D00Ms Retro Stunde: Secret of Mana

Es war einmal vor langer Zeit… Worte, die viele noch aus der Vergangenheit ihrer Kindheit in Erinnerung haben sollten. In unserer neuen Rubrik bei GamingNerd geht es auch um die Vergangenheit. Es geht um die längst vergangenen Zocker-Tage und die jungen ersten Schritte einer Branche, die heute mehr Umsatz generiert als die hochglänzend-polierten Filmfabelwelten aus Hollywood. Videospiele waren in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern längst nicht so populär und weit verbreitet wie sie es heutzutage sind. Die Kundschaft bestand fast ausschließlich aus Kindern und Teenagern. Doch wer waren die Vorfahren der heutigen Geld druckenden Entertainment-Monster in HD-Gewändern für vornehmlich erwachsene Zocker? Eine kleine Gruppe aus alteingesessenen Spielern trifft sich regelmäßig zur geselligen Retro-Runde im Herzen der Domstadt Köln, spielt alte Klassiker durch, schwelgt in Erinnerungen und fachsimpelt darüber wie sich die Retro-Perlen heute noch spielen lassen und möchte euch daran teilhaben lassen. Welche unliebsamen Elemente sind aus damaliger Zeit verschwunden? Was findet man auch heute in den modernen Spielen wieder und diente vielleicht als Inspiration für aktuelle Werke? Den Start der Serie beginnt mit einem echten Schwergewicht der klassischen Rollenspielhits aus Fernost – Secret of Mana.

 

Retro-Secret-of-Mana1Secret of Mana feierte in Europa sein Debüt auf dem Super Nintendo am 24. November 1994. Damals war ich zwölf Jahre alt und hatte mit japanischen Rollenspielen, mit Ausnahme von Mystic Quest Legends, noch überhaupt keine Erfahrungen auf diesem Gebiet. Doch schaffte es dieses Rollenspiel-Light, wie es viele nennen, mich gleich in seinen Bann zu ziehen. Dann tauchte Secret of Mana auf der Bildfläche auf. Die Tests der damaligen Videospielmagazine lobten den Titel über den Klee und vergaben Traumnoten. Da es damals noch kein Internet für den häuslichen Gebrauch gab, musste man sich auf die Empfehlung der Fachmagazine und der eigenen Einschätzung der abgedruckten Screenshots verlassen. Ich bin ehrlich, Secret of Mana wirkte auf mich wie eine Art Zelda: A Link to the Past. Das war Ausschlag genug, es von den Eltern kaufen zu lassen. Heute und rückwirkend möchte ich meinem zwölfjährigen Ich gerne sagen, dass der Zelda-Vergleich zwar Humbug war, die Entscheidung, basierend auf dem Bauchgefühl, aber dennoch sehr richtig gewesen ist. Nun ist es Januar 2015, ich bin mittlerweile 32 und stehe mit meinen eingangs erwähnten Retro-Jungs wieder vor der Entscheidung, welches Projekt wir als nächstes angehen werden. Die Wahl fällt auf Squaresofts frühes Meisterwerk. Abgestimmt wird wiederum modern, per Whatsappgruppe. Samstagnachmittag ist es dann traditionell soweit. Dank Bundesligapause geht der Retro-Spaß schon am früheren Nachmittag los. Der Alkohol steht kalt und griffbereit, naturgekühlt auf der Terasse, die Snacks sind extra nerdig ungesund und eine große Pizza-Bestell-Webpage ist ebenfalls für später geöffnet.

Da sitzen wir nun, die alten Semester, die spieletechnisch schon soviel gesehen, gespielt und gemeistert haben. Die Runde ist bunt gemischt. Ich, als Autor dieser Zeilen, finde meine Erfüllung heutzutage in Shootern und generell Action-basierten Spielen, in denen es knallt und zischt. Der Rest der Runde mag lieber Rollenspiele, Prügelspiele oder ist gefangen in Blizzards Welt, wo Diablo zum dritten Mal nach der Vernichtung der Menschheit und den Engeln trachtet. Gemeinsam haben wir jedoch, dass wir alle damals Secret of Mana gespielt haben. Und wir alle haben verschiedene Erinnerungen an das Mana-Land. Meine Gedanken kreisten sich sofort um den Tiger im Hexenwald. Mit der hartnäckigen Samtpfote der bösen Hexe verbinde ich unangenehme Erinnerungen. Als Kind hatte ich dort doch die ersten Schwierigkeiten im Spiel und ich war neugierig, ob das heute auch so sein wird. Meine Mitspieler tun diesen Boss zu meiner Verwunderung als leicht und ungefährlich ab, ich höre weiter skeptische Stimmen in meinem Kopf – zu unrecht wie sich später herausstellen sollte. Oder die Walnüsse, die scheinbar mit Gold gefüllt sein müssen – anders lassen sich die knackigen Preise sonst schwer erklären. Besonders der Wucherkater übertreibt gerne mit seiner Gewinnmarge und will uns die meisten Items 200% über dem üblichen “Gasthaus-Listenpreis” vertickern.

 

Retro-Secret-of-Mana3Vergleichsweise billig ist die Schnellreisefunktion, einer der wohl größten Familien der Videospielhistorie. Canoni und seine 23 Brüder könnten nicht nur gegeneinander Fussball spielen, sondern bieten euch eine der wohl denkbar unbequemsten Reisemöglichkeiten überhaupt an. Denn der Name ist Programm: Ihr werdet mit einer alten Vorlader-Kanone quer über die Weltkarte geschossen und landet wie durch Zauberhand unversehrt am gewünschten Ort. Der legendäre Lindenstraßen-Spruch hatte sich ebenfalls in mein Gedächtnis gebrannt. Doch offensichtlich glaubt Big-N, dass die Kinder von heute diese Serie von damals nicht mehr kennen. Denn die Zubereitung, in der ihr im Kochtopf als Hauptzutat herhalten sollt, wird in der Virtual Console-Version nicht von der erwarteten Lindenstraße unterbrochen. Die kanibalistisch veranlagten Kobolde wollen in der heutigen Zeit lieber “zum Fussball” gehen. So blicken wir erwachsenen Nerds ein wenig bedröppelt herein und empfinden die Änderung fast schon als gemeine Majestätsbeleidigung. Aber um beleidigt zu sein, bleibt keine Zeit – schließlich haben wir drei heute noch die Mission “Weltrettung” und Bier trinken zu erledigen. Na gut, heute wird das dank Zeitmangel nichts mehr mit der Rettung der Welt, aber das Bier schaffen wir sicher. In den vorherigen Sessions hatten wir uns auch meistens Spiele ausgesucht, die sich an einem langen Abend bis zum Ende spielen lassen. Secret of Mana wird da eher mehrere Abende benötigen. Zumindestens die Gegnernamen sind unverändert lustig. Der gemeingefährliche Pogopuschel ist ebenso wieder mit von der Partie wie der Tomatenmann und die Killerwespe. Dank der Virtuel Console auf der Wii U lässt sich das Spiel glücklicherweise zu dritt spielen. So bleibt die Original-Hardware im Schrank und es weht ein Hauch Moderne durch den Retro-Abend.

Nach dem Intro werden wir als Spieler auch schon direkt ins Spielgeschehen geworfen. Wir übernehme die Rolle eines Teenagers, der in Quelldorf als Waise beim Dorfältesten aufgewachsen ist. Ein bisschen trottelig scheint er zu sein. Jedenfalls wird er gleich zu Beginn von den anderen Kids gemobbt und stürzt zu allem Überfluss auch noch von der Brücke in den Fluss. Wie schon in der Saga um King Arthur entdeckt unser Held daraufhin das legendäre Mana-Schwert am Flussrand und versucht es kurzer Hand aus seinem steinernen Gefängnis zu befreien. Zu seiner eigenen Überraschung gelingt ihm das Vorhaben und er läutet damit den Start in (s)ein rund 30-stündiges Abenteuer ein. Nach erfolgreicher Rückkehr ins traute Heim, zeigen sich die Menschen recht undankbar und erklären uns aufgeregt, dass wir mit unserer Tat den Schutz des Dorfes und der gesamten Welt gegenüber den Monstern aufgehoben haben. Zum Dank verbannen uns die Menschen aus Quelldorf sehr humorlos aus ihren Reihen – Diskussion unerwünscht. Ein Warnschild am Schwert hätte das ganze Schlamassel wohl verhindern können – selber schuld könnte man da auch sagen. Dass wir nur ein tollpatschiger, ca. 14-jähriger Bengel sind, der nun alleine die Welt retten soll, ist den Dorfbewohnern scheinbar egal. Eigentlich ein klarer Fall für das Jugendamt oder die Super Nanny. Im Laufe des Abenteuers lernen wir zum Glück neue Gefährten kennen, die uns unter die Arme greifen möchten. Gut, das sind auch alles nur Kinder, aber diesen Umstand zu ignorieren, fällt einem nach zwei Gläsern Rum-Cola schon etwas leichter. Das Spiel lässt sich zu dritt im lokalen Koop an einer (virtuellen) Konsole herrlich spielen. Damals benötigte man hierfür den Mehrspieler-Adapter, den aber kaum jemand besaß, da es nur wenige Spiele gab, die von dieser revolutionären Technik Gebrauch machten. Ich persönliche habe die knapp 60 Mark auch lieber in ein neues Modul investiert – sollten doch andere das Teil kaufen, tat aber niemand.

 

Retro-Secret-of-Mana2Auf der Virtual Console brauchen wir heute lediglich drei Classic-Controller der Wii, um gemeinsam die Welt vor den Monstern zu retten. Und das macht aktuell fast noch mehr Spaß als damals. Oberflächlich wirkt das Kampfsystem wie das eines normalen Action-RPGs. Doch es steckt mehr dahinter. Sinnloses auf den Feind kloppen bringt euch nicht weiter, da ihr nach einem Schlag, wie auch im echten Leben, erstmal neue Kraft sammeln müsst. Angezeigt wird euch dieser Umstand in Form eines Zeitbalkens, der sich nach einem Hieb zunächst wieder bis 100% füllen muss. Langt ihr zu früh zu, verursacht ihr nur sehr kümmerlichen und unbrauchbaren Schaden. Weiter im Hintergrund laufen mehr Rollenspiel-typische Berechnungen, als man denkt, ab: Generell schlagt ihr mit unterschiedlichen Trefferpunkten zu, die Genre-typisch über euren Feinden angezeigt werden. Kritische Treffer sind Faktoren abhängig und werden von eurem Level und dem der Gegner errechnet. Für erledigte Gegner erhaltet ihr Erfahrungspunkte, die euch im Level aufsteigen lassen. Mehr Lebenspunkte, mehr Stärke, mehr von Allem lassen euch immer mächtiger werden. Später erhaltet ihr zudem noch verschiedene Zauber und Waffen, die es ebenfalls zu Leveln gilt.

Das alles war 1994 Neuland. Heute würde man es wohl als eine Art Rollenspiel-Light bezeichnen – wie damals Mystic Quest Legends. Es gibt nicht allzu viele Charakterwerte und das Farmen der Erfahrungspunkte geht schnell von der Hand – ist aber notwendig, um geschmeidig durchs Spiel zu kommen. Secret of Mana verlangte als Spiel damals zum ersten Mal von mir ständig die selben Monster zu töten, um eine bessere Chance gegen den nächsten Endgegner zu haben. In modernen Spielen basiert die Stärke der Bosse nun oftmals auf den Werten eurer Heldengruppe und intensives Farmen ist nicht mehr notwendig. Der geneigte Rollenspieler von heute ist wohl faul geworden. Das Prinzip, euren Charakter stetig aufzuleveln, um besser voran zu kommen, findet jedoch auch in manchen Titeln noch Anklang. Welches Prinzip nun besser ist, liegt wohl am persönlichen Geschmack. Manche stören sich am “stupiden” Farmen, für andere ist es eine gute Methode zum geistigen Abschalten und seinen Charakter “wachsen” zu sehen. Wir haben auch darüber diskutiert und kamen zum Ergebnis, dass ein wenig Farmen schon Spaß machen kann, solange es eben locker von der Hand geht. Und mal ehrlich: Ich war damals stolz wie ein Olympiasieger, als ich meinen Freunden eines Tages meine Level 99 Party in Final Fantasy 7 präsentieren konnte. Dazu habe ich unzählige Stunden im Krater verbracht und dort wohl ganze Populationen an Getier ausgerottet. Mit fast schon meditativer Gelassenheit bestritt ich Kampf um Kampf, um meinem gesetzten Ziel Stück für Stück näher zu kommen. Hat man das nächste Level schließlich erreicht, winkte neben der Verbesserung der eigenen Truppe eben auch das befriedigende Gefühl, eine weitere Etappe auf dem steinigen Weg geschafft zu haben. Komm, nur noch fünfzehn Level. Anspruchsvoll ist dieser Vorgang an sich kein bisschen, er wirkt aber auf viele Menschen eine Art Faszination aus und lässt sie geduldig Stunde um Stunde das Selbe tun. Der eingangs erwähnte Diablo-Freund Chris kann nicht nur ein Lied, sondern ein ganzes Album davon singen.

Retro-Secret-of-Mana4Man kann Secret of Mana natürlich auch ohne Farmerama schaffen. Im Grunde kann man sich auf diese Art den Schwierigkeitslevel selber einstellen. Mit der heutigen Erfahrung ist das Spiel sowieso eine ganze Ecke leichter. Redaktionskollege Patrick kennt noch alle Wege und weiß immer schon vorher wohin wir müssen. Ich glaube, er hat vorher bei Youtube gespickt. Nach 8 Stunden ist nur einmal ein Game Over auf dem Bildschirm zu lesen. Schuld daran war der Endgegner “Die Dämonenwand”. Unser “Koboldmädchen” Sebastian versenkte all seine Magiepunkte in Form von Schlammbomben gleich zum Start in das mittlere Auge. Das rechte und linke Auge heilte derweilen ihren Kumpel in der Mitte wieder gesund und die Wand schob uns wegen des zu geringen Schadenoutputs zum Ende des Kampfes fröhlich und gut gelaunt in die Stacheln.

Umständlich ist heute jedoch das Handling der Menüführung des Spiels. Die praktischen Schnellwahltasten, wie man sie mittlerweile kennt, gab es damals leider noch nicht. So sind grad die Zaubersprüche nur sehr umständlich mit gefühlten zehn Klicks über das Ringmenü zu erreichen und zwingen die Mitspieler zum Warten oder Bier trinken (hat man kein Bier parat, bleibt nur das Warten – blöd). Dieser Umstand fällt aber aufgrund der sonst sehr guten Spielbarkeit nicht weiter ins Gewicht und stört unseren Gesamteindruck überhaupt nicht. Wir haben genug gelevelt, spätestens nach einem entspannenden, rund einstündigen Aufenthalt im Wald der Vierjahreszeiten sind wir unseren Gegnern mehr als nur einen Schritt voraus und beenden unseren ersten Abend in der Welt von Secret of Mana zudem mit übermäßig viel GM – der Währung im Spiel. Wir werden jedoch wiederkehren und freuen uns auf den Kampf mit dem Manadrachen und den weiteren Bossen, die im Spiel auf uns warten und unsere Erinnerungen auffrischen werden. Soviel verrate ich schon einmal: Secret of Mana ist nicht umsonst ein Meilenstein, ein Klassiker und ein kleines bisschen auch ein Wegbereiter für zahlreiche Nachfolger, die nach 1994 noch kommen sollten. Ebenfalls noch kommen werden viele weitere Retro-Abende mit ebenso vielen verschiedenen 8 und 16 Bit Hits aus dem letzten Jahrtausend. Schon jetzt freue ich mich auf das nächste Treffen und den nächsten Artikel, der aus diesem nerdig-romantischen Date entstehen wird. Ein Retro-Blog für Pixel-Liebhaber der alten Schule oder auch Videospiel-Frischlinge, die nicht das Glück hatten und einfach zu spät das Licht dieser Welt erblickten, um sich an den Fundamenten aus Bits und Bytes früherer Tage zu erfreuen. Ich würde mich freuen, wenn ihr meine verrückte kleine Truppe und mich 2015 auf den alten ausgetrampelten Pfaden von Mario, Samus, Mega Man und Co. auf unserer Zeitreise begleitet und dabei so viel Spaß habt wie wir.