Final Fantasy XV – Das langersehnte Fantasyepos im Test

Schon 2006 wurde Final Fantasy Versus XIII für die damals hochmoderne PS3 Konsole vorgestellt. Doch es sollten noch 10 Jahre und eine Konsolengeneration vergehen, bis das Spiel unter seinem neuen Namen Final Fantasy 15 am 29.11. nun doch endlich für die PlayStation 4 und Xbox One erschienen ist. In dieser Zeit hat sich viel getan. Das Phänomen Videospiele ist in dieser Zeit endgültig im gesellschaftlichen Mainstream angekommen, Breitbandinternet und Smartphones haben die Art des Konsum- und Spielverhaltens maßgeblich verändert und neue Spiele IPs wie Call of Duty und Assassins Creed buhlten mit größtenteils jährlich erscheinenden Fortsetzungen um die Gunst von Millionen von Spielern. Der Name Final Fantasy musste in dieser Zeit einiges an Prestige einbüßen. Stand der Name früher für fernöstliche Rollenspielunterhaltung erster Güte, so gingen die Meinungen der Kritiker beim symbolträchtigen 13. Teil und seinen Seriennachfolgern auseinander. Der 14. Teil der Reihe erfuhr als Onlinerollenspiel nach seiner Erstveröffentlichung im Oktober 2011 auf Grund von gravierenden Gameplay- und Serverproblemen sowie teils vernichtenden Rezensionen einen kompletten Relaunch der erst im Jahr 2013 die Fans einigermaßen zufrieden stellte. Auch um Final Fantasy Versus XIII stand es lange Zeit nicht gut. Manchmal vergingen ganze Jahre, ohne dass man nennenswerte News hörte, teilweise machten sich sogar Gerüchte um eine Einstellung des Titels breit. Erst im Jahr 2013 gab es im Rahmen von Sonys E3-Pressekonferenz handfeste Neuigkeiten zum bis dato schon vergessenen Serienableger. Das Spiel sollte nun ein vollständiger Serienteil werden und wurde kurzum in Final Fantasy XV umgetauft. Doch auch von da an sollte es nochmal weitere drei Jahre dauern, bis wir endlich alle selbst Hand an das einst totgeglaubte Rollenspiel anlegen durften. Ob dem Spiel die lange Wartezeit gut getan hat und die teils lange leidenden Fans nach einer Reihe der Enttäuschungen zufriedenstellen wird, versuchen wir im folgenden Test rauszufinden.

Startschwierigkeiten

Allein das Eingangsintro von Final Fantasy XV hat schon einen symbolhaften Charakter, in dem sich die Entwicklung des Spiels widerspiegelt. Unsere vier Hauptcharaktere, angeführt von Noctis dem Kronprinz des Königreichs Lucis, haben eine Panne mit ihrem schicken Wagen der Regalia-Klasse. Statt also heroisch in ein neues Abenteuer zu starten, heißt es erstmal die Edelkarosse zur nächsten Tankstelle zu schieben und wieder auf Vordermann zu bringen. Als seien das nicht schon genug Probleme, hat unser Prinz nicht mal das nötige Kleingeld, um die Reparatur des Wagens zu bezahlen. Doch die knapp bekleidete Mechanikerin Cindy bietet uns dankenswerterweise für ein paar Nebenaufgaben das nötige Geld an. Also machen wir uns mit unserer Heldentruppe auf den Weg durch die Wüste, auf der Suche nach den Monsterschergen. Hier lernen wir auch direkt die offene Spielwelt von Final Fantasy 15 etwas genauer kennen. Die Areale sind vor allem im Anfangsbereich sehr weitläufig, bieten aber aufgrund der etwas kargen Steppenlandschaft wenig an Schauwerten. Die zu erledigenden Monster, die uns praktischer Weise als Missionsziele auf der Minikarte und per Hud jederzeit angezeigt werden, lassen sich auch schnell auffinden und ohne größere Schwierigkeiten besiegen.

An bestimmten markierten Stellen können wir auch ein Campinglager errichten. Doch anders als in früheren Final Fantasy Teilen, wo das „Zelt“ lediglich als ein Item in Inventar auftauchte und per Auswahl die komplette Mannschaft innerhalb einer Sekunde vollständig heilte, wird hier im ganz großen Stil alles bis ins kleinste Detail zelebriert. Unser großer bulliger Recke Gladiolus stellt entspannt das Zelt auf, der etwas stoische Ignis überlegt sich ein leckeres Abendmahl für unsere Truppe und Prompto, unser Hobbyfotograf, präsentiert uns bei gemeinschaftlichen Lagerfeuertratsch seine Bilder des Tages. Nebenbei werden uns noch ein paar Szenen von entspannten Gesprächen oder lustigen Kartenspielen gezeigt. Bei so viel Lagerfeuerromantik könnten wir fast unseren Hauptauftrag vergessen. Eigentlich war unser Kronprinz zu seiner Hochzeit mit Prinzessin Lunafreya verabredet. Was zunächst sehr romantisch klingt, dient vorwiegend jedoch als politisches Mittel, um einen Friedensvertrag zwischen den verfeindeten Staaten Lucis und Niflheim auszuhandeln. Die Lage ist also im Prinzip etwas prekärer, als es die Stimmung während unserer Ausflüge in die Wildnis vermuten lässt. Gerade im späteren Verlauf des Spiels, wenn sich die teils dramatischen Ereignisse der Haupthandlung überschlagen, wirkt die fröhliche Lagerfeuerstimmung, sowie die Smalltalkeinlagen während unserer Autofahrten befremdlich, ja manchmal sogar störend. Die offene Spielwelt stellt sich mit ihrer Inszenierung der Unbedarftheit in diesen Momenten leider als ein schlechter Regisseur heraus, die uns Spielern immer wieder immersive Knallbonbons entgegenwirft, welche auf der einen Seite unterhalten wollen, während sie auf der anderen Seite jedoch die Haupthandlung in ihrer eher ernsten Stimmung stören.

Leider kommen auch die erwähnten Nebenmissionen nie über die DHL’schen „Hol und Bringe“ oder „Gehe hin und Töte XY Monster“ -Missionen hinaus. Das nutzt sich gerade in Kombination mit der etwas abwechslungsarmen Wüstenlandschaft schnell etwas ab und wurde zumindest mir nach kurzer Zeit etwas langweilig. Also machte ich mich geschwind daran, die offene Spielwelt links liegen zu lassen, um die interessante Hauptgeschichte weiter voranzutreiben.

Cool chaotisch. Die Kämpfe

Während der ersten Nebenmissionen haben wir genug Zeit, uns mit dem neuem Kampfsystem auseinander zu setzen. Dieses läuft, anders als in den Vorgängerteilen nicht mehr rundenbasiert ab, sondern in Echtzeit. Durch Drücken der Angriffstaste führen wir einfache Attacken aus, die durch Halten zu ganzen Angriffswellen kombiniert werden können. Brechen wir unsere Angriffswelle ab, können wir im richtigen Moment eine „Final“-Attacke ausführen, die, je nach Waffe, neben erhöhtem Schaden auch andere Eigenschaften auslöst. Gegnerischen Attacken können wir durch Halten der Ausweichtaste entgehen. Dies kostet Noctis jedoch immer einen gewissen Teil an Magiepunkten, ein dauerhaftes Halten der Ausweichtaste führt also je nach Art und Anzahl der Gegner schnell für leere Magiebalken, die wir für andere Aktionen sinnvoller gebrauchen könnten. Hier ist vor allem die Warp-Attacke eine besonders effektive Methode Gegner konsequent auszuschalten. Noctis kann einzelne Gegner aus vermeidlich sicherer Ferne anvisieren und per Warp schnurstracks auf sie zufliegen und dabei eine Attacke ausführen, die gehörigen Schaden verursacht. In manchen Landschaftsabschnitten ist es sogar möglich, sich auf Anhöhen wie Hügel oder Strommasten zu teleportieren und aus sicherer Höhe auf Gegner herabzustürzen. Natürlich kann diese Warp-Fähigkeit auch als Ausweichmanöver genutzt werden.

So faszinierend und abwechslungsreich das alles auch klingen mag, so chaotisch können die Kämpfe manchmal werden. Besonders bei größeren Gegnerscharen verliert man schnell mal die Übersicht im Kampfgetümmel. Es braucht daher einiges an Zeit und Eingewöhnung, bis man seinen Spielstil gefunden und alle Feinheiten des Kampfsystems verinnerlicht hat. Auch schade, dass wir unseren drei Begleitern, bis auf einige wenige Spezialmanöver, nie direkt Befehle geben können. Zwar agieren sie nicht fahrlässig, aber hin und wieder hätte ich mir bei meinen Kämpfen doch ein etwas clevereres Verhalten gewünscht.

Was man Square jedoch lassen muss, ist die Inszenierung und grafische Opulenz während der Gefechte. Besonders Magiesprüche wirken auf höheren Stufen sehr beeindruckend. So kommt beispielsweise das Auslösen des Magiespruchs „Eisra“ einem kleinen Schneesturm gleich, der selbst die nähere Umgebung kurz in eine kleine Winterlandschaft verwandelt. Feuermagie explodiert in eindrucksvoller Weise und legt den Ort der Spruchauslösung buchstäblich in Asche.

Starke Entwicklung

Das Aufleveln der Charaktere erinnert in seinen Grundstrukturen an das Sphärobrett aus Final Fantasy 10. Während sich Magie- und Lebensenergie noch automatisch steigern, kosten neue Kräfte oder Techniken Fähigkeitspunkte. Allerdings sind die Skillbäume nicht ineinander verzweigt, sondern einzeln anwählbar. Neue passive sowie aktive Fähigkeitspunkte benötigen auch recht schnell viele neue Erfahrungspunkte, so dass es gerade am Anfang des Spiels so gut wie unmöglich ist, sich eine “Kampfallroundergruppe” zu kreieren. Vielmehr sollte der Fokus darauf liegen, sich auf seine Vorlieben bei Kämpfen zu spezialisieren. Nutze ich oft die Warp-Angriffe und Stärke dieser Effekte oder verbessere ich doch lieber meine Gruppenfähigkeiten, um stärkere Kombiangriffe auszuführen? Ihr entscheidet. Tatsächlich werden die Kämpfe im weiteren Verlauf des Spiels stellenweise auch recht fordernd, so dass sich gelegentliches Aufleveln immer lohnt.

Allerdings erhalten wir unsere Erfahrungspunkte nicht direkt nach jedem siegreichen Kampf, sondern erst, wenn sich unsere tapferen Helden ein Zelt zum Übernachten aufschlagen oder ein Hotel für die Nacht buchen. Teure Hotelübernachtungen können sich tatsächlich als lohnend erweisen, denn der Komfort eines wohlig, weichen Bettes, statt Schlafsack auf Steinboden, scheint den Erfahrungswerten unserer Figuren gut zu bekommen, was sich durch einen Multiplikator auf unsere am Tag gewonnenen Erfahrungspunkte widerspiegelt.

Neben den klassischen aktiven und passiven Kampffähigkeiten verfügt jede unserer Figuren noch über eine besondere Eigenschaft. Ignis, der Koch der Gruppe, stellt uns vor jedem Lagerfeuer je nach Wunsch und Vorrat ein Essen zusammen. Das klingt zunächst etwas unspektakulär, doch bringt eine gut zubereitete Mahlzeit viele Vorteile mit sich, die sich je nach Zubereitungsform unterscheiden, beispielsweise höhere Statuswerte oder Resistenzen gegen bestimmte Zustandsveränderungen. Gerade vor Bossgegnern kann eine reichhaltige Mahlzeit kampfentscheidend sein. Gladiolus, unser Kampfhüne, ist für die Errichtung unseres Lagers zuständig und bietet zudem Noctis immer wieder Kampftrainings an. Promto schafft es, trotz teils widriger Umstände, immer wieder Fotos zu schießen, welche er dann abends bei brennendem Lagerfeuer unserer Truppe präsentiert. Die besten Schnappschüsse können in ein Album gespeichert werden oder sogar auf unseren Facebook-Account hochgeladen werden. Noctis stellt sich als leidenschaftlicher Hobbyangler heraus. So ist es ihm möglich an bestimmten Stellen des Spiels die Angelrute auszuwerfen und auf Fischfang zu gehen. Die Fische können für bestimmte Mahlzeiten zubereitet oder gewinnbringend beim Händler verkauft werden.

So befremdlich und unnütz ich manche der Fähigkeiten zu Beginn des Spiels empfand, so sehr sind sie mir doch mit der Entwicklung der Story und unserer Hauptfiguren ans Herz gewachsen. Das brauchte alles etwas Zeit doch spätestens ab Kapitel 3, wenn sich die Hauptstory aufgebaut und die ersten Eigenarten und Motivationen von Noctis und Co. Konturen annehmen und sich eine interessante Gruppendynamik entwickelt, baut man tatsächlich auch einen Bezug zu den Figuren auf. Da nehme ich auch die ein oder anderen Japano-Klischees in Kauf.

Auto!? Ich nehme lieber den Vogel!

Mit Beginn des dritten Kapitels werden auch die Strecken zwischen einzelnen Missionszielen immer größer und weitläufiger. Die Steuerung unseres Regalia stellt sich dabei als nichts Halbes und nichts Ganzes heraus. So lenkt unser Auto in Kurven automatisch mit und wir können uns auch nur auf Straßen mit ihm bewegen. Da neue Strecken beim erstmaligen Anfahren nicht per Schnellreisefunktion erreicht werden können, kann sich eine Fahrt von A nach B durchaus auch mal drei bis vier Minuten ziehen. Glücklicherweise können wir während der Spritztouren, neben den mal mehr mal weniger gelungenen Konversationen zwischen den Hauptfiguren, auch alte Final Fantasy Tracks vergangener Tage auflegen und ich muss gestehen, es hat mir schon ein kleines Grinsen ins Gesicht gezaubert, während einer Autofahrt Ignis als Autopilot fahren zulassen und dabei die Aussicht zu genießen, während dazu „One Winged Angel“ aus der Anlage tönt.

Wer lieber die Wildnis von Final Fantasy XV abseits der asphaltierten Wege erkunden möchte, kann das entweder mühselig zu Fuß machen oder sich einen Chocobo mieten. Diese kultigen Reittiere dürfen natürlich auch im neusten Teil der Reihe nicht fehlen und stellen sich schon während des erstmaligen Benutzens als äußerst praktisch heraus. Mit ihrer Hilfe können kleinere Hürden übersprungen werden und Abkürzungen zwischen den Missionszielen schneller erreicht werden als mit dem Regalia.

Im weiteren Verlauf des Spiels nehmen auch die Städte und Orte unserer Reise an Schauwerten merklich zu. Nutzt sich die anfängliche Wüstenlandschaft schnell ab, so bietet allein schon Cleigne mit seinen Berglandschaften und den beeindruckenden Meteorkrater tolle Panoramaaufnahmen, die Promtos Fotoapparat heißlaufen lassen. Auch die Stadt Altissia, die an ein verträumtes Venedig erinnert, zeigt die alten Stärken von Square auf. Bezüglich Optik und Abwechslungsreichtum kann den Rollenspielvätern aus Fernost so schnell niemand was vormachen. Schade nur, dass so gut wie alle NPCs und Händler sehr strikte und eingeschränkte Verhaltensweisen aufzeigen. Sollte sich Square in künftigen Ablegern der Serie auch weiterhin im Segment der Open World-RPGs etablieren wollen, wäre etwas Inspiration bei Bethesda und CD-Project empfehlenswert, da diese Herrschaften es schaffen, jede Stadt auch mit interessanten Figuren und somit mit Leben zu füllen.

Die Frage ist jedoch, ob Square dies überhaupt nötig hat, denn das Erzählen von spannenden und tragischen Geschichten beherrschen sie ebenfalls nach wie vor. Zwar laufen die letzten fünf Kapitel des Spiels sehr linear ab, doch dafür nimmt der Spannungsbogen und dramatische Verlauf der Geschichte nochmal merklich zu.

Fazit

Square hat mich wieder! Das war nach dem für mich persönlich mehr als vergeigten 13. Teil der Reihe kein allzu schweres Unterfangen, doch waren Enttäuschung und Erwartungshaltung recht groß. Die Rollenspielentwickler haben sich sichtlich Mühe gegeben, sowohl enttäuschte Fans als auch Neueinsteiger zufrieden zu stellen. Leider schießt Final Fantasy XV dabei manchmal übers Ziel hinaus, denn die offene Spielwelt wirkt oft wie ein überdimensionales Beiwerk, das die wahren Stärken des Spiels verdeckt. Da wären zu einem die Hauptcharaktere rund um Noctis und ihre Beziehung zueinander. Was anfangs noch wie ein Boyband-Roadtrip anmutet, entpuppt sich später als dramatisch epische Geschichte mit einigen tollen inszenatorischen Höhepunkten. Klar gibt es hier und da auch eine gehörige Portion Kitsch und Schmalz, doch bin ich der Meinung, dass diese Eigenschaften eben auch zu einem Final Fantasy gehören und dadurch auch eine gewisse Eigenständigkeit und angenehmen Wiedererkennungswert haben. Die Nebenmissionen laufen leider nach routinierten MMORPG-Prinzipien ab und die meisten NPCs bleiben im Vergleich zu den Hauptfiguren verhältnismäßig blass. Gerade weil im späteren Verlauf des Spiels tolle Landschaftsbilder zu bestaunen sind und sich die Städte architektonisch sehr fantasievoll voneinander unterscheiden, wäre es umso reizvoller gewesen, sie auch mit interessanten Figuren und Missionen zu füllen.

Final Fantasy XV
Grafik/Präsentation
87
Story/Atmosphäre
89
Gameplay
80
Spielspaß
85
Leserwertung0 Bewertungen
0
85