Kolumne: Meine erste Woche mit der PlayStation VR

Seit einer Woche bin ich Batman. Und Tiefseetaucher. Und Raumschiffpilot. Alles dank der PlayStation VR und alles bei mir zuhause im Wohnzimmer. Ist sie damit da, die Zukunft des Gaming? Oder ist Virtual Reality nur ein überteuertes und unnötiges Gimmick? Let’s take a look.

Eine persönliche Erfahrung

Virtual Reality (VR) ist sehr persönlich. Durch Headset und Kopfhörer ist man abgeschirmt von seinem Umfeld und alleine mit der virtuellen Welt. Personen reagieren sehr unterschiedlich darauf. Für den Einen ist es eine umwerfend immersive Erfahrung, während der Andere sich fragt, was der ganze Hype soll. Auch körperlich wird VR unterschiedlich erlebt. Manchen wird schon bei der kleinsten virtuellen Bewegung schlecht, während andere körperlich völlig unbeeinträchtig durch die virtuellen Weiten rasen können. Es läuft also darauf hinaus, dass man es selber ausprobieren muss. Aber erstmal: Was ist dieses VR überhaupt, was macht man damit und wie gut kann es das?

PlayStation VR

Die PlayStation VR (PSVR) ist ein sogenannes Virtual Reality Head-Mounted Display oder kurz: VR-Brille. Eine VR-Brille ermöglicht es, sich in einem virtuellen Raum umzuschauen und sich – in beschränktem Maße – darin zu bewegen. Erreicht wird das durch eine Kombination von unterschiedlichen Bildern pro Auge, gekrümmten Linsen und Bewegungssensoren.

Um eine PlayStation VR zuhause betreiben zu können, braucht man:

  • Eine PlayStation 4
  • Eine PlayStation 4 Kamera
  • Das PlayStation VR-Paket (beinhaltet die VR-Brille, die sogenannte Prozessoreinheit, viele Kabel, ein Paar In-Ear-Kopfhörer, eine Anleitung zum Aufbau und eine Demo Disc)
  • Optional: zwei PlayStation Move Controller

Das PlayStation VR-Paket kostet 399 €.

Setup AKA Frankensteins Verkabelung

photo-kolumne-playstation-vr-07Die PSVR kommt mit fünf Kabeln und der Prozessoreinheit. Die Prozessoreinheit wird mit zwei HDMI-Kabeln zwischen PlayStation 4 und den Fernseher gekabelt und muss seperat an den Strom angeschlossen werden. Die PlayStation 4 Kamera wird auf der Rückseite der PlayStation eingesteckt und dann auf oder unter dem Fernseher platziert. Jetzt noch ein USB-Kabel von der Rückseite der Prozessoreinheit zur Vorderseite(!) der PlayStation 4 geführt und fertig ist die Stolperfalle. Damit könnt ihr euch von einem der beiden USB-Anschlüsse auf der Vorderseite dauerhaft verabschieden (zumindest bei der klassischen PS4-Variante; die PS4-Varianten Slim und Pro haben noch einen USB-Anschluss auf der Rückseite). Tipp: USB-Hub an den verbleibenden Anschluss und man kann weiter mehrere Controller gleichzeitig laden.

Von der Prozessoreinheit führt schließlich noch ein dicker Kabelstrang zur eigentlich VR-Brille. Ja, dieses Kabel hängt an einem runter, wenn man die PSVR benutzt. Das ist zwar lästig, aber im Moment bei allen High End Virtual Reality-Systemen Standard.

Bildschirm und Grafik

Die PSVR-Brille verfügt über einen 5.7 Zoll großen Full HD OLED-Bildschirm, der auf beide Augen aufgeteilt wird. Für jedes Auge bleiben also gerade mal 960×1080 Pixel. Dass so ein Bildschirm, der nur wenige Zentimeter vom Auge entfernt sitzt, kein gestochen scharfes Bild liefern kann, muss einem klar sein. Doch Pixel sind nicht gleich Pixel. Jeder, der schon einmal eine VR-Brille benutzt hat, kennt den sogenannten Fliegengitter- oder Screen-Door-Effekt (SDE): die mehr oder weniger deutlich sichtbaren Trennlinien zwischen den einzelnen Pixeln, die als störend empfunden werden. Dieser Effekt fällt bei der PSVR sehr gering aus, was am verbauten RGB-LED Display liegt. Die weiteren technischen Details spare ich mir hier (wer möchte kann googeln; Stichwörter: RGB, PenTile, SDE und VR).

Trotzdem bleibt die Darstellung der Spiele hinter dem zurück, was man von der aktuellen Konsolengeneration gewohnt ist. Wie sehr einen das stört… hier sind wir wieder bei der persönlichen Erfahrung: das kommt auf das Individuum an. Entweder man vergisst über die immersive Erfahrung hinweg die „schlechte“ Grafik völlig oder sie stört einen so sehr, dass erst gar keine Immersion aufkommt.

Motion Tracking

Aktuell gibt es für PSVR-Spiele drei verschiedene Steuerungsvarianten:

  • Steuerung nur durch die Bewegung des Kopfes, etwa zum Umschauen während einer passiven Experience (z. B. Ocean Descent) oder zum Bewegen von On Screen-Elementen (z. B. Danger Ball)
  • Steuerung mit dem Dualshock 4 Wireless-Controller, zum Beispiel zum Bewegen und Lenken eines Mechs in Scavengers Odyssey
  • Steuerung mit zwei PlayStation Move-Controllern (seperat erhältlich), mit deren Hilfe sich zwei Hände in der virtuellen Welt simulieren lassen, z. B. in London Heist

Bei allen drei Varianten zeigt sich die größte Schwäche von PSVR: das Motion Tracking. Es erfolgt durch eine Kombination aus Bewegungssensoren und der Erkennung der LED-Lichtelemente an den einzelnen Steuerelementen durch die PlayStation Kamera. Letztere sorgt für Probleme. Ist es im Raum zu hell oder zu photo-kolumne-playstation-vr-02dunkel? Hat man Lampen oder Fenster im Sichtfeld der Kamera? Oder gar Spiegel? Ist der Abstand zwischen Kamera und LEDs zu groß oder zu klein? Unterbricht man aus Versehen den Sichtkontakt zwischen Kamera und LEDs? All das kann dazu führen, dass die virtuellen Controller sich von selber bewegen oder sich auch mal die ganze virtuelle Welt um einen herum verschiebt. Das macht eine präzise Steuerung schwierig, was die Immersion brechen kann und im schlimmsten Fall zu Übelkeit führen.

Bei mir funktionierte das Motion Tracking mal besser, mal schlechter. Woran das liegt ist allerdings nicht nachvollziehbar. Vielleicht an den Lichtverhältnissen, vielleicht am Spiel. Ich kann es nicht sagen. Ist das unzuverlässige Motion Tracking ein Dealbreaker für PSVR? Auch Das muss man wohl ausprobieren und für sich selber entscheiden.

Verfügbare Spiele

Aktuell stehen im PlayStation Store 34 Titel für PSVR zum Kauf und Download zur Verfügung (Stand 20.10.2016). Sony hat angekündigt, dass es bis Ende des Jahres 50 Titel sein werden. Die Auswahl reicht von kostenlosen Demos und Experiences bis hin zu Vollpreis-Spielen für 60 €. Die meisten Spiele bewegen sich preislich im Rahmen zwischen 20 € und 30 €.

Vom Umfang her bleiben wohl alle hinter vergleichbar teuren Nicht-VR-Spielen zurück. Spiele vom Kaliber eines GTA V oder Uncharted 4 sollte man für die PSVR zur Zeit nicht erwarten.

Fazit Sebastian

1993 habe ich meinen Super NES bekommen. Meine Mutter hat mich zum Elektrogroßhandel gefahren und ich weiß noch, wie unglaublich aufgeregt ich damals war. So aufgeregt war ich seit damals nie wieder, wenn es um Unterhaltungselektronik ging. Same old, same old, bloß mit besserer Grafik. Bis zur PSVR und plötzlich war ich wieder aufgeregt. Man muss es selber ausprobiert haben, um zu verstehen, warum.

„Man muss es selber ausprobiert haben“ hilft einem natürlich bei der Kaufentscheidung nicht wirklich weiter, aber es führt eigentlich kein Weg daran vorbei. Es ist so einfach, die Kritikpunkte an der PSVR ausführlich aufzulisten, doch ihnen allen entgegen steht für mich “Aber es ist soooo cool!“. Die Grafik lässt zu wünschen übrig, dafür sitze ich aber selber im Cockpit eines Space-Panzers. Die Motion Controller sind hakelig, dafür kann ich aber nicht nur sagen „Ich bin Batman!“ (und ein Snickers essen), ich kann Batman sein. Die Spiele sind oft kurz und wenig innovativ, aber ein so intensives Horrorerlebnis wie ich es mit der Resident Evil-Demo in VR hatte, kann ich mir beim herkömmlichen Gaming sonst einfach nicht vorstellen. Ocean Descent sieht vielleicht auf dem Fernseher öde aus, aber: Boah, ist der Hai riesig. Jaws go home!

Ist Virtual Reality die Zukunft des Gaming? Wahrscheinlich nicht, zumindest nicht in naher Zukunft. Zu limitiert sind die Möglichkeiten, zu groß ist der Aufwand, zu hoch der Preis. Ob es irgendwann einen festen Platz in Gaming-Haushalten einnehmen kann, wird sich zeigen und hängt wohl von vielen verschiedenen Faktoren ab. Aber so wie es gerade ist, ist es für mich super.

Fazit Lotte

Machen wir uns nichts vor: Die VR-Technik wird unseren Lebensraum verändern. Der videospielende Kerl ist aus dem Erscheinungsbild des modernen Wohnzimmers mittlerweile ja eh nicht mehr wegzudenken. Aber in Zukunft steht er mittendrin und haut mit bunt leuchtenden Eistüten um sich. Daran muss man sich erstmal gewöhnen. Darüber hinaus hat er eine Kabelfalle zwischen sich und der Unterhaltungselektronik gespannt, und ach ja : Ansprechen kann man ihn auch nicht, weil er hat Kopfhörer auf. Und wenn man Pech hat, erschreckt man ihn, weil er nicht wusste, dass man da ist (Komplettvisier, man kennt das). Ist das wirklich empfehlenswert für eine Bevölkerungsgruppe, die zu immer frühzeitigeren Herzinfarkten neigt? Davon ab sieht die Brille an sich ganz schick aus, wenn sie so auf dem extra angeschafften Ablagetisch ausruht (selten). Zu den Spielen selber kann ich wenig sagen, weil die sind gruselig und gewalttätig. Haie und Zombies und Panzerfahren! Wo sind die Make-Up-Simulationen, das Frisierstudio und am wichtigsten, das virtuelle Ankleidezimmer mit Prinzessinnenmode aus 11 Jahrhunderten und 28 Nationen? Da ist entwicklungstechnisch noch viel Luft nach oben! Aber ich schließe mich meinem Vorredner an: Sollte man ausprobieren, weil es nicht nur die Zukunft des Gaming sein wird. Nicht zu vergessen: Ich war Batman!