Kolumne: Fortsetzungswahn in der Spieleindustrie

Die Spielindustrie steht drauf, Buch-Autoren auch und Filmemacher sowieso. Die Rede ist von Fortsetzungen. Längst ist es Gang und Gäbe, dass sich in den Release-Listen sämtlicher Monate recht häufig Spiele mit einer Nummerierung am Schluss ein Stell dich ein geben. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Bereits am Markt etablierte Marken verfügen in der Regel über Bekanntheit und eine Userbasis, die gerne eine Fortsetzung daddeln möchten. Der Hersteller kann außerdem bequem Screenshot-Fortsetzungswahn3auf eine bestehende Hintergrundgeschichte inkl. diverser Protagonisten zurückgreifen. Gameplaymechaniken können übernommen werden und benötigen lediglich gewisse Anpassungen, neue Impulse und Verbesserungen, die sie dem Feedback der Spieler entnehmen können. Im Optimalfall wird die Technik noch aufgestockt und von allem wird ein Schüppchen obendrauf gepackt – fertig ist Teil X von Spielereihe Y.

Nicht wenige Spieler jedoch sehen diesen Trend ungemein kritisch. Man liest oft, dass gewisse Serien „verwurstet“ werden. Teilweise gibt es Reihen, die tatsächlich jedes Jahr eine Art „Update“ spendiert bekommen. Beispielsweise geht Ubisofts Meuchelmörder-Saga um den Kampf der Weißkapuzen-Akrobaten gegen die Breitschwert-Träger jedes Jahr in eine neue Runde und unterscheidet sich dabei meist nur im Setting. Auch der wohl erfolgreichste Egoshooter Call of Duty erfindet sich jährlich in gewisser Weise immer neu und steht pünktlich im November in den Regalen Spalier. Außen vor sind irgendwie nur die Sportspiele. Eine Saison dauert in den prominenten Sportarten Fußball, Basketball, Football und Eishockey nun mal

Screenshot-Fortsetzungswahn2einfach ein Jahr. Anschließend wollen die Fans mit den aktuellen Kadern und den neuen Spielern wieder gegen den Ball treten. Zumal hier die Änderungen für Kenner und Fans der Serien sehr deutlich zu spüren sind. Dem Laien kommt es oft so vor, als wären nur die Kader aktualisiert worden – dem ist jedoch nicht so.

Doch ist es nun gerechtfertigt, dass teilweise besonderes Augenmerk bei einem Test auf dem Vorgänger liegt? Gegner dieser Fortsetzungsorgien argumentieren gerne damit, dass die Spiele ja im Grunde nur fast dasselbe wie im Vorjahr bieten. „Wieso wird Call of Duty oder Assassins Creed jedes Jahr aufs Neue mit Traumwertungen belohnt?“ Manche meinen sogar, dass man damit die Entwickler darin bestärken würde und wir bald nur noch immer wieder dieselben Spiele zocken würden. Doch ist das wirklich so? Kommen wir erst einmal zur beliebten Wertungsdiskussion. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass ein Spiel immer individuell gewertet werden sollte. Warum sollte der vierte Teil von Uncharted einen Wertungsabzug erhalten, weil er sich nicht genug von den Teilen davor unterscheidet? Solche Forderungen ergeben meiner Meinung nach keinen Sinn. Zumal gewisse Fangruppen auch gerne Screenshot-Fortsetzungswahn1einmal vergessen, dass ihre Lieblings-Fortsetzung auch im Vergleich zum Spiel davor auch nicht allzu viel Neues bietet. Sollte das kommende Call of Duty also wieder eine gut spielbare Kampagne bieten, hat es auch wieder eine gute Wertung verdient. Klingt logisch – ist es aber dennoch für viele nicht.

Doch wieso tun uns die bösen Studios all diese Grausamkeiten eigentlich an? Warum zwingen sie uns, Spiele mit bald zweistelligen Nummern hinter dem Namen zu zocken? Die Antwort ist simpel und unromantisch. Die Industrie ist sehr schnell sehr groß geworden. Moderne Spieleproduktionen verschlingen Millionen an Budget, bieten dabei mehreren hunderten Leuten Arbeitsplätze und bürgen deshalb nicht nur ein hohes finanzielles, sondern sogar ein hohes soziales Risiko. Längst haben Videospiele von den Einnahmen sogar Hollywood hinter sich gelassen. Die Sprichwörter „Auf Nummer sicher gehen“ oder „Never change a winning Team“ kommen nicht von Ungefähr. Gerne schiebt man die Schuld für die geringe Risikobereitschaft des großen Publishers auf deren Gier und deren Faulheit. Das mag auch teilweise stimmen. Doch vergessen viele eben auch, dass eine neue Marke viele Probleme bringen kann. Es ist wie so oft. Viele fordern etwas und kaufen es aber dann nicht.

Watch-Dogs-Game-PicsMöchte man eine neue Marke auf dem Markt ansiedeln, kostet das unsäglich viel Geld. Durch die Unbekanntheit ist das Werbebudget um ein vielfaches höher, Entwickler können auf keine Basis zurückgreifen und alles muss von Grund auf neu erschaffen und balanciert werden. Dafür muss der Start dann aber sitzen. Löblich geht hierbei meiner Meinung nach Ubisoft vor und verdeutlicht recht anschaulich, wie wenig Spaß die Zockerwelt bei neuen IP’s versteht. Denn zufälligerweise verschieben die Franzosen munter einen Großteil ihrer Spiele in weitere Ferne. Dies geschah bei Watch Dogs, passierte beim neuen Online-MMO The Division und wurde zuletzt kurzerhand nach der Gamescom ebenfalls für Rainbow Six: Siege entschieden. Ich vermute, die Zeiten, in denen Spiele als einzelner Titel geplant werden, können wir langsam ad acta legen. Ayden Pearce aus Watch Dogs wird uns nicht zum letzten Mal auf dem Bildschirm begegnet sein. Die Erschaffung der „Wachhunde“ war sicherlich viel zu teuer, als dass nur der erste Teil diese Kosten decken kann. Längst arbeiten die Analysten bei großen Projekten mit einer Reihe von 1-3 Spielen. Etabliert man dann die neue Marke ordentlich auf dem Markt, wartet mit dem zweiten Teil die Gewinnzone. Watch Dogs ist also kein neues Spiel, sondern eine neue Serie. Screenshot-Fortsetzungswahn5Ein solches Projekt in den Sand zu setzen bedeutet also ein Millionenverlust, den sich auch die Großen nicht leisten können und wollen.

Und seien wir mal ehrlich. War es denn früher so anders? Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit in der ich gebannt vor meiner ersten Konsole saß. 1987 war ich fünf Jahre alt und Deutschland war noch durch eine Mauer getrennt. Zu meinen Lieblingsspielen damals gehörten die Abenteuer des Blauen Bombers. Mega Man schafft es auch auf stolze sechs Teile auf dem NES. Von Mario Bros. gab es auch drei Hüpfabenteuer für Freunde von Jump and Runs. Und die damaligen Verhältnisse sind dabei nicht mal mit heutigen vergleichbar. Während heute mehrere Spiele pro Woche um die Gunst werben, von euch gekauft zu werden, wartete man vor 20 Jahren teilweise wochenlang auf einen brauchbaren Release. Und keiner meiner Freunde hatte sich damals so immens über das neue Mega Man 4 aufgeregt, wie die Leute es heute in den Screenshot-Fortsetzungswahn4Foren tun, nur weil ein neues Call of Duty erscheint.

Allgemein sollten manche Leute sich selber nicht so verrückt machen lassen. Der allgemeine Tenor im Netz, das die Publisher allesamt „böse“ sind und uns quasi ausrauben wollen, nervt nämlich gewaltig. Wobei dabei viele ihrem persönlichen Lieblingshersteller ähnliche Aktionen kein Bisschen krumm nehmen. Genießt es also einfach, dass unser Hobby erwachsen geworden ist und wir so viel Auswahl haben wie nie ein Zocker vor uns. Denn neue Spiele-Serien landen unabhängig von allen Fortsetzungen auch noch oft genug in unserer Lieblingskonsole. Also, statt meckern lieber zocken!