Person im Spiel hat ihre eigene Geschichte, die sich fast nie im ersten Moment erahnen lässt. Selbst der harte Captain des Football-Teams hat seine weichen Seiten und auch der introvertierteste Geek kann im falschen Moment mal ausflippen. Die gut geschriebenen Dialoge und die tolle Sprachausgabe der englischen Original-Sprecher sind eine weitere Delikatesse, die das Life is Strange-Spitzenmenü so köstlich machen. Audiovisuell zeigt der Titel zudem vielen großen Produktionen die lange Nase. Die wunderbare, handgezeichnete Optik und der traumhafte Soundtrack lassen euch als Spieler völlig in dieser Welt versinken. Famose Präsentation kann man eben nicht immer anhand Pixelzahlen und Shader-Units messen – Life is Strange ist der perfekte Beweis dafür.

Fazit

Das Abenteuer von Life is Strange klassisch zu bewerten gestaltet sich schwierig. Meine Wertung ist natürlich möglichst objektiv, rein persönlich hätte ich dem Spiel jedoch noch mehr als die sowieso schon famosen 90 Punkte gegeben. Diese Art von Spiel “schwächelt” in gewisser weise natürlich etwas beim Gameplay, da man als Spieler eben nicht durch besonderes Geschick glänzen kann. Der Fokus und damit die Qualität solcher Spiele liegt eben in der Welt, der Geschichte und auch dem Artdesign. Life is Strange mag euch zwar rein spielerisch nur sanft berieseln, dafür entwickelt sich die Geschichte rund um Max und Chloe wie der thematisch passende Flügelschlag eines Schmetterlings zu einem wahren Orkan. Die Charaktere, die überraschenden Wendungen und die herrliche Präsentation machen Life is Strange zu einem künstlerisch wertvollen Highlight im Bereich der Videospiele. Endlich fiebert man mal mit den Charakteren mit. Endlich sitzt man am Ende jeder Episode mit offenem Mund auf dem Sofa und beobachtet nachdenklich die Credits. Die starken Dialoge und die spannende und kreative Geschichte hat auf jeden Fall das Zeug, auch Skeptiker des Adventure-Genres von Life is Strange zu überzeugen. Die Ruhe und Stille, die das Gameplay während des Spielens ausstrahlt, bildet eben das genaue Gegenteil von dem, was man emotional auf der Reise durch Arcadia Bay empfindet. Alleine der Soundtrack aus stimmigem Indie-Volk würde den Kauf des Spiels schon fast rechtfertigen. Adventures dieser Machart sind in letzter Zeit stark im Kommen und Life is Strange zeigt eindrucksvoll wieso und stellt für mich persönlich aktuell den Genre-Primus dar.

Life is Strange
Grafik/Präsentation
88
Story/Atmosphäre
92
Gameplay
80
Spielspaß
90
Leserwertung3 Bewertungen
97
88